Künstliche Intelligenz: Noch in der Probierphase

Wie können Versicherer von künstlicher Intelligenz profitieren?. Quelle: Bild von Comfreak auf Pixabay.

Was kann Künstliche Intelligenz (KI) tatsächlich für die Versicherungsbranche leisten? Ist sie ein kurzfristiger Hype oder eine ernst zu nehmende Möglichkeit, Geschäftsmodelle zu revolutionieren? Darüber diskutierten gestern Experten auf der Fachkonferenz „KI und Data Analytics“ der Süddeutschen Zeitung.

Woran die Nutzung von KI in der Versicherungsbranche gegenwärtig noch krankt, ist nach Ansicht von Michael Zimmer, Chief Data Officer der Zurich Gruppe, vor allem die häufig noch fehlende strategische Sicht. Man könne schon Gefühle in Kunden-E-Mails analysieren oder kenne dank externer Daten die Lebensereignisse von Kunden und könne entsprechend die Beratung verbessern.

Allerdings sei das alles noch zu zersplittert und laufe auf zu vielen unterschiedlichen Systemen. Daher seien viele Versicherer gerade dabei, ihre End-to-End-Prozesse zu überarbeiten und auf einem Tool zu vereinen. Dabei können Daten und KI nicht nur dem Vertrieb helfen, die richtigen Kunden anzusprechen, findet Zimmer, sondern auch den Innendienst dabei unterstützen zum Beispiel Großkundenschäden effizient zu bearbeiten. Bei Zurich laufen die KI-Anwendungen auf Clouds, berichtete Zimmer weiter. Natürlich sei es problematisch, jahrzehntelang gewachsene Datenbanken von Versicherern hier zu integrieren. Clouds seien auf jeden Fall flexibel, sicher, schnell und preiswert, fügte er an.

Altlasten von Versicherern seien ihr größter Nachteil gegenüber Start-ups, die hier unbeschwert agieren könnten. In Start-ups funktioniere auch die Einheit zwischen IT und Business unproblematisch, während sich bei traditionellen Versicherern hier häufig Gräben auftun. Zudem verkaufe die Versicherungsbranche Erfolge bei Digitalisierung und KI nicht gut genug. Um gute Mitarbeiter zu gewinnen, müsse man sich als KI-Anwender sichtbar machen. Bei der Zurich sei man beispielsweise dazu übergegangen, IT nicht mehr wie früher weitgehend auszulagern, sondern selbst eigenes Know-how aufzubauen. Nur so könne man nach Zimmers Auffassung mit der Konkurrenz wie Lemonade und Google mithalten.

KI muss gesamten Workflow erfassen

Mit dem inzwischen nahezu bedeutungslosen Handykonzern Nokia verglich Dr. Ramin Assadollahi, Computerlinguist sowie Gründer und CEO der Firma ExB – ein Innovations-Labor für sprachverarbeitende Software-Produkte – die Situation der Versicherer in Bezug auf Digitalisierung und KI. Seine Begründung: Nokia hatte mit 68 Prozent Marktanteil keinen Konkurrenzdruck und unterlag mit seinen rund 200 Handymodellen Steve Jobs, der vom Kunden aus dachte und ein Gerät auf den Markt brachte, das alles kann. Ob auch in der Versicherungsbranche ein Mitspieler kommt, der alles revolutioniert, ließ er dahingestellt. Er vermutet aber stark, dass sich KI nicht – wie jetzt üblich – auf einzelne Prozesse beschränken lässt, sondern den gesamten Workflow verändern wird. Und das nicht einmalig, sondern in einem andauernden Prozess, da ständig neue Daten dazukommen und Algorithmen wechseln. Zugleich bezweifelt er, dass alle derzeit 530 Versicherer in Deutschland die Innovationskraft haben werden, um KI in diesem Sinne einzusetzen.

Vom Fließband noch weit entfernt

Über den Stand der KI-Anwendungen in ihren Häusern berichteten Patric Fedlmeier, Vorstand der Provinzial Holding, Heinrich Fritzlar, Leiter Anwendungsentwicklung der Nürnberger Versicherung, sowie Benedikt Kalteier, Vorstandsvorsitzender der Cosmos Direkt Versicherung. Alle betonten, beim Thema KI noch beim Ausprobieren zu sein, wobei Aufbruchstimmung herrsche. Man sei noch mit Einzelfällen beschäftigt und vom „Fließband“ weit entfernt, meinte Fritzlar. Fedlmeier plädierte dafür, lieber eigene Datenschätze zu heben, die im Keller liegen, als externe Daten zu nutzen.

Zudem müsste Mitarbeitern und Führungskräften die Angst vor KI genommen werden und KI als das dargestellt werden, was es sei: ein weiteres Assistenzsystem, das die Arbeit erleichtern kann. Anwendungsmöglichkeiten sieht Kalteier in der Produktgestaltung, im Pricing und der Prozessoptimierung. Man wolle zunächst punktuell bestimmte Bereiche mit KI verbessern, vor allem aus Kundensicht. Dazu müsse sie aber aus der Spooky-Ecke herausgeholt und als normales Werkzeug dargestellt werden, um mit Daten umzugehen.

Die Provinzial will vor allem im Schadenbereich KI einsetzen und erheblich Schadenkosten einsparen. Den Telematikbereich, in dem vor allem Allianz und HUK Coburg weit fortgeschritten sind, sehen alle drei Unternehmensvertreter eher skeptisch. Noch sei nicht nachgewiesen, dass diese Tarife wirklich laufen. Man experimentiere zwar, aber in einem sehr frühen Stadium.

Innovative Tools

Wie Start-ups auf dem Gebiet der KI unterwegs sind, verdeutlichten einige Gründer, die in Pitchrunden ihre Geschäftsmodelle vorstellten. So berichtete Bastian Maiworm, einer der Geschäftsführer der Aachener Ambe Road Tech GmbH, von ihrer KI-Anwendung, die es Unternehmen ermöglicht ihre Archive für Mitarbeiter leichter nutzbar zu machen. Eine intelligente Suchmaschine – eine Art „Google für die Arbeit“ – durchforstet dafür alle erdenklichen Datenbanken von Unternehmen. Und Timm Tränkler, Geschäftsführer der Augsburger Credium GmbH, stellte eine Analysesoftware vor, die es Gebäudeversicherern erleichtern soll, die Risiken einer Immobilie einschätzen zu können. Dazu wurden sehr viele Datenquellen in einer einzigen Datenbank zusammengeführt, die deutschlandweit nach Angabe der Adresse umfassende Informationen zu der betreffenden Immobilie auswirft.

Autor: Elke Pohl

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