Datenmanagement: Trend geht zu digitalen Standardlösungen

Quelle: Flixcheck

Rund ein Drittel der deutschen Versicherungskunden würden im Schadenfall gern per App oder per Videokonferenz mit ihrer Versicherung kommunizieren, 73 Prozent wünschen sich mehr personalisierte oder nutzungsabhängige Produkte. Diese und weitere Ergebnisse des Guidewire Survey Reports 2021 stellte der Europa-Marketingchef des amerikanischen Softwareentwicklers Guidewire, René Schoenauer, gestern im Rahmen eines Roundtable-Gesprächs vor.

Nach wie vor haben Verbraucher eine überwiegend kritische Meinung zu Versicherern. So behaupten etwa 34 Prozent der von Guidewire befragten Personen, dass Versicherungen zwar notwendig, aber lästig seien. Allerdings schätzen auch 25 Prozent Produkte und Leistungen ihrer Versicherung. An dieser Gesamtsituation hat auch Corona nicht viel verändert. Immerhin denkt knapp ein Viertel der Befragten nach ihren Erfahrungen während der Krise positiver über die Branche, während 28 Prozent nicht davon überzeugt sind, dass die Branche genug getan hat, um ihren Kunden zu helfen.

Beim Thema Homeoffice und Versicherung herrscht offenbar nach wie vor viel Unsicherheit. 59 Prozent der Befragten der Guidewire-Studie wissen nicht, wie sie im Homeoffice versichert sind. Vor allem die Frage, ob vom Arbeitgeber gestellte PCs über die eigene Hausrat- oder Haftpflichtversicherung gesichert sind, treibt viele um (60 Prozent). Kein Wunder, dass sich die Leute von ihrem Arbeitgeber (71 Prozent) und von ihrem Versicherer (89 Prozent) nicht ausreichend informiert fühlen. Die Tatsache, dass sich 73 Prozent der Befragten auf sie zugeschnittene Produkte vorstellen könnten und dafür dem Versicherer auch Zugriff etwa auf ihre Fahrdaten geben würden (61 Prozent), wertete René Schoenauer als große Möglichkeit für Versicherer näher an ihre Kunden zu kommen.

Die Akzeptanz sei in den letzten Jahren erheblich gewachsen. Auch den Wunsch nach proaktiver Schadenprävention, den 82 Prozent der Befragten äußerten, sollten Versicherer als Chance nutzen Risikoberater für ihre Kunden zu werden. „Erhobene Daten können genutzt werden, um Kunden aufzuzeigen, wo sie ihr Risikoprofil verbessern können“, machte er deutlich. „Prävention hilft auch Interaktionslücken zum Kunden zu schließen und mehr Anknüpfungspunkte für Kundenkontakte zu bekommen.“

Zu den drängenden Aufgaben für Versicherer gehört laut Studie, die Omnikanalfähigkeit und Durchlässigkeit ihrer Kundenkommunikation zu verbessern. Da neben Telefon (60 Prozent) und E-Mail (57 Prozent) immer mehr Kunden mit ihrem Versicherer auch per mobiler App (34 Prozent) und Videokonferenz (32 Prozent) in Kontakt treten wollen, müssen Versicherer nach Schoenauers Auffassung hier alle Möglichkeiten nutzen, miteinander verknüpfen und größtmögliche Transparenz beispielsweise über den Stand der Schadenbearbeitung sicherstellen. Wenn etwa eine Online-Schadenmeldung nicht automatisch an das Schadenmanagement weitergeleitet werde, gebe es unnütze und teure Brüche.

Wie Tobias Kohl von der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung PPI AG erklärte, befinde sich die Branche nach wie vor in einer „komfortablen Situation“ und der Veränderungsdruck sei noch nicht groß genug. Das bestätigte Jonas Piela, Inhaber der Beratungsfirma Piela & Co. Digital Consultants, und ergänzte, dass neue Player aus dem IT-Bereich nur schwer in den Markt kämen. Zudem hänge das Tempo von Veränderungen auch vom Vertriebsmodell ab: Während Versicherer mit eigenem Vertrieb häufig später reagieren, würden Maklerversicherer den Druck am schnellsten spüren, da Makler eher moderne Strukturen und Abläufe einfordern.

Trend zu Standardlösungen

Die digitale Transformation von Versicherungen geht nach Auffassung der Experten derzeit immer noch in Richtung Grundlagenschaffung, etwa dahin, das Kernversicherungssystem zu standardisieren und in der Cloud zu betreiben. Standardlösungen bieten zwar viele Vorteile, wie Piela betonte, setze aber voraus, dass sich Versicherer komplett von den über Jahre gewachsenen bisherigen Systemen verabschieden. „Versicherer wissen oft nicht genau, welche verschiedenen Softwaretools sie betreiben und was passiert, wenn sie eins davon herausnehmen. Daher haben sie große Angst vor Veränderungen.“

Immer mehr Versicherer würden sich allerdings für Standardlösungen entscheiden, weiß Schoenauer, der mit Guidewire genau solche Tools anbietet. „Wenn man weg will von den alten Zöpfen und hin zu einer Kosten-Nutzen-Betrachtung, dann muss ganzheitlich gedacht werden. So hat es wenig Sinn ein Standard-Kernversicherungssystem einzuführen, dann aber die alten Prozesse abbilden zu wollen. Dabei entfernt man sich vom Standard und erhöht erheblich die Implementierungskosten.“ Natürlich bleibt neben der Standardlösung noch genug Raum für individuelle Lösungen, die selektiv eingesetzt werden können, um sich etwa durch besondere Kundenansprache zu differenzieren, fügte Tobias Kohl an.

Nach seiner Auffassung werden die meisten Versicherer noch zwei bis drei Jahre in die Grundlagen investieren müssen und erst danach spürbar in andere digitale Bereiche. „Es hat auch keinen Sinn punktuell zu digitalisieren, weil Kunden dann bei einem Produkt eventuell gute, beim nächsten schlechte Erfahrungen machen. Es muss erst ein einheitliches Level erreicht werden“, zeigte er sich überzeugt.

Versicherer in den Hintergrund?

Breiten Raum nahm die Diskussion um die künftige Rolle von Versicherern ein. Jonas Piela hält es für unwahrscheinlich, dass Technologiegiganten wie Amazon eine reale Gefahr darstellen, die Versicherer als Risikoträger zu verdrängen. „Das wäre ein riesiger Aufwand. Wahrscheinlicher ist, dass sie sich auf die Kundenschnittstellen fokussieren, weshalb sie eher Vertrieben gefährlich werden können“, behauptete er. Kohl erwartet, dass sich das Geschäftsmodell der Versicherer ändert und sie zumindest in bestimmten Sparten dann nur noch für Produktlieferung und Prävention zuständig sind.

„Das Ansinnen manches Versicherers, als Orchestrator von Ökosystemen zu fungieren, ist für mich schlecht vorstellbar“, meinte er. Statt Mittelpunkt ist für Versicherer eher der Hintergrund wahrscheinlich. Zumindest kleine Gesellschaften, die wie der Volkswohlbund als Maklerversicherer die eigene Marke nicht pushen, würden diese Rolle jetzt bereits einnehmen, ergänzte Piela. Als Orchestrator brauche man eine starke Marke. „Amazon und Co. werden am Ende mit den großen Playern zusammenarbeiten“, mutmaßte er. Versicherer würden dabei weiter als Risikoträger fungieren.

Autorin: Elke Pohl

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