Versicherungsnehmende Wirtschaft prüft Alternativen zur klassischen Industrieversicherung

Quelle: Bild von JuergenPM auf Pixabay

Durch die Sanierung im Renewal 2020/21 hat die Reputation der Industrieversicherung bei der versicherungsnehmenden Wirtschaft stark gelitten. Einer Umfrage des Gesamtverbandes der versicherungsnehmenden Wirtschaft e.V. (GVNW) unter seinen Mitgliedsunternehmen zufolge bewerten 79 Prozent die Reputation als „sehr schlecht“ und weitere sechs Prozent als schlecht.

„Das ist historischer Tiefstand“, so GVNW-Chef Alexander Mahnke bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Als Reaktion auf die Maßnahmen der Versicherer im sich verhärtenden Markt prüfen nun zwei Drittel alternative Risikolösungen wie den Einsatz von Captives, parametrischen Triggern oder auch Kapitalmarktlösungen.

Der GVNW sieht die Gefahr, dass sich Unternehmen, die Kosten und Mühen für die Gründung einer Captive auf sich nehmen, weitgehend als Nachfrager von Industrieversicherungen ausfallen. „Die Captives werden sich auch die guten Rosinen picken“, so der stellvertretende GVNW-Vorsitzende Christian Böhm. „Das ist ein gefährliches Spiel, wenn man sagt, versichert euch selbst wo es uns weh tut.“ 

Den Hauptversicherungspartnern der GVNW-Mitglieder biete man nun konkret den Dialog an, um das nächste Renewal besser zu gestalten. „Wir bleiben verhalten optimistisch, dass die ein oder andere Stelle Ausrutscher in der fehlenden Kommunikation oder bei spezifischen Risiken waren“, so Mahnke. Er befürchtet zwar, dass die Industrieversicherer mit der Sanierung ihrer Bücher „noch nicht vollständig durch sind“, hofft aber, dass zumindest die drastischen Ausschläge „zu Ende sein müssten“. Er fordert mehr Rationalität und Augenmaß in diesem langfristig angelegten Geschäft. Schließlich könnten die Versicherungsnehmer nichts für den jahrzehntelangen weichen Markt.

Laut GVNW waren alle 100 an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen bei der letzten Erneuerungsrunde in einer oder mehreren Sparten von Prämienerhöhungen betroffen. Bei 84,1 Prozent reduzierten die Versicherer die Kapazitäten. 73,2 Prozent berichteten über die Einführung zusätzlicher Ausschlüsse und anderer Deckungseinschränkungen. 58,5 Prozent der Befragten beklagten ein schlechte und/oder verspätete Kommunikation mit dem Versicherer. Knapp jedes dritte Unternehmen erhielt in bestimmten Bereichen keine Versicherungsdeckung. Fast 15 Prozent sahen sich einer schwierigen Schadenregulierung gegenüber. 

Der GVNW hat alle Sparten abgefragt. In der Tendenz stehen den Prämienerhöhungen oder Verschlechterungen des Versicherungsschutzes bei den Befragten keine entsprechenden Schadenquoten gegenüber. So berichten beispielsweise 34 Prozent von Verteuerungen in der Sach- und der Betriebsunterbrechungsversicherung und 79 Prozent von einer Schadenquote in dieser Sparte von unter 50 Prozent. Nur bei einem Unternehmen lag die Quote bei über 100 Prozent.

In der D&O-Versicherung stieg die Prämie bei 83 Prozent der Unternehmen insgesamt und bei immerhin 15 Prozent mehr als 100 Prozent. „Hier waren die Prämien über Jahre hinweg zu günstig, aber das ist nicht unser Problem“, so Mahnke. 96 Prozent geben an, dass ihre Schadenquote unter 50 Prozent liegt. Problematisch seien hier die Bedingungsänderungen und die zurückgehenden Versicherungssummen. Oft seien Programme nicht mehr vollständig zu komplementieren – zumindest nicht mit Versicherern, die nahe am deutschen Versicherungsrisiko seien.

Ähnlich sieht das Bild in der Cyber-Versicherung aus, bei der der GVNW die anfängliche „Goldgräberstimmung“ der Versicherer beklagt. 69 Prozent berichten über generelle Erhöhungen und neun Prozent von solchen über 100 Prozent. Bei 88 Prozent liege aber die Schadenquote unter 50 Prozent. Jahrelang hätten die Versicherer die Notwendigkeit dieser Absicherung betont und „Cyber schmackhaft gemacht“ und nun schränkten sie die Kapazitäten ein. „Das trägt nicht zum Vertrauen bei“, so Mahnke.

Im Vorgriff auf das nächste Renewal wollen zwei Drittel der Unternehmen den Erneuerungsprozess früher beginnen und gut die Hälfte dem Versicherer mehr Daten und Informationen zur Verfügung stellen. Knapp 39 Prozent der Unternehmen investiert mehr in Risikomanagement-Initiativen.

Die Makler, sofern die GVNW-Mitglieder solche nutzen, kamen bei der Umfrage übrigens gut weg: Zwei Drittel bewerten ihre Leistungen mit „gut“ oder „sehr gut“.

Autorin: Monika Lier

Ein Kommentar

  • Erich Hartmann

    Das Umfrageergebnis bestätigt, dass Industrie und deren Makler – wohlwissend, dass reichlich Kapazität im Markt vorhanden ist – die Versicherer über Jahre hinweg unter Hinweis auf die „viel zu hohen Versicherungsbeiträge“ nicht als Partner behandelt haben, sodass deren Ergebnisse daher – vorsichtig formuliert – unbefriedigend sind.
    Herr Mahnke weiß dies, da auch er zu der nun „ermittelten“ schlechten“ Reputation der Versicherer und der positiven Beurteilung der Makler (als Interessenvertreter der Industrieunternehmen) beigetragen hat.

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