Größter Börsengang geplatzt: Ant Financial darf nicht aufs Parkett

Hauptquartier von Alibaba in der ost-chinesischen Stadt Hangzhou. Ant Group ist dessen Tochterunternehmen. Quelle: hy

Fast jeder nutzt in China die Bezahldienste von Ant Financial. Die Unternehmenstochter von Alibaba sollte am Donnerstag den größten Börsengang aller Zeiten vollziehen. Doch die Finanzaufsicht beklagt, dass die Ant Group ihre Offenlegungspflichten nicht erfülle. Zeigt Chinas Staatsmacht dem Unternehmen die Grenzen auf?

Der große Finanzdienstleiter, der den populären mobilen Bezahldienst Alipay in China betreibt, plante am Donnerstag einen parallelen Börsengang in Shanghai und Hongkong, der nach Erwartungen von Anlegern der größte aller Zeiten hätte werden können. Nach letztem Stand sollten Aktien im Wert von rund 34,5 Mrd. Dollar unter die Anleger gebracht werden – deutlich mehr als beim Handelsstart des Ölkonzerns Saudi Aramco im vergangenen Jahr, der 29,4 Mrd. Dollar einbrachte.

Dabei hätte die Ant Group vorerst nur elf Prozent der Unternehmensanteile in den freien Handel gegeben. Ungewöhnlich wenig für einen Börsengang. Normalerweise sind mindestens 25 Prozent eines Unternehmens handelbar. Wäre der Börsengang wie geplant vollzogen, dann wäre das Unternehmen mit 313 bis 318,5 Mrd. Dollar bewertet werden.

Hat Jack Ma die Staatsmacht verärgert?

Die Führungsgremien der Shanghaier Börse teilten am Dienstagabend Ortszeit mit, dass der Börsengang ausgesetzt worden sei. Die Begründung: Das „aufsichtsrechtliche Umfeld“ habe sich bedeutend geändert. Hongkong zog kurz darauf nach und erteilte ebenfalls eine Absage des Börsengangs – mit Verweis auf Lücken bei den Offenlegungspflichten.

Bereits in den vergangenen Monaten hatte China die Zügel für Fintechs angezogen. Alibaba-Gründer Jack Ma hatte sich in den vergangenen Tagen öffentlich über eine aus seiner Sicht übermäßige, veraltete Regulierung beklagt. „Gute Innovation hat keine Angst vor Regulierung, aber sie hat Angst vor veralteten Vorschriften“, wurde Ma zitiert. Deshalb wurde er und die Spitzen von Ant Group am Montag von der Zentralbank vorgeladen. Es ginge um „regulatorische Interviews“, hieß es in der Stellungnahme. Mögliche Streitpunkte wurden dabei anscheinend nicht ausgeräumt, sodass Peking nun die Reißleine zog.

Der Milliardär Jack Ma hatte immer schon ein gespaltenes Verhältnis zur chinesischen Führung. „Meine Philosophie ist es, die Regierung zu lieben – aber sie nicht zu heiraten“, sagte er einst.  Nur so sei ein Aufstieg in China überhaupt möglich. Mit diesem Mittelweg baute er den größten Online-Händler des Landes auf und mit der Ant Group könnte er wohl aus Sicht von Peking zu mächtig werden. Dabei ist die fortschrittliche Technologie der Ant Group ein internationales Aushängeschild für China. Insofern glauben Experten, dass der Börsengang nur verschoben wird und Jack Ma lediglich eine Lektion erteilt wird.

Eine große Nummer im Versicherungsgeschäft

Im ersten Halbjahr erwirtschaftete Ant Financial einen Betriebsgewinn von umgerechnet rund drei Mrd. Euro, nach gut 500 Millionen im ersten Halbjahr 2019. Der Umsatz stieg um 38 Prozent auf neun Mrd. Euro. Derzeit hält Alibaba etwa ein Drittel der Anteile von Ant Financial. Der große Wachstumstreiber ist Alipay. Milliarden Chinesen bezahlen heute in Geschäften fast nur noch mit dem Handy, indem Nutzer einen QR-Code einscannen. Allein Alipay zählt mehr als 700 Millionen aktive User – pro Monat.

Auch im Versicherungsgeschäft ist man groß unterwegs. Ant Group hat nicht nur zwei Versicherungsmaklerfirmen, die zu 100 Prozent in eigenem Besitz sind. Sie ist auch an mehreren chinesischen Versicherungen beteiligt. Jedoch fokussiert sich das Unternehmen vor allem auf die technologischen Dienstleistungen für Versicherungsgesellschaften. Mehr als 80 Versicherungsunternehmen stellt Ant Group die auf KI basierte Schadensregulierungstechnik, die Big-Data-gestützte Prämienkalkulationssystem und Betrugserkennungssystem zur Verfügung. Das größte Feld für technologische Experimente ist in der Tat der Online-Versicherer Zhong An in Schanghai, den Ant Group mitgegründet hat.

Autor: VW-Redaktion

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