BGV-Vorstand Finkelnburg im Interview: „Der Vermittlerjob ist ein sensationeller Beruf“

BGV-Manager Moritz Finkelnburg (m.) im Gespräch mit den VW-Redakteuren Michael Stanczyk (l.) und David Gorr. Quelle: VVW

Was macht in diesen Zeiten einen guten Versicherungsvermittler aus? Ganz einfach: er muss schlicht sein Handwerk verstehen. Das Geschäftsumfeld indes wird anspruchsvoller. Im Exklusiv-Interview mit der Versicherungswirtschaft spricht BGV-Vorstand Moritz Finkelnburg über die Chancen des Vermittler-Berufs und Erfahrungen mit Insurtechs.

VWheute: Seit April 2019 sind Sie im BGV-Vorstand tätig. Unter anderem sind Sie für den Verkauf als auch für die Konzeption der Produkte zuständig. Kriegt man den Innen- und Außendienst unter einen Hut?

Moritz Finkelnburg: Unsere Ressortverteilung beim BGV hat den seltenen, aber großen Charme, dass ich neben dem Vertrieb auch für die ganzen Produkte des Firmenkunden- und Privatkundengeschäfts sowie das Kraftfahrtgeschäft (bei uns isoliert) zuständig bin. Das ist zumindest bei den TOP-10-Versicherern schwer, weil sie dafür – bedingt durch ihre Größe – oft jeweils eigene Vorstandsressorts haben. Diese Struktur hilft enorm, Reibungsverluste und „Grabenkämpfe“ zu vermeiden. Wir arbeiten sehr eng und verzahnt, der Austausch zwischen Vertrieb und Sparten klappt reibungslos und macht allen im Team viel Spaß.

VWheute: Warum ziehen Innen- und Außendienst meist nicht an einem Strang?

Moritz Finkelnburg: Eine Silo-Struktur, wie sie größenbedingt leider bei anderen Unternehmen oft zu finden ist, führt zu Abgrenzung und Kompetenzschwierigkeiten. Selbst wenn die einzelnen Personen sich schätzen, ist man doch in unterschiedlichen Lagern tätig und hat kein gemeinsames Verständnis oder Ziel. Dies hemmt enorm. Dann heißt es vom Innendienst beispielsweise pauschal: Der Vertrieb verkauft nur über Rabatt – mit dem Produkt und seinen Vorteilen oder gar dem Kundenbedarf kann er gar nicht argumentieren. Wir hier drinnen müssen es dann ausbaden, die Schäden regulieren, obwohl wir eigentlich tolle Produkte machen.

Der Vertrieb betrachtet es natürlich genau anders herum: Wir könnten alles verkaufen, wenn wir nur endlich anständige Produkte zu marktgerechten Preisen bekommen würden. Diese Gegensätze haben wir viel weniger, weil die Kollegen aus Sparte und Vertrieb sowie – ganz wichtig – auch Kundenservice quasi an einem Tisch sitzen und gleiche Ziele verfolgen. Wir können dadurch harmonischer, schneller und zielgerichteter arbeiten. Ferner müssen die Kollegen aus dem Innendienst jedes Jahr verpflichtend ein paar Tage im Vertrieb auf Tour sein und erleben so ganz praktisch, wie der Verkauf funktioniert. Umgekehrt sind die Vertriebler verpflichtet, die Kollegen im Innendienst für ein paar Tage zu unterstützen und Kraftfahrtverträge oder Schäden einzugeben. Das Feedback beider Seiten dazu ist super.

„Ein guter Verkäufer muss schlicht und einfach sein Handwerk verstehen. Das bedeutet überhaupt nicht, dass er am lautesten schreit und mit den günstigsten Prämien um sich wirft. Er muss qualifiziert beraten können und Spaß an Menschen haben.“

Moritz Finkelnburg, BGV-Vorstand für die Bereiche Vertrieb-Privat, Kundenservice sowie Kraftfahrt Betrieb und Schaden

VWheute: Was macht einen guten Vertriebler aus Ihrer Sicht aus?

Moritz Finkelnburg: Ein guter Verkäufer muss schlicht und einfach sein Handwerk verstehen. Das bedeutet überhaupt nicht, dass er am lautesten schreit und mit den günstigsten Prämien um sich wirft. Er muss qualifiziert beraten können und Spaß an Menschen haben. Er muss wissen, wie er eine umfassende Bedarfsanalyse macht. Wo steht der Kunde im Leben, wo will er hin, was sind seine Ziele und Risiken? Dann wissen wir, welches Sicherheitsnetz wir als Versicherer bieten können und bieten müssen. Bei einem jungen Familienvater muss ein guter Berater nicht nur über Kfz oder Unfall sprechen, sondern natürlich auch über eine Risikolebensversicherung. Wenn ihm etwas passiert, dann steht die junge Frau mit Kind alleine da und hat möglicherweise keinerlei Einkommen. Das ist der existentielle Supergau.

Gleiches gilt für die Gebäudeversicherung, wenn sich jemand endlich den Traum vom eigenen Haus erfüllt. Das gehört zu einer seriösen Beratung dazu. Ein guter Berater muss letztlich einen Kunden nach seinen Bedürfnissen analysieren und beraten und dafür eine passende Lösung anbieten. Dabei geht es gar nicht nur um den Preis. Wir als BGV wollen und können auch nicht der günstigste Anbieter sein. Wir wollen eine Vertriebsmannschaft, die sehr persönlich, langfristig, umfassend und mit hoher Fachkompetenz die Kunden berät – mit dem Risiko, dass der Kunde lieber zu einem günstigeren Anbieter geht.

VWheute: Während des Lockdowns kam diese persönliche Beratung zu kurz. Wie haben auf der einen Seite Ihre Kunden und auf der anderen Seite Ihre Vermittler darauf reagiert?

Moritz Finkelnburg: Wie alle anderen Versicherer haben auch wir ein bisschen gelitten. Die Kunden hatten während des Lockdowns mit ganz anderen Themen zu kämpfen, als einen Jahrescheck zur Versicherung zu machen oder ein neues Auto zu kaufen. Jetzt im Moment zieht es wieder an, die Kunden haben wieder den Kopf frei für Absicherungsthemen und fragen natürlich auch an, wo sie hier und da sparen können, um die Corona-Auswirkungen zu mildern. Unsere Vermittler hat Corona natürlich extrem beschäftigt, da sie praktisch drei Monate keinen Abschluss machten konnten. Deswegen haben wir für alle Vertriebler einen „Corona-Schutzschirm“ zur Verfügung gestellt und haben ihnen die entgangenen Provisionen garantiert, wie bei einem Darlehen.

VWheute: Das Image der Branche hat im Lockdown gelitten. Hätten
Versicherer im BSV-Streit mehr Kulanz zeigen sollen?

Moritz Finkelnburg: Das ist eine schwierige Frage, zumal die politische und rechtliche Auseinandersetzung mit diesem Thema ja aktuell noch läuft. Perspektivisch müssen wir unbedingt eine Lösung für die Betroffenen – vor allem ja Hotellerie und Gastronomie – finden. Es ist absolut nachvollziehbar, dass diese sich im Stich gelassen fühlen. Umgekehrt hat sich die Branche ja in einer sehr unsicheren Deckungslage klar positioniert und Kunden Kulanzen angeboten. Und dies, obwohl keine Produktkalkulation der BSV Pandemiesituationen umfasste. Wir selbst sind gerade im Gastrobereich in Baden stark vertreten, haben aber – anders als der eine oder andere Versicherer – glasklare Bedingungen, die Corona nicht abdecken. Dennoch haben wir uns auch engagiert und Kulanzen von über eine Mio. Euro für unsere Kunden zur Verfügung gestellt.

VWheute: Der BGV ist regional tief verwurzelt und gleichzeitig scheinen genau da die Grenzen des Wachstums zu liegen. Wo kann der BGV aus Ihrer Sicht noch wachsen?

Moritz Finkelnburg: Natürlich sind wir ein Kommunalversicherer. Von acht Badischen Gemeinden vor fast 100 Jahren gegründet und seitdem mit unserer ganzen DNA damit beschäftigt, unsere Badischen Gemeinden vollständig abzusichern. Wachsen und entwickeln sich die Gemeinden, tun wir das also auch. Zusätzlich widmen wir uns bei unserer Ausschließlichkeit zukünftig sehr stark dem Thema Familie und sehen dort – gerade in Baden – deutliches Wachstumspotential. Gleiches gilt im Übrigen auch für das mittelständische Firmengeschäft. Dies wird eher über Makler vertrieben. Wir bauen gerade unsere Produkte, unsere Technik sowie Schnittstellen mit BiPro und Maklerverwaltungsprogrammen konsequent aus, um hier zukünftig ein spannender Partner für mittelständische Makler sein zu können. Durch unsere überschaubare Größe können wir persönliche Ansprechpartner vor Ort mit unmittelbarer Entscheidungskompetenz bieten, was natürlich ein Wettbewerbsvorteil ist.

Die Fragen stellten die VWheute-Redakteure Michael Stanczyk und David Gorr.

Das vollständige Interview lesen Sie in der Oktober-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Ein Kommentar

  • Interessant zu lesen, wie die Ressort-Strukturen der BGV auch ihren unternehmerischen Erfolg unterstützen. Die verpflichtenden gegenseitigen Hospitationen sind eine richtig gute Sache! Der „Corona-Schutzschirm“ für Vermittler ist eine sehr faire Regelung – ebenso wie die BSV-Kulanzen.

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