Ottonova-Vertriebschef Kannenberg: „Es war von Anfang an unser Selbstverständnis, dass wir mehr als nur ein reiner Leistungserstatter sind“

Jesko Kannenberg. Quelle: Ottonova

Ottonova ist seit Juli 2017 als digitaler Krankenversicherer am Markt. VWheute sprach exklusiv mit Jesko David Kannenberg, Vorstand Vertrieb und Marketing, über die aktuellen Ziele für 2020 und die kommenden Jahre.

VWheute: „Ottonova entwickelt sich gezielt im Sinne der Kunden weiter“, wird in der Studie gelobt. An was arbeiten Sie aktuell?

Jesko David Kannenberg: Die Zufriedenheit unserer Kunden und ihr Wohlbefinden sind tatsächlich zentraler Dreh- und Angelpunkt für uns, wenn wir Prozesse optimieren und neue Produkte entwickeln. Oft sind es die kleinen Änderungen, die den Umgang noch einfacher machen und die Kunden ganz besonders wertschätzen. Im Sommer haben wir beispielsweise Veränderungen an unserem Concierge-Chat vorgenommen, sodass er noch intuitiver zu bedienen ist. Aktuell arbeiten wir daran, dass die Schnittstellen zur Krankenversicherung noch schneller und automatisierter ablaufen. Unser Ziel ist ein digitales Ökosystem, das jederzeit mit anderen relevanten Teilen wie beispielsweise Zahlungsdienstleistern verbunden ist und den Kunden so eine Menge kleiner Arbeitsschritte abnimmt.

VWheute: Hat die Krise ihre Arbeit verändert, gehen Sie jetzt anders an Themen heran?

Jesko David Kannenberg: Die letzten Monate haben uns gezeigt, dass unser Geschäftsmodell sehr belastbar und zukunftsfähig ist. Da wir ohnehin bereits fast ausschließlich digitale Abläufe und Prozesse haben, mussten wir hier keine Veränderungen vornehmen und konnten uns auch während der Krise unverändert intensiv für unsere Kunden da sein. Ein Learning der letzten Monate ist für uns Fokussierung: Projekte werden von Anfang an noch klarer priorisiert und dann sehr effizient bearbeitet. Während wir vor Corona vieles nebenbei bearbeiten konnten, weil die Kollegen ohnehin im Büro waren, so bedarf es jetzt einer höheren Planung. Dadurch profitiert unser Projektmanagement aber, denn wir können Aufwände und Komplexität viel transparenter darstellen als vorher.

VWheute: „PKV leidet unter Abrieb in der Vollversicherung“, stimmen Sie der These zu und was bedeutet das für ihr Geschäft und den Markt?

Jesko David Kannenberg: Die aggregierten Marktzahlen zeigen, dass das Neugeschäft aktuell insgesamt etwas nachlässt. Auch wenn dies nur geringe Schwankungen sind, spüren wir sie nicht. Im Gegenteil: Unsere Tarife sind durch ihren hohen digitalen Charakter beliebt und die Nachfrage stark. Wir sind ein klarer Beweis dafür, dass Kunden Angebote auswählen, die auf sie zugeschnitten sind. Und gerade digitale Features sind auch im PKV-Markt beliebt. Wir sind hier entspannt, dass es in der Branche weiterhin genug Raum für alle Teilnehmer geben wird.

VWheute: Welche Entwicklungen sehen sie im PKV-Bereich in den nächsten drei Jahren, wie wollen Sie diese mitbestimmen?

Jesko David Kannenberg: Die gesetzlichen Krankenkassen haben die rechtlichen Voraussetzungen vom Gesetzgeber erhalten, um eine Vielzahl von neuen digitalen Entwicklungen für die Versicherten und die gesamte Branche in die Wege zu leiten. Diese gelten jedoch nicht für die PKVen. Daher arbeiten wir eng mit dem PKV-Verband zusammen, um die gesetzlichen Unterschiede aufzuheben und eine Chancengleichheit wiederherzustellen. Dies umfasst auch die Zusammenarbeit zwischen PKV und GKV bei der Gematik, die elementar für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem ist.

VWheute: Will sich Ottonova zum Gesundheitsdienstleister wandeln, wenn ja, wie?

Jesko David Kannenberg: Es war von Anfang an unser Selbstverständnis, dass wir mehr als nur ein reiner Leistungserstatter sind. Daher bieten wir seit unserem Markteintritt 2017 ein hohes Level an Beratung sowie Vorsorgeleistungen an. Dies haben wir mittlerweile ergänzt um einen expliziten Vorsorgebonus im First Class-Tarif, außerdem haben wir das Belohnungsprogramm health X zur Weiterentwicklung unserer Produkte und Services ins Leben gerufen. So bauen wir von Anfang eine persönliche Beziehung zu unseren Kunden auf, die uns und den Versicherten langfristig einen sehr großen Mehrwert bietet.

VWheute: Bei der Entwicklung zum Gesundheitsdienstleister entwickelt die TK oder auch AOK als GKV „teilweise deutlich innovativere Dienstleistungen als die PKVen“. Sehen Sie das auch und warum ist das so?

Jesko David Kannenberg: Das Schöne an diesem Vergleich ist, dass es am Ende immer der Kunde ist, der von neuen Dienstleistungen profitiert. Den digitalen Arztbesuch haben wir bereits 2017 angeboten, nun haben auch die gesetzlichen Krankenkassen den Weg dafür geebnet. Das ist ein starkes Signal, wenn auch insgesamt recht spät, da die technischen Voraussetzungen dafür bereits längst vorhanden waren. Nicht zuletzt durch Corona stehen alle Krankenversicherer nun in der Pflicht, ihren Kunden Zugang zu Leistungen und Services zu bieten, die bis vor kurzem noch komplett analog abliefen. Wir können gut damit leben, wenn dies nun unter dem Deckmantel der Innovationen geschieht, solange Prozesse vereinfacht und direkt für den Kunden stattfinden.

VWheute: Welche Ziele haben Sie für 2020 und für das kommende Jahr?

Jesko David Kannenberg: Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung, die Ottonova in der letzten Zeit gemacht hat. Unsere Produkte sind sehr gefragt und auch unsere digitalen Services kommen bei unseren Kunden gut an. Darauf werden wir uns weiterhin fokussieren und daran arbeiten, unsere Services weiterzuentwickeln und zu ergänzen. Auch die 2019 gestartete Zusammenarbeit mit Partnern läuft sehr gut und wir werden diese auch im kommenden Jahr fortsetzen.

VWheute: Die Vollversicherung leidet an Rückgang, wie wollen Sie diesem Umstand als Vollversicherer begegnen, gerade wenn die Versicherungspflichtgrenze wieder erhöht wird. 

Jesko David Kannenberg: Mit der höheren Versicherungspflichtgrenze für den Eintritt in die PKV steigt auch automatisch der Höchstbeitrag in der GKV. Versicherte müssen hier also tiefer in die Tasche greifen, um die gesetzlichen Leistungen zu erhalten. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die GKV ihre Beiträge weiter anheben oder Leistungen kürzen muss, um die anstehende Unterfinanzierung in Milliardenhöhe bewältigen zu können. Der reine Blick auf die Versicherungspflichtgrenze ist also zu kurz gedacht, um schwankende Zahlen zu erklären.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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