Praxistest: Was digitale Tools im Verkaufsgespräch bringen

Quelle: nastya_gepp / Pixabay

Die Kunden sind vorinformiert, preissensitiver und wünschen schnelle, individuelle und nachvollziehbare Beratung. Vertriebsmitarbeiter verfügen hier häufig nicht über genügend schnell abrufbares Wissen zu Versicherungsangeboten, um den Wünschen dieser Kunden zu entsprechen, und sind gleichzeitig gezwungen, sich in dem engen Korsett der regulatorischen Anforderungen zu bewegen. Die Lösung: Digitale Tools, die als „Produktexperten“ das Beratungsgespräch ergänzen. Was taugen diese in der Praxis?

Versicherungsunternehmen modernisierten bislang häufig nur den Teil des Verkaufsprozesses, in dem identifiziert wird, welche Produkte Kunden benötigen. Unterstützung des eigentlichen Produktverkaufs ist selten und wenn, unsystematisch vorhanden. Unter diesen Umständen stellt dann auch ein digitaler Tarifrechner einen Bruch im Beratungsgespräch dar. Hier zeigt sich, dass die Zurückhaltung der Assekuranz hinsichtlich der Digitalisierung im persönlichen Vertrieb nicht berechtigt ist: Ein zukunftsfähiger Vertrieb nutzt digitale Tools als Beratungsgrundlage und bindet den Kunden über passende Informationsbausteine unmittelbar ein. Dadurch wird der persönliche Kundenkontakt keinesfalls ersetzt, sondern der persönliche Vertrieb aufgewertet.

Case Study mit LVM und der Schweizer ÖKK

Doch wie anwendbar sind diese Erkenntnisse in der Praxis? In zwei umfangreichen Projekten gemeinsam mit SimonKucher & Partners haben sowohl die LVM Versicherung als auch die Schweizer ÖKK ihre Vertriebsunterstützung neu gedacht. Dabei ergänzten wir nicht nur die Verkaufsprozesse um eine digitale Komponente, sondern sorgten auch für darauf abgestimmte Produktpaletten und Preisstrategien. Ein Ansatz mit dem Ziel, den Verkäufer vor Ort digital mithilfe eines Tools zu unterstützen. Und zwar ohne den direkten Kontakt zum Kunden einzuschränken. Ohne wirklich tiefgreifende IT-Strukturen zu verändern, erhielten Vertriebsmitarbeiter über eine moderne webbasierte Verkaufsoberfläche ein Multifunktionswerkzeug, mit dem sie Kompetenz, Flexibilität und Verkaufserfolg maximieren.

Im Kundenservice der LVM bieten rund 2.300 sogenannte „Vertrauensleute“ Beratung vor Ort an; weitere ca. 4.800 Mitarbeiter sind in den bundesweit vertretenen LVM-Versicherungsagenturen und 3.890 Mitarbeiter in der Unternehmenszentrale in Münster sowie im angestellten Außendienst tätig. Die Verkäufer im Außendienst haben jetzt für ihre persönlichen Verkaufsgespräche mit ihren Kunden eine neue Unterstützung: das digitale Tool Bert. „Unsere Kunden sind sehr an einer ausführlichen Beratung durch unsere Vertrauensleute interessiert“, erklärt Thomas Büchel, Abteilungsdirektor bei der LVM. „Deshalb haben wir uns dafür entschieden, unsere Vertrauensleute bei ihrer Arbeit optimal zu unterstützen, indem sie ein Beratungstool an die Hand bekommen, das nicht nur die Produktkonfiguration, sondern vor allem die Wertkommunikation optimiert.

Die Verkaufsgespräche haben wir dann in verschiedene Phasen gegliedert und diese Phasen in Bert abgebildet. So werden auch junge Verkäufer wie an einem roten Faden durch das Verkaufsgespräch geführt.“ Essenzieller Bestandteil für das Push-Produkt Unfallversicherung: Je nach Präferenz des Kunden liefert die Unterstützung zusätzliche Multimedia-Inhalte wie Video-Clips oder Infografiken, die die Verkaufsargumentation verstärken. „Nach einer Implementierungsphase mit Schulungen und Webinaren für das gesamte Team können wir sagen: mit großem Erfolg. Vertrauensleute, die Bert nutzen, erreichen eine höhere Anzahl an Neuverträgen, erzielen höhere Versicherungssummen pro Kunde und haben niedrigere Stornoquoten“, so Büchel. Die Erfolgsdaten: Abwählbare Module werden vor allem im Neugeschäft häufiger eingeschlossen, der Einschluss des Moduls „Rente“ steigt um fast 15 Prozent, die Durchschnittsbeiträge pro versicherte Person steigen im Neugeschäft um über 20 Prozent, die Stornoquote für Verträge fällt im 1. Versicherungsjahr deutlich.

Alternative Einstiegsmöglichkeiten und Klickpfade

Für die ÖKK sind aktuell über 400 Mitarbeitende und 15 Lernende tätig, sie alle können sich beim Vertrieb der modularen Krankenzusatzversicherung auf einen neuen, digitalen Verkaufsprozess verlassen. Dieser wird in angepasster Form sowohl online (auf der Website) als auch offline als Unterstützung für den persönlichen Vertrieb eingesetzt. Dabei schaffte Simon-Kucher einen neuen Fokus: Eine schlanke Bedarfsanalyse liefert einen unkomplizierten Einstieg in den Verkaufsprozess, on- wie offline. Hiermit wird es einfach, relevante Kundensegmente nach Leistungs-, Service- und Preispräferenzen zu differenzieren. Inhaltliche Produktzusammenstellung, Ausgangspreis und Vorteilsargumentation werden automatisch zusammengestellt – trotzdem sorgt ein immer gleich ablaufender Prozess für Einheitlichkeit zwischen den Kanälen und Sicherheit beim Berater.

Besonders die Website des Versicherers erhielt eine Überarbeitung: Um den Fokus der Besucher weg vom Preis zu lenken, entwickelten wir alternative Einstiegsmöglichkeiten und Klickpfade. Zusätzlich zum traditionellen Prämienrechner – wie ihn alle Versicherungen anbieten – haben potenzielle Kunden die Wahl, stattdessen eine Online-Bedarfsanalyse zu machen, die entweder zu einem Direktabschluss führt oder als optimale Vorbereitung für den Wertverkauf offline agiert. Diese stärker wert- und weniger preisorientierte Option wählten im vergangenen Jahr 35 Prozent aller Nutzer der Online-Abschlussstrecke.

Und die Optimierung zeigt bislang vielversprechende Ergebnisse: 2019 erreichte der gesamte Prozess eine Conversion-Rate von über vier Prozent, was bedeutet, dass von allen Besuchern der Startseite vier Prozent den gesamten Prozess bis zum letzten Schritt durchliefen. Diese Zahl liegt weit über der Rate vergleichbar datenintensiver Online-Antragstrecken, etwa bei Kreditinstituten. „Bevor wir unser Digitalisierungsprojekt gestartet haben, waren die Verkaufsgespräche zu unserer Krankenzusatzversicherung immer sehr zeitintensiv“, sagt Mario Theus, Leiter Markt der ÖKK. „Das war nicht nur aufwendig für die Vertriebsmitarbeiter, auch die Kunden hatten Schwierigkeiten, viele komplexe Informationen auf einmal aufzunehmen und richtig einzuschätzen.“ Der Schritt hin zu einem digitalen Tool inklusive ausführlicher Bedürfnisanalyse und Hilfsmitteln zur Verkaufsargumentation war für das Unternehmen die logische Konsequenz, um wettbewerbsfähig zu bleiben, die hohe Beratungsqualität zu halten und dem Konsumenten-Trend zu individuelleren Produkten Rechnung zu tragen.

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Quelle: VVW GmbH

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