Firmen bleiben auf Milliardenschäden durch Coronavirus sitzen: Warum eine Epidemie-Versicherung so teuer ist
Das Coronavirus offenbart wie verwundbar die verflochtene Ökonomie des 21. Jahrhunderts ist. China als Werkbank der Welt steht still und damit fehlen westlichen Firmen wichtige Bauteile, Medikamente oder die Schutzausrüstung. Der Schaden für Versicherer hält sich bei der Betriebsausfallversicherung jedoch in Grenzen, weil sich kaum jemand die Epidemie-Deckung holte. Spürbar sind die Schäden hingegen in anderen Geschäftszweigen der Assekuranz.
In der vom Coronavirus besonders betroffenen Provinz Hubei befinden sich über 700 ausländische und chinesische Zulieferer der Autoindustrie. Dort werden fast zwei Millionen Fahrzeuge pro Jahr gefertigt. Zum Vergleich: Volkswagen verkauft jährlich etwa 10 Millionen Fahrzeuge, etwa 40 Prozent davon werden in China ausgeliefert und verkauft.
Betriebsausfallversicherung greift nicht bei Epidemien
Die Unterbrechungen der Lieferketten, Produktionsausfälle oder der Wegfall von Aufträgen sind bei vielen Firmen nicht versichert. Die Deckung von Betriebsunterbrechungen infolge von Infektionskrankheiten ist bei den meisten Versicherern ausgeschlossen. Der unmittelbare Sachschaden müsse der Auslöser sein, damit die Police greift, heißt es unisono von den großen Playern der Branche. Gerade die vergangenen Virusausbrüche von Sars, Ebola und Zika haben dazu geführt, dass Versicherer in den vergangenen Jahren explizit Klauseln zum Ausschluss von Epidemierisiken verschärft haben.
Makler erwarten jetzt verstärkte Diskussionen über eine Erweiterung der Betriebsschließungsversicherung. Von HDI wurde vor einigen Jahren in Deutschland zwar eine „non damage Business Interuption“ entwickelt, die auch dieses Risiko umfasst hätte, diese wurde im Markt aber nicht angenommen. Als Sonderfall kann HDI Global jedoch im Rahmen einer Betriebsschließungsversicherung insbesondere für Unternehmen der Lebensmittelindustrie eine Deckung zur Verfügung stellen. „Diese greift dann, wenn die zuständige Behörde in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserregern die Anordnung trifft, den Betrieb zu schließen oder Waren zu vernichten. Dies wäre auch für den Fall eine Pandemie denkbar“, sagt Franz Adamczyk, Leiter Property Underwriting Specialities der HDI Global SE. Die Nachfrage nach solchen Deckungen ist jedoch laut HDI bislang sehr verhalten und der Bestand bei HDI ist sehr überschaubar.
In China hat sich inzwischen ein Konsortium aus zwölf Versichern (darunter PICC, China Pacific Insurance und Ping An) zusammengetan, um Unternehmen gegen den Betriebsausfall und die Gehälter für Mitarbeiter in Quarantäne infolge der Epidemie abzudecken. Insgesamt stehen 200 Mio. Yuan (26 Mio. Euro) zur Verfügung. Die örtliche Regierung übernimmt 70 Prozent der Prämie.
Munich Re mit Corona-Verdachtsfall in eigenen Reihen
Munich Re hat eine eigene Einheit mit Namen Epidemic Risk Solutions gegründet, um auch Lösungen in diesem Bereich anzubieten. „Es ist kein billiges Standardprodukt“, sagt der Chef der Einheit, Gunther Kraut, über die Versicherung gegen Epidemierisiken in der NZZ. Er leitet aus Singapur ein achtköpfiges Team. Die Deckung von Epidemierisiken seien für den Kunden maßgeschneidert, vor allem aber sind sie teuer, denn Ausbrüche von Epidemien lassen sich so gut wie gar nicht vorhersagen, historische Daten gibt es nur wenige.
Inzwischen gibt es beim Rückversicherer einen Corona-Verdacht im eigenen Unternehmen. „Die betroffene Person hat uns über eine Ansteckung in ihrem privaten Umfeld letzte Woche informiert. In Abstimmung mit den zuständigen Gesundheitsbehörden hat Munich Re umgehend entsprechende Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet. Bei einer ersten Untersuchung der betroffenen Person hat sich der Verdacht nicht bestätigt, eine Infektion kann aber nur durch einen zweiten negativen Test am Ende der Inkubations- und Quarantänezeit definitiv ausgeschlossen werden“, heißt es aus der Zentrale in München. In dem Unternehmen wird spekuliert, dass ein privater Kontakt zu einem betroffenen Mitarbeiter des Fahrzeugzulieferers Webasto Auslöser gewesen sein könnte.
Reiserücktritte und Veranstaltungs-Absagen nehmen zu
Aufgrund der Epidimie wurden viele internationale Messen und große Events abgesagt oder verschoben, darunter die internationale Messe in Peking im April oder das Formel-1-Rennen in Shanghai am 19. April. Auch hier sind die Versicherer meist nicht betroffen. Die meisten Veranstaltungspolicen schließen eine Deckung für diese Art Virusausbreitung aus.
Da die Reisebranche stark unter dem Virus leidet, erwarten Versicherer hier eine wachsende Zahl von Reiserücktritten. Die Allianz rechnet in diesem Segment mit Schäden von einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Die Internationale Luftverkehrsorganisation ICAO errechnete Umsatzaufälle von bis zu 4,6 Mrd. Euro für das erste Quartal dieses Jahres.
Im Bereich des Lebens- und Krankengeschäft ist die Allianz ebenfalls betroffen, noch stärker jedoch auf der Kapitalseite bei den Investments.
Autor: David Gorr