Verkehrsgerichtstag Goslar: Telematik boomt

Jörg Rheinländer. Quelle: usk
Die Telematik in der Kfz-Versicherung könnte vor einem echten Durchbruch stehen. Das zeigt eine Diskussion am Rand des 58. Verkehrsgerichtstages. Datenschützer und Wissenschaftler beurteilten auf einer Veranstaltung des Goslar-Instituts die neue Art der Tarifierung positiv.
„Unseren Telematik-Tarif in der Autoversicherung nutzen nun bereits 200.000 Kunden“, sagte Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der Huk-Coburg. Die Tarifierung nach persönlichem Fahrstil könnte künftig das herkömmliche System in der Autoversicherung ablösen. „Bisher nutzen die Versicherer Ersatzmerkmale, wie Fahrzeugtyp, Wohnort oder Kilometerleistung für die Tarifierung. Nun gibt es Echtdaten. Ob die tatsächlich treffsicherer sind, das ist hier die Frage“, sagte Prof. Fred Wagner vom Institut für Versicherungslehre der Universität Leipzig. Auch bei dieser Art der Tarifierung gibt es laut Wagner einen Ausgleich im Kollektiv. Vorsichtige Fahrer müssten weniger und andere mehr zahlen.
Tarif muss zweckgebunden sein
Auch Datenschützer haben mit Telematik-Tarifen in der Kfz-Versicherung keine Probleme, wenn sie transparent sind und eine klare Zweckbindung haben, die nicht überschritten wird. „Es darf bei solchen Tarifen aber nicht zu einer Diskriminierung kommen“, warnte Sven Hermerschmidt, Referatsleiter beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Als negatives Beispiel nannte er Krankenversicherungstarife, die per App die Fitness kontrollieren würden und bei Feststellung von Diabetes den Kunden ausschließen. Auf die Kfz-Versicherung übertragen dürften dann dort keine extremen Raser gekündigt werden.
Alle Experten verweisen darauf, dass Telematik-Tarife vor allem von Vertrauen in das saubere Handling der Daten leben würden. „Die Kunden müssen wissen was passiert. Nur so kann Vertrauen aufgebaut werden“, glaubt Hermerschmidt. Laut Rheinländer kann man alle Details zum Tarifaufbau in den Versicherungsbedingungen nachlesen. Trotzdem kann das Vertrauen in einen solchen Tarif schnell erschüttert werden. So waren sich die Diskutanten einig, dass staatliche Stellen ein großes Interesse an Bewegungsdaten hätten. Offen blieb die Frage, wie die Versicherer reagieren, wenn der Staatsanwalt Telematik-Daten beschlagnahmen will, um eine Straftat zu verfolgen.
Deutlich weniger Schäden
Laut Rheinländer sind persönliche Daten immerhin mindestens ein Jahr gespeichert. Ein Versuch der HUK-Coburg, bei dem zwei Kontrollgruppen 400.000 Kilometer zurückgelegt haben, zeigte, dass die Schadenhäufigkeit bei Telematik-Nutzung um 20 Prozent sinkt. Nach derzeitiger Auswertung erreicht aber nicht jeder Autofahrer den Höchstrabatt von 30 Prozent. Die Verteilung würde einer Gaußglocke entsprechen. Die meisten Autofahrer erreichen somit gerade einmal die Hälfte des Höchstnachlasses.
Interessant für Senioren
Sinnvoll könnten Telematik-Tarife für Senioren sein, um den höchstumstrittenen Alterszuschlag in der Autoversicherung auszugleichen. Nach Angaben des Chefredakteurs von Finanztip, Hermann-Josef Tenhagen, müssten Autofahrer im Alter von 75 Jahren im Vergleich zu einem 50-Jährigen zwischen 50 und 70 Prozent mehr Prämie zahlen. Das Thema sei höchst sensibel. Allein bei Finanztip hätten sich im vorigen Jahr 50.000 Kunden auf der entsprechenden Ratgeberseite informiert. Laut Rheinländer werde das Thema Senioren-Zuschlag in den Medien falsch dargestellt. „Hier wird nur singulär auf das Alter geschaut. Man muss aber auch berücksichtigen, dass mit jedem Jahr der Schadenfreiheitsrabatt steigt.“
Autor: Uwe Schmidt-Kasparek