Qualitätsmängel und defekte Teile treiben Versicherungsschäden bei Bauprojekten in die Höhe

Baustelle, Quelle: Bild von Photo Mix auf Pixabay

Öffentliche Bauprojekte wie der neue Berliner Großflughafen BER oder die „Stuttgart21“ sorgen in der breiten Öffentlichkeit immer wieder für deutliche Kritik. Grund dafür sind für gewöhnlich die immens gestiegenen Baukosten für die Großprojekte. Auch bei den Versicherungsunternehmen macht sich diese Entwicklung nun bemerkbar, wie eine aktuelle Analyse des Industrieversicherers Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) belegt.

Dafür hat die Allianz-Tochter rund 13.600 technische Versicherungsfälle der letzten fünf Jahre – davon etwa 2.350 in Deutschland – untersucht und dabei sieben Trends bei Ingenieur- und Bauprojekten identifiziert. Ein zentrales Ergebnis: Brand- und Explosionsfälle verursachen weltweit zwar die meisten Schäden. Allerdings führen fehlerhafte Produkte sowie Qualitätsmängel in Deutschland zu immer höheren Kosten. So rangieren Schäden durch defekte Produkte und Qualitätsmängel sowohl bei Schadenhöhe (39 Prozent) als auch bei der Schadenanzahl (22 Prozent) auf dem Spitzenplatz. Weltweit verursachen Schäden durch Feuer und Explosion die höchsten Wertverluste (27 Prozent). Häufigste Schadenquelle weltweit sind auch hier defekte Produkte (27 Prozent). Allein die Überschwemmung während des Baus am Hidroituango-Wasserkraftdamm in Kolumbien im Jahr 2018 wird die Versicherer schätzungsweise rund 1,25 Mrd. Euro kosten, konstatiert AGCS, einen der größten Engineering-Schäden der Geschichte.

Hauptursachen für Engineering-Schäden in Deutschland, Quelle: AGCS

Laut AGCS-Schadenanalyse sind defekte Produkte mittlerweile die häufigste Quelle für technische Schäden in Deutschland und die größte nach Schadenhöhen. So gebe es mehr als dreimal so viele Schadenfälle, die durch fehlerhafte Produkte hervorgerufen wurden, als zum Beispiel durch Sturmschäden.Wir sehen eine Zunahme an Schäden im Zusammenhang mit Mängeln und unzureichender Qualitätskontrolle auf breiter Front“konstatiertMartin Eckel, globaler Schadenregulierer der AGCS. So wurden größere Schadensfälle im Kraftwerksbau durch fehlerhaftes Schweißen verursacht.

Einen weiteren Grund sehen die AGCS-Experten auch in dem Umstand, dass Baustellen heute viel größer seien als in der Vergangenheit. Zudem können sich Bauprojekte über viele Jahre hinziehen. Ein Beispiel: Der Ausbau des Al Maktoum International Airport in Dubai etwa wird erst 2030 abgeschlossen sein und rund 32 Mrd. Euro kosten. Größtes Infrastrukturprojekt in Europa ist derzeit das Bahnprojekt London Crossrail, welches sich über mehr als zehn Jahre erstreckt und rund 19 Mrd. Euro kosten soll. Dabei sorgen nicht nur die großen Volumen sowie die beträchtliche Anzahl von Auftragnehmern und Lieferanten rund um den Globus für erhebliche Risiken. Auch Sanktionen wie im Iran und Handelsstreitigkeiten wir aktuell zwischen den USA und China sorgen für zusätzliche Spannungen.

Infolgedessen sind die Versicherungssummen jetzt viel größer – Projekte mit einem Wert von vier bis neun Mrd. Euro sind keine Seltenheit, Schäden in dreistelliger Millionenhöhe sind deshalb nicht auszuschließen.

Robert Maurer, Head of Engineering der AGCS in Zentral- und Osteuropa

So verwundert es nicht, dass Bau- und Ingenieurbüros die Betriebsunterbrechung (BI) mittlerweile als zweitgrößtes Unternehmensrisiko einstufen. In Deutschland gelten diese laut Allianz Risikobarometer 2019 sogar als größtes Risiko für Unternehmen (48 Prozent) – noch vor dem Risiko eines Cybervorfall (44 Prozent). Demnach sei die Entschädigung für Verzögerungen bei der Inbetriebnahme in den vergangenen zehn Jahren von rund 200.000 auf bis zu 500.000 Euro pro Tag gestiegen. Bei besonders großen Risiken kann sie laut AGCS-Analyse sogar bis zu zwei Mio. Euro pro Tag betragen.