Kern (Delwag): „Wir wollen das Drittgeschäft ausweiten und profitabler werden.“
Die Delvag ist der Versicherungsspezialist der Lufthansa. So weit, so bekannt. Vielleicht etwas weniger bekannt ist, dass kürzlich Roland Kern in den Vorstand berufen wurde. Grund genug, mit ihm über Ausrichtung, den Markt und Boeing zu sprechen.
VWheute: Herr Kern, Sie sind nun seit 1. Juli im Amt. Welche strategischen Ziele verfolgen Sie für die Zukunft?
Roland Kern:Ich begleite Delvag und Albatros ja bereits seit Juli 2018 als Generalbevollmächtigter und konnte mir deswegen schon ein sehr detailliertes Bild unserer Unternehmensgruppe und ihren internen und externen Herausforderungen machen.
Als Delvag Gruppe sind wir vor allem der Risikomanager für den Lufthansa Konzern in allen Versicherungsfragen. Diese Rolle steht für uns an erster Stelle und wir werden sie zukünftig weiter ausbauen und perfektionieren. Darüber hinaus werden wir auch unsere Aktivitäten im Drittgeschäft ausweiten. So steigern wir kontinuierlich unsere Kompetenz und Profitabilität. Schwerpunkte werden wir in den ausgewählten Segmenten der General Aviation und Transportversicherung sowie im Rückversicherungsgeschäft setzen.
VWheute: Was ist mit der Digitalisierung?
Roland Kern:Auch die Digitalisierung unseres Unternehmens wollen wir deutlich vorantreiben. Denn die Vernetzung zwischen Versicherungen und Kunden nimmt weiter zu. Hierbei wird uns eine prozess- und kundenorientierte Organisationstruktur helfen, unsere internen Prozesse wo nötig zu standardisieren und damit noch effizienter zu machen. So schaffen wir mehr Raum für die parallele Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie die gezielte Weiterbildung/Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter.
Unser Ziel ist es, uns am Markt noch deutlicher als Spezialversicherer zu positionieren und unsere Kunden noch stärker in die Entwicklung von neuen Versicherungsprodukten und Services einzubeziehen. Hierbei greifen wir schon heute auf digitale Plattformen, Innovationszentren sowie die Start-up Community zurück und werden dies auch in Zukunft mit Augenmaß und Neugier ausweiten.
VWheute: Momentan findet auf dem Transportversicherungsmarkt eine Art Markbereinigung statt. Manche Versicherer ziehen sich aus diesem Segment zurück oder bündeln ihre Kräfte. Wie bewerten Sie die aktuelle Marktlage für Transportversicherungen in der Luftfahrt und welche Entwicklungen erwarten Sie in den kommenden fünf Jahren?
Roland Kern:Grundsätzlich sind die Märkte ja geografisch unterschiedlich ausgeprägt. Der Londoner Markt verfügt z. B. über eine viel stärkere Ausprägung im Hinblick auf Kapazitätsreduzierung als der europäische Markt. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Londoner Versicherer auch in anderen Segmenten stärker beteiligt sind und sich damit in der Vergangenheit auch immer größeren Schadenquoten gegenübersahen. Dass es somit zu einer Marktbereinigung kommt, ist folgerichtig.
Bei der Luftfrachtversicherung sprechen wir von einer ganz normalen Transportversicherung allerdings in einem sehr kleinen Segment, bezogen auf das Prämienvolumen. Denn alles, was per Luftfracht befördert wird, ist in der Regel höherwertiger und zeitsensitiver als z. B. bei Seefrachtsendungen. Sie werden deutlich länger transportiert und ihre Risiken sind vielfältiger. Schon aufgrund der Transportdauer. Dennoch würde ich sagen, dass die Schadenquoten in der Luftfrachtversicherung erfahrungsgemäß deutlich niedriger sind als in der Seefracht oder auch Landfracht. Was auch an der kürzeren Transportdauer liegt.
VWheute: Die Lufthansa gilt als sicher, ein Geschäftsvorteil?
Roland Kern:Als Transportversicherer der Lufthansa Group haben wir natürlich einen guten Einblick in die Luftfahrt. Und dementsprechend auch einen großen Erfahrungsschatz im Hinblick auf die potenziellen Risiken, die dieses Geschäft mit sich bringt. Sicherlich muss man auch zwischen Lufthansa und anderen Carriern unterscheiden. Aber mit Blick auf die Lufthansa kann man sagen, dass das Geschäft, das wir zeichnen, sehr gute Schadenquoten aufweist. Dafür ist auch das sehr professionelle Cargo Handling unserer Muttergesellschaft verantwortlich. Und dabei spielt es keine Rolle, ob wir über Tiere, Perishables (verderbliche Güter) oder Valuables (Wertfracht) reden. Dies ist sicherlich ein Grund, dass das Luftfrachtversicherungs-Segment von Prämienerhöhungen nicht betroffen ist. Das schließt nicht ein, dass es nicht hin und wieder zu Spitzen kommt, wie zum Beispiel durch den jüngsten Überfall am Frachtflughafen in Sao Paulo. Im Nachgang werden wir nun von Spediteuren und Carriern angesprochen, da lokale Versicherer die Versicherung von Luftfracht-Wertfracht über Sao Paulo aufgekündigt haben und diese nicht mehr versichern. Das sind allerdings nur sehr kleine Marktbereinigungen.
VWheute: Ihr Fazit?
Roland Kern:Insgesamt rechnen wir damit, dass sich die Marktverhärtung, die ja zum Ende 2018 begonnen hat, einige Jahren halten wird. Wenn die nächsten Jahre in Bezug auf Naturkatastrophen/ Großschadenereignisse relativ ruhig werden, dann wird auch der Markt sehr schnell wieder weich werden. Grundsätzlich gibt es ja relativ viel Kapazität im Markt. Dass ein paar Versicherer aktuell ihre kleinen Sparten, wie z. B. Transportversicherung eingestellt haben, kann sich daher auch schnell wieder ändern.
VWheute: Jüngst sorgten die Turbulenzen um die Boeing 737 für Unruhe. Welche Auswirkungen sehen Sie dadurch für die Transportversicherer?
Roland Kern:Bei der B737 Max handelt es sich um kein ausgewiesenes Frachtflugzeug, sie befördert lediglich Belly Fracht. Der Absturz der Ethiopian Airlines-Maschine und auch der Absturz der Lion Air-Maschine sind tragische Vorfälle, bei denen wir alle in der Luftfahrt Anteil nehmen. Aus unserer Sicht haben die Diskussionen um dieses Flugzeugmodell aber keine wesentlichen Auswirkungen auf die Transportversicherer. Es gibt immer noch ausreichend Luftfrachtkapazitäten, um Fracht von A nach B zu bewegen und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
Für unsere Kollegen aus der Luftfahrtversicherung sieht die Situation natürlich etwas anders aus: Aus versicherungstechnischer Sicht ist unsere Gruppe zwar weder an den Versicherungspolicen der beiden Airlines noch an der Versicherungsdeckung des Herstellers des Flugzeuge beteiligt. Wir betreuen allerdings Airlines, die Flugzeuge des besagten Typs in ihrer Flotte haben und die ihrerseits daher vom Grounding betroffen sind. Allerdings ist der Vermögensschaden, der der Airline durch den Nutzungsausfall typischerweise entsteht, regelmäßig aus der airlineeigenen Versicherungsdeckung ausgeschlossen.