Fahrradlobby kritisiert GDV-Studie

Seit September 2021 leitet Tim Salatzki den Bereich Technik & Normung des Zweirad-Industrie-Verbands. (Bildquelle: ZIV)

Der GDV als Lobbyverband der Versicherer muss seines Wesens nach vor Risiken warnen. Zuletzt hatte er Sicherheitsbedenken bei Lastenfahrrädern und brachte damit einen andere Lobbygruppe auf die Barrikaden: den Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Dessen Leiter für Technik und Normung, Tim Salatzki, sagt, dass die vom GDV errechnete Zunahme von Radunfällen mit mitfahrenden Kindern darauf zurückzuführen ist, dass der Bestand an Lastenrädern schlicht zugenommen hat. Das müsse man in Relation sehen.

Radunfälle mit mitfahrenden Kindern sind vergleichsweise selten, nehmen aber zu, so die Unfallforscherer der Versicherer. Nach den für 2022 verfügbaren aktuellen Zahlen ereigneten sich in Deutschland 222 dieser Unfälle (+45 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019), zwölf Kinder wurden dabei schwer verletzt, erklärte der Verband in einer Mitteilung vergangenen Donnerstag.

Für den ZIV wurde hier wissenschaftlich nicht sauber gearbeitet. Schließlich müsste man erwähnen, dass der Bestand an Lastenrädern in Deutschland seit 2019 um knapp 500.000 Stück gestiegen ist, dazu kommen Anhänger, Kindersitze und der allgemein stark gestiegene Radverkehr. „Mit einer größeren Anzahl an Fahrrädern und Lastenräder geht auch eine steigende Nutzung einher, was leider auch zu einer steigenden Zahl an Unfällen führt“, entgegnet Tim Salatzki, Leiter für Technik und Normung beim ZIV. „Die glücklicherweise geringe Anzahl an Radunfällen mit mitfahrenden Kindern im Jahr 2022 (222 Unfälle) lässt keine fundierten Aussagen über das Gesamtunfallgeschehen zu“, stellt er fest.

Auch sei der Verletzungsgrad von Kindern zum überwältigenden Anteil nur leicht, weshalb der Fokus weg vom allgemeinen Unfallgeschehen und der Unsicherheit der Fahrradinfrastruktur in Deutschland unfair erscheint. Laut Statistischem Bundesamt sind 2022 rund 25.800 Kinder unter 15 Jahren im Straßenverkehr zu Schaden gekommen. „Dieser Vergleich ist wichtig, wenn man nun eine allgemeine Vekehrssicherheitsdiskussion führen möchte. Ohne Frage ist jeder Unfall, mit einem Fahrrad oder Lastenfahrrad, einer zu viel“, so Salatzki.

Lastenfahrräder sind in aller Regel für den Transport von Kindern nicht ausreichend geeignet, urteilte der GDV vergangene Woche nach den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Weder Sitzbänke noch Rückenlehnen seien für die sichere Beförderung von Kindern ausreichend. Dazu komme, dass jedes zweite Kind im Lastenfahrrad keinen Helm trage und ein Drittel gar nicht oder nicht korrekt angegurtet sei. Mehr Sicherheit böten Lastenräder mit Neigetechnik, Sitzen mit Kopfschutz, wirksamen Gurten und einer Sicherheitszelle.

Der ZIV hingegen kritisiert, dass von dem einen Lastenrad-Bezug auf eine ganze Produkt-Kategorie von sehr unterschiedlich konstruierten Lastenrädern geschlossen werde. „Grundsätzlich verhält sich jedes Fahrrad beim Fahren anders und Nutzer:innen müssen sich entsprechend darauf verhalten. Das gilt natürlich insbesondere, wenn mit dem Fahrrad Kinder transportiert werden oder ein Anhänger gezogen wird“, betont der Verband, der empfiehlt, in den Kurven die Geschwindigkeit des Fahrrads zu reduzieren.

Indes betonen die GDV-Unfallforscher in einem Statement gegenüber VWheute, dass die Tatsache, dass Radunfälle mitfahrender Kinder selten passieren, kein Hindernis sei, die Sicherheit zu untersuchen und zu erhöhen. „Wir sehen unsere Forschungsergebnisse als ausgewogen und positiv im Sinne des Radverkehrs. Es geht um mehr Sicherheit für Kinder beim Transport mit dem Rad – und hier gibt es noch viel Potenzial, wie unser Forschungsprojekt zeigen konnte.“

In der Untersuchung mit fahrzeugtechnischer Ausrichtung war es für die Unfallforscher nach eigenen Angaben wichtig, aktive und passive Sicherheit vom Unfallgeschehen kommend zu bewerten. „Wir haben Bauformen der Transportmittel gewählt, die am häufigsten für den Kindertransport zum Einsatz kommen. Hierfür haben wir Händler befragt und eine Feldbeobachtung durchgeführt. Ableitungen daraus sind nicht produktbezogen, sondern betreffen Bauformdefizite anderer Modelle sowohl im passiven als auch im aktiven Sicherheitsbereich.“

Die Empfehlung des ZIV, die Geschwindigkeit in Kurven zu reduzieren, sei irritierend. Damit lasse man Eltern mit den Sicherheitsdefiziten allein. Unfallschwerpunkt des Lastenfahrrads beim Kindertransport sei der Alleinunfall ohne beteiligte Dritte.

Die GDV-Studie kam kurz nachdem der Lastenrad-Spezialisten Verlosophy mit der Babboe einen Rückruf aufgrund Sicherheitsbedenken vornehmen musste. Nach Angaben der niederländischen Behörde für die Lebensmittel- und Verbrauchsgütersicherheit (Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit, NVWA) haben die Babboe-Fahrräder erhebliche Sicherheitsmängel, da zuletzt vermehrt Rahmenbrüche aufgetreten seien. Auch in Deutschland hat der niederländische Hersteller den Verkauf der Lastenräder gestoppt.

Autor: VW-Redaktion

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