Roboyo-CEO Nicolas Hess: „Die Technologien werden immer kompatibler, um eine End-to-End-Automatisierung zu ermöglichen“

Nicolas Hess. Quelle: Joschija Bauer
Die AOK hat jüngst ein Projekt zu einer Prozessautomatisierung zur Erstattung der professionellen Zahnreinigung abgeschlossen. VWheute sprach mit Nicolas Hess, CEO Europe und Co-Founder von Roboyo, über die daraus gewonnenen Erkenntnisse.
VWheute: Sie haben bei der AOK ein großes Automatisierungsprojekt abgeschlossen. Um was ging es da, was wurde erreicht?
Nicolas Hess: Bei diesem Projekt ging es speziell um die Automatisierung des Prozesses zur Erstattung der Professionellen Zahnreinigung.
Aufgrund einer veralteten Systemlandschaft bearbeitet die AOK Niedersachsen ein hohes Volumen an Anträgen ihres wachsenden Kundenstamms dezentral und ineffizient. In Kombination mit der steigenden Nachfrage nach dem Produkt „Professionelle Zahnreinigung“, einem Alleinstellungsmerkmal der AOK, war die zeitaufwendige manuelle Bearbeitung nicht mehr tragbar.
In nur vier Monaten konnten wir eine End-to-End-Lösung umsetzen und es gelang uns, die durchschnittliche automatische Prüfzeit pro Rechnung auf unter eine Minute herabzusetzen. Der Versicherte/die Versicherte sendet eine Rechnung zur AOK Niedersachsen, dort wird diese Rechnung dann vollautomatisch bearbeitet und dem Kunden erstattet. Die Krankenkassen-Kunden erhalten so ihr Geld schneller zurück, da die Prozessierung auch über Nacht geschehen kann. Die Mitarbeitenden müssen sich lediglich um die Ausnahmen und um besonders schwierige Fälle kümmern. Sie überwachen den Prozess, optimieren diesen weiter und stellen die Qualität sicher.
Hierfür haben wir eng mit dem AOK-Team zusammengearbeitet, um einen einheitlichen und zuverlässigen Prozessablauf zu schaffen sowie Regeln für die neue Arbeitsweise zu definieren. Geeignete Technologie-Set-ups und Anbieter wurden evaluiert, anschließend haben wir beim Aufbau der Infrastruktur sowie bei der Entwicklung und dem Test der OCR- und RPA-Lösung unterstützt und die Implementierung übernommen.
Diese Maßnahme zeigte schon nach kurzer Zeit umfassende Erfolge. Riesige Mengen an einst manuellen Transaktionen wurden automatisiert. Kunden erhalten nun einen schnellen und fehlerfreien Service und 600 AOK-Mitarbeitende konnten von repetitiven Aufgaben befreit werden. Durch den Einsatz von ABBYY Flexicatpure und bis zu acht unbeaufsichtigten UiPath-Robotern sind die Abläufe deutlich effizienter und agiler und können auf die steigende Nachfrage mit einem Höchstmaß an Geschwindigkeit, Umfang und Genauigkeit reagieren. Diese Leistungssteigerungen lieferten im ersten Jahr einen ROI von 466 % und werden in den nächsten drei Jahren voraussichtlich betriebliche Effizienzgewinne im Wert von 4,2 Mio. Euro erzielen.
VWheute: Sind Ergebnisse aus dem Projekt auf private Versicherer übertragbar?
Nicolas Hess: Die Technologien sind vielseitig einsetzbar und können grundsätzlich für alle Prozesse im Unternehmen angewendet werden die zeitaufwendig, repetitiv und fehleranfällig sind oder besondere Service Levels benötigen. Der Prozess selbst kann mit Abstimmung auf die vorhandenen Systeme für jede Versicherung mit ähnlichen Produkten angewendet werden.
VWheute: Welche Technologien eignen sich für eine intelligente Automation optimal miteinander, welche nicht?
Nicolas Hess: Die Technologien werden immer kompatibler, um eine End-to-End-Automatisierung zu ermöglichen. Hier eigenen sich vor allem Robotic Process Automation (RPA), intelligente Dokumentenverarbeitung (IDP) und Workflow-Systeme. Vor allem Prozesse in der Verwaltung, Buchhaltung und weiteren Bereichen des sogenannten Backoffices sind ein guter Ansatzpunkt für den Einstieg in das Thema.
VWheute: Was sind die nächsten Evolutionsstufen im Bereich der Automatisierung?
Nicolas Hess: In den nächsten Schritten werden Automatisierungslösungen immer flexibler und werden in einem komplexen Ökosystem zwischen Menschen und System eingesetzt. Vor allem bei der Prozessierung von unstrukturierten Daten oder bei der Entscheidungsfindung kann Maschinelles Lernen eingesetzt werden. Ganze Systeme lernen über die Zeit selbst dazu und passen sich an ändernde Anforderungen an.
Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.