Vermögensberater Nikolas Kreuz: „Wer Rationalität will, muss auf Menschen setzen“

Nikolas Kreuz, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Invios. Quelle: privat

Emotionslosigkeit ist die Basis für Rationalität; das weiß jeder Star-Trek-Fan seit Langem. Die Suche nach der logikbasierten Anlagepolitik ist der Grund für robotergeführte Vermögensverwaltung. Dieser Ansicht widerspricht der Kapitalmarktprofi Nikolas Kreuz vehement. Laut dem Geschäftsführer des Vermögensverwalters Invios liegt das vernünftige Handeln des Menschen in seiner Irrationalität begründet. Klingt abstrus, doch seine These hat valide Punkte.

Die Vertreter unbedingter Rationalität bei der Geldanlage wollen die Fallstricke der menschlichen Emotion vermeiden. Aus diesem Grund erfolgt bei vielen Fonds die Verwaltung mittels Robo Adviser. In Wahrheit würde allerdings der Mensch sachlicher handeln, sagt Kreuz. Der Grund liege paradoxerweise genau in der „dem Menschen innewohnenden Irrationalität“.

„Der Homo Irrationalis beherrscht die Kapitalmärkte, sorgt für Übertreibungen in beide Richtungen“, erklärt der „Neuro-Finance-Experte“. Dieser Irrationalität, die die Märkte mehr bestimmt als alle Computer, lasse sich nicht mit einer vermeintlich rationalen Computersimulation oder KI-basierter Systematik begegnen.

Zu Komplex für den Roboter

„Die komplexe Realität wird von Maschinen unzureichend abgebildet“, erklärt Kreuz. Die Realität sei viel zu komplex, um sie mit den derzeitigen Hard- und Software-Lösungen ernsthaft einzufangen. Es wird beim gegenwärtigen technischen Stand erst in „zehn bis 15 Jahren“ so weit sein, dass Mensch und Maschine ernstzunehmend miteinander interagieren. „Die derzeit verfügbaren Robo-Advisor genannten Geldanlage-Versuchsmaschinen sind lediglich standardisierte Bedarfsanalysetools oder KI- und IT-Insellösungen, denen von einer hochdrehenden Marketing-Maschinerie der Fondsindustrie ein rotes Schleifchen umgebunden wird“, tadelt Kreuz.

„Immer wieder“ würden Tests zeigen, dass Robos keinen Schutz vor Kursverlusten und sonstigen Anlagerisiken gewähren. „Die gängigen Risikoanalysemodelle greifen zu kurz, sie unterbewerten die Häufigkeit von Extremrisiken und reagieren im Anschluss zu träge“, analysiert Kreuz. „Deutlich zu sehen war dies beim Marktführer Scalable Capital, dessen Value-at-Risk-Modelle die Aktienpositionen nach dem Pandemieabsturz verlustreich abstießen und nicht rechtzeitig auf Grün stellten, als die Reise wieder aufwärts ging.“ Die Robos sind zu behäbig – was allerdings auf „einige Fondsmanager in dysfunktionalen Bankhäusern“ ebenfalls zutrifft.

Während rein passiv anlegende Robos „recht und schlecht“ durch die Krise kamen, lassen sich die aktiv agierenden Robo-Advisor „überhaupt nicht sinnvoll“ bewerten. „Der aktive Ansatz muss sich erst über einen längeren Zeitraum bewähren, bestenfalls über mehrere Börsenzyklen aus Abschwung mit anschließender Erholung hinweg“, sagt Kreuz. Die größten aktiven Robo-Advisor wie Scalable Capital, Cominvest, Liqid oder Truevest haben in der ersten Phase mit „eher unterdurchschnittlichen Ergebnissen“ aufgewartet.

Mangelnde Systeme

Auch bei der Technik sind die Robos lange nicht so gut, wie es das Marketing versprechen mag: „Die Technologie der digitalen Vermögensverwaltung ist in der Regel nicht aus einem Guss, viel Flickschusterei und Insellösungen sind zu finden“, so Kreuz. Ihm wurde „noch kein überzeugendes Modell präsentiert“, erklärt Kreuz.

Wer gute Performance möchte, sollte auf Menschen setzen und dabei idealerweise auf solche, „die die Fallstricke der Emotionalität bei der Geldanlage kennen, berücksichtigen und im besten Fall einen positiven Mehrwert daraus ziehen.“

Zum Autor: Nikolas Kreuz ist seit über 35 Jahren am Kapitalmarkt tätig. Der Diplom-Kaufmann und Geschäftsführer des Hamburger Vermögensverwalters Invios war davon 20 Jahre in der Leitung von Vermögensverwaltungen aktiv. Er war unter anderem Chief Investment Officer für zwei Landesbanken.