Christoph Wetzel, Vorstandschef HDI Versicherung: „Innovationszyklen haben sich auf wenige Wochen bis Monate verkürzt“

Christoph Wetzel, Vorstandsvorsitzender der HDI Versicherung AG. Quelle: HDI / Daniel Möller

Wie oft musste sich die Versicherungswirtschaft schon den Vorwurf gefallen lassen, Nachzügler zu sein, im Bereich Digitalisierung und sich in Sachen Schnelligkeit, Agilität und Innovationsfreude abhängen zu lassen. Als vermeintlicher Gegenspieler werden Start-ups hoch gepusht, die gefühlt nach einigen Brainstormings am Tischkicker Produkte aus dem Boden stampfen, während die alteingesessenen Player in ihren Ledersesseln an Besprechungstafeln sitzend die junge Konkurrenz sehenden Auges an sich vorbeiziehen lassen. Ein Gastbeitrag von Christoph Wetzel.

Doch dieses überspitzte Bild zeigt nicht die Wirklichkeit. Wer wissen möchte, wie in Versicherungskonzernen Innovationen entstehen, findet die Wahrheit nicht in langatmigen Vorstandssitzungen oder scheinbar endlosen Projekten. Tatsächlich haben sich Innovationszyklen auf wenige Wochen bis Monate verkürzt. In internen Hackathons, agilen Meeting- und Pitchformaten werden Ideen für neue Produkte und eine bessere Customer Journey aufgespürt. Dabei immer im Fokus: Die Sicht des Kunden. Bei HDI hat sich ein Pitch-Prozess als „Ideenfilter“ etabliert.

Ein entscheidender Punkt ist dabei neu: Das Scheitern dürfen. Er tangiert auch die Frage, wie weit Versicherer tatsächlich mit ihren digitalen Produkten vorangekommen sind. Was ist noch in der Entwicklungsphase – und was ist tatsächlich marktreif? Doch diese Frage lässt sich nicht immer ganz eindeutig beantworten. Denn die Grenzen verschwimmen.

Im Bereich Schadenmanagement birgt KI enormes Potenzial, Prozesse automatisiert zu steuern und somit deutlich effizienter zu machen. Ein Beispiel ist die Schadenbilderkennung. Die polnische HDI-Tochter Warta nutzt Künstliche Intelligenz, um Kfz-Schäden auf Basis von Fotos zu bewerten. Aktuell wird die Technologie eingesetzt, um Kostenvoranschläge von kooperierenden Werkstätten mit den Bildern des Schadens zu vergleichen. Durch den Einsatz von Bilderkennung und einer auf Basis von Millionen Schadenbildern trainierten KI kann innerhalb kürzester Zeit beurteilt werden, ob die Kalkulation stimmt. In Zukunft soll der Algorithmus für die vollautomatische Bearbeitung von einfachen Schäden ohne menschliches Zutun eingesetzt werden.

Weltweit laufen bei der HDI Group mehrere Proofs of Concept rund ums Thema Schadenbilderkennung. Auch für den deutschen Markt sehen wir vielversprechende Ansätze. Allerdings haben wir festgestellt, dass der Mensch die Maschine in vielen Fällen in Sachen Genauigkeit schlägt. Dies ist in erster Linie unserem – im internationalen Vergleich einzigartigen – Expertennetzwerk geschuldet. Um die Software mit diesem Wissen auszustatten und die Bilderkennung weiterzuentwickeln, ist bereits ein Pilotprojekt geplant.

HDI entwickelt die KI-Software kontinuierlich weiter, um möglichst schnell möglichst viele Prozesse zu automatisieren. Weitere Use Cases sind bereits in Arbeit. Beispiel Anwaltsbriefe: Hier soll das System nicht nur die gesetzten Fristen erkennen und entsprechende Handlungen anstoßen. Es soll vielleicht sogar die Stimmung eines Textes beurteilen. Leitet sich aus der Wortwahl oder Zeichensetzung eine negative Konnotation ab? Dann muss das Schreiben prioritär behandelt werden. Der Kreativität beim Einsatz für weitere Anwendungsfälle sind praktisch keine Grenzen gesetzt.

Autor: Christoph Wetzel, Vorstandsvorsitzender der HDI Versicherung AG

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der November-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

Ein Kommentar

  • Interessanter teaser, bin auf das gesamte Interview gespannt. Im Retail-Bereich wird KI in der Schadensregulierung bald eine deutlich größere Rolle einnehmen, erste verlässliches PoCs zeigen dies auch in Deutschland. Im Industriebereich wird menschliche Schadenexpertise sicherlich noch eine Weile ein wesentlicher Differienzierungsmerkmal sein – und das ist auch gut so :-).

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