Kassow: „Schwerpunktthema ist die Verwaltung klassischer Lebensversicherungsbestände“

Achim Kassow, Vorstandsvorsitzender der Ergo Deutschland AG

Im Mai 2020 wechselt Ergo-Deutschlandchef Achim Kassow in den Vorstand der Munich Re. Sein Nachfolger steht mit Theodoros Kokkalas bereits in den Startlöchern. VWheute sprach mit dem scheidenden Ergo-Manager exklusiv über die bisherige Bilanz des Strategieprogramms sowie über die Pläne für 2020.

VWheute: 2016 startete Ergo ihr Strategieprogramm. Was hat sich seitdem konkret getan?

Achim Kassow: Erstens haben wir unseren Markenauftritt fokussiert und modernisiert. Der Traffic der neuen Website liegt in der absoluten Spitzengruppe des Marktes. Zweitens haben wir unser hybrides Geschäftsmodell für den Privatkunden erfolgreich gestartet. Die Anzahl der Leads für unsere Vermittler ist signifikant gestiegen und wir haben schon im Sommer die Ein-Millionen-Marke im Online-Kundenportal erreicht. Drittens sind für unsere Vertriebspartner und Kunden die Vorteile der Digitalisierung in vielen Bereichen, z.B. der Schadenabwicklung, greifbar geworden. Und viertens – last but not least –steigen unsere Ergebnisse planmäßig weiter.

VWheute: Wo geht es besser?

Achim Kassow: Im Maklergeschäft haben wir in der Modernisierung unserer Geschäftsprozesse noch nicht die Fortschritte gemacht, die ich mir wünsche. Aber ich bin sehr zufrieden mit dem Erreichten. Alle Teams haben sich enorm für unsere Ziele engagiert und 2019 extrem viel auf den Weg gebracht.

VWheute: Ihr Strategieprogramm geht nun in das fünfte und damit letzte Jahr …

Achim Kassow: … das wollen wir erfolgreich abschließen. Gleichzeitig bleibt das Umfeld anspruchsvoll.  Ich nenne nur das Stichwort „Provisionsdeckel“. Wir wissen zudem noch gar nicht, welche Akzente die neue EU-Kommission setzen wird. Und schon jetzt ist klar: Die Niedrigzinsphase bleibt weiterhin eine große Herausforderung, vor allem für das Lebensversicherungsgeschäft.

Auf der anderen Seite beschäftigen sich die Deutschen immer stärker mit neuen Vorsorgeprodukten im Investmentbereich und öffnen sich ihnen gegenüber, was uns vermehrt Absatzchancen bietet. 2017 und 2018 hatten wir eine positive Ergebnisentwicklung, 2019 sind wir auch gut unterwegs. Ich bin zuversichtlich, dass sich dieser positive Trend auch im kommenden Jahr fortsetzen wird.  

VWheute: Welche Themen stehen im Fokus?

Achim Kassow: Im Kern wird es um den erfolgreichen Abschluss unseres Strategieprogramms gehen. Außerdem werden wir die Integration des Online- und Offline-Geschäftsmodells im Retailmarkt weiter fortsetzen ­– und damit das Kundenerlebnis verbessern. Hybrides Kundenverhalten ist auch im Versicherungsmarkt längst das „new normal“. Erfahrungen aus anderen Branchen prägen Kundenerwartungen. Wir investieren kräftig, um in dieser fundamentalen Veränderung zu den Gewinnern zu gehören.

Ein weiteres Schwerpunktthema ist die Verwaltung klassischer Lebensversicherungsbestände. Die Niedrigzinswährung zwingt zu nachhaltiger Effizienz. Wir bauen aktuell eine extrem effiziente IT-Infrastruktur auf. 2020 werden wir die ersten Ergo-Bestände auf diese leistungsfähige Plattform übertragen. Später wollen wir sie auch für weitere Partner öffnen.

VWheute: Was sind für Sie die drei wichtigsten Trends, die die Versicherungsbranche für immer verändern werden?

Achim Kassow: Das Megathema für die gesamte Versicherungsbranche ist – und bleibt –  in aller Konsequenz endkundenorientiert zu denken, zu fühlen und zu handeln. Hier sind andere Branchen wesentlich weiter als wir. Ich bin davon überzeugt: Die Zukunft gehört den Versicherern, die es schaffen, die Digitalisierung in unmittelbaren Kundennutzen zu überführen, den stationären Vertrieb digital zu vernetzen und mithilfe von Künstlicher Intelligenz & Co. Effizienzvorteile zu realisieren.

Aus der bereits angesprochene Niedrigzinsphase ergibt sich wiederum ein anderer Trend: Der Gedanke „Ich muss in der Versicherungstechnik nicht zwingend Geld verdienen, weil ich das über die Kapitalanlage wieder reinhole“ wird auf absehbare Zeit nicht mehr funktionieren. Der Druck, in der klassischen Versicherungstechnik wirklich nachhaltig profitabel zu wirtschaften, wird also steigen.

Und als dritten Punkt würde ich nennen, dass die durch die Digitalisierung, das veränderte Kundenverhalten und die Niedrigzinssituation notwendige, oftmals sehr radikale Transformation starke Konsequenzen für die Finanzmittelsituation und damit schlicht die Kapazitäten der Unternehmen hat. Dies dürfte als letzte Konsequenz zu einem weiter zunehmenden Zwang zur Größe führen.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Michael Stanczyk.

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