Allianz-Vorstand Röhler: „Wenn das in der Geschwindigkeit weitergeht, sind wir in 100 Jahren noch nicht fertig“
Dr. Klaus-Peter Röhler, Vorstandsmitglied Allianz SE, Insurance German Speaking Countries, Central Europe, Global P&C. Bildquelle: Allianz
Klaus-Peter Röhler sieht in Deutschland Luft nach oben, wenn es darum geht, Schäden aus Naturkatastrophen und Extremwetterereignissen zu vermeiden. „Nur durch eine stärkere Klimafolgenanpassung und Prävention werden wir die Herausforderungen durch den Klimawandel stemmen können“, sagt der Allianz-Vorstand im Interview mit dem Handelsblatt. Auch die Gebäudeeigentümer nimmt er in die Pflicht.
„Jeder Gebäudeeigentümer sollte die Gefährdung durch Naturgefahren kennen“, fordert Röhler. Die Allianz biete Tools an, um auf Basis der Adresse das Wohnortrisiko zu bestimmen. Kunden werden zudem mit Warnmeldungen informiert, wenn lokal Stürme oder Hagel drohen. „Nach einem Schadenfall setzen wir uns dafür ein, dass Gebäude klimaresilient wieder aufgebaut werden. Wir beteiligen uns an den Mehrkosten und bieten eine Beratung an, wie Häuser widerstandsfähiger werden.“
Dass in der Folge Versicherungen teurer werden, sieht Röhler „nicht zwingend“. Die Menschen bräuchten seiner Meinung nach aber ein stärkeres Risikobewusstsein. „Die Gefahr, von einem Hochwasser betroffen zu sein, wird oft unterschätzt.“
Nach Angaben des Allianz-Vorstands könne in Deutschland im Gegensatz zu Ländern wie den USA noch breiter Versicherungsschutz angeboten werden. Die Schadenlast durch Naturgefahren steige jedoch auch hierzulande „ungebremst weiter“. Versicherungsschutz müsse weiterhin marktwirtschaftlich organisiert sein. Röhler plädiert wie der GDV dafür, dass es auch künftig Wahlfreiheit für die Kunden geben müsse und die Versicherer risikobasierte Prämien verlangen. Die Abwahlmöglichkeit funktioniere jedoch nicht als isolierte Maßnahme, sondern müsse mit Prävention kombiniert werden.
„Alle drei Parteien – Staat, Versicherte und natürlich wir Versicherer – müssen zusammenarbeiten, um künftige Schäden zu verringern. Nur dann bleiben die Risiken versicherbar. Es braucht in Deutschland dringend mehr präventive Maßnahmen, vor allem beim Hochwasserschutz. Konkret geht es um den Schutz unserer Infrastruktur als Teil klimaresilienter Green Cities“, sagt Röhler gegenüber dem Handelsblatt. „Investitionen und Umsetzungsgeschwindigkeit müssen sehr viel höher werden. (…) Nur fünf Prozent der geplanten Infrastrukturprojekte beim Hochwasserschutz sind abgeschlossen und weitere 16 Prozent sind in Planung oder im Bau. Wenn das in der Geschwindigkeit weitergeht, sind wir in 100 Jahren noch nicht fertig.“
Als Beispiele aus anderen Ländern, wo Hochwasserschutz besser funktioniert, nennt Röhler das Thames-Barrier in London, ein bewegliches Sturmflutsperrwerk am Eingang der Themse. „Die Kosten für den Aufbau lägen in heutigen Preisen bei ungefähr 2,4 Milliarden britischen Pfund, aber der geschätzte verhinderte Schaden für die City of London liegt bei ungefähr 50 Milliarden britischen Pfund“, rechnet Röhler vor. Ähnliche Projekte seien der Hochwasser-Entlastungsstollen in Zürich und der Machlanddamm in Österreich.
Autor: VW-Redaktion
