Wohngebäudeschutz: Preisniveau in der Erstversicherung laut Aon bis zu 15 Prozent zu niedrig

Jan-Oliver Thofern, Chairman und Chief Executive Officer Aon Benfield Deutschland. Quelle: MV

Erst- und Rückversicherer hadern mit ihrer Naturkatastrophenlast. Auf globaler Ebene lagen die Combined Ratios zwischen 2012 und 2016 für das Rückversicherungsgeschäft zum Teil deutlich unter 100 Prozent. Die jüngeren Jahrgänge waren aber schlechter. „Mit Blick auf Naturgefahren war zum Beispiel das europäische Geschäft seit den 1990er-Jahren bisher profitabel“, erklärt Jan-Oliver Thofern. Der CEO von Aon Benfield Deutschland ist sich sicher, dass 2021 ein Jahr mit überdurchschnittlichen Belastungen in der Naturgefahrenrückversicherung für die Erst- und Rückversicherer werden wird. Was kann man tun?

„Bernd“ sei nach Angaben des Experten in vielfacher Hinsicht ein außergewöhnlicher Schaden gewesen. Er traf auf einen bereits seit längerem intakten inflationären Trend im Hinblick auf steigende Immobilen-, Handwerker- und Materialpreise. In Kombination mit der außergewöhnlichen Intensität des Starkregenfalls und anderen Faktoren habe sich das sehr ungünstig ausgewirkt.

„Generell – und das haben wir immer wieder betont – ist die Wohngebäudeversicherung seit vielen Jahren unterfinanziert“, kritisiert Thofern. Der Versicherungsnehmer wird akzeptieren müssen, dass die Prämien steigen werden, damit Versicherer weiterhin ein breites Angebot in diesem Markt machen können. Aktuell ist das Preisniveau in der Erstversicherung laut Aon-Berechnungen um zehn bis 15 Prozent zu niedrig.

Bestimmte Regionen unbewohnbar?

In den USA gab es 2021 bereits 18 Wetterereignisse mit jeweils über einer Mrd. Dollar an Schaden. Zunehmend müssen sich die Fachleute der Branche mit der Frage befassen, ob es verstärkt einen globalen Ansatz braucht, um die Versicherbarkeit bestimmter Regionen zu ermöglichen. Thofern kann es sich vorstellen, dass bestimmte Regionen oder Gefahren irgendwann keinen Schutz mehr erhalten. „Der Markt versucht das aber zu verhindern, was in der Regel auch gelingt.“ Ein viel größeres Problem sei die Differenz zwischen ökonomischen und versicherten Schäden. Ein Beispiel dafür ist Deutschland. Der größte Teil des Schadens ist nicht versichert.

Thofern sieht in Deutschland keine wirklichen Argumente gegen eine Pflichtversicherung. In der Umsetzung könnten auch die vorhandenen rechtlichen Hürden überwunden werden. „Einen staatlichen Eingriff in einen weitestgehend funktionierenden Markt, halte ich aber gar nicht für notwendig. Wenn staatlich gefördert werden soll, dann sollte dieses z.B. über Steuervergünstigungen geschehen.“

Gibt es Schutz für jeden? „Beinahe“, glaubt der Experte. „Aus meiner Sicht gibt es drei Gruppen: Etwa 90 Prozent der Gebäude sind ohne Weiteres versicherbar, sieben bis acht Prozent wegen der Gefährdungssituation nur über hohe Prämien. An dieser Stelle könnte eben eine steuerliche Abzugsfähigkeit der Wohngebäudeprämien auch für selbst genutzte Objekte hilfreich sein. Dann bleiben noch zwei bis drei Prozent, die nach Marktregeln nicht versicherbar sind. Für diese Objekte wäre ein von den Versicherern administrierter staatlicher Fonds denkbar.“

Autor: VW-Redaktion

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