Rückversicherung: Munich Re rechnet mit anspruchsvollerem Underwriting

Torsten Jeworrek. Quelle: Munich Re

Munich Re-Vorstand Torsten Jeworrek erwartet im Schnitt für das nächste Renewal erneut Preiserhöhungen. Das traditionelle Kapital im Bereich der weltweiten Rückversicherung belaufe sich auf 441 Mrd. US-Dollar, doch seien in letzter Zeit die Provider von Alternative Capital vorsichtiger geworden. Sie befürchteten zunehmend, nach Schadenereignissen noch ungeklärten Ausmaßes über längere Zeiten mit ihren Mitteln ‚Locked In‘ zu sein. Ihr Appetit habe sich daher auf fungiblere Cat Bonds verlagert,  weniger liquide Produkte seien nicht mehr so gefragt.

Rückversicherungs-Underwriting werde nach Angaben der Munich Re zunehmend anspruchsvoller. Zudem würden wesentlich bessere Analysetools entwickelt, es gäbe mehr an vorhandenen Daten, es beginne das automatisierte Underwriting und die Fähigkeit auch mit unstrukturierten Daten umzugehen stelle sich ein. Als neue Tools am Horizont erschienen Artifical Intelligence und Quantum Computing. Im Hause Munich Re betreibe man bereits eine generelle Personalschulung auf vier Levels im Bereich Data Analytics.

Preiserhöhungen seien insbesondere angezeigt für Catnat-Deckungen angesichts der erheblichen 2021-Schadenbelastungen in Europa (Überschwemmungen) laut GDV mit einem Marktschaden von sieben Mrd. Euro und in den USA (Hurricane IDA, zwar im meteorologischen Sinn wohl nur ein Ereignis, jedoch dank vertraglicher 72 Stundenklauseln durch einzelne Zedenten wohl auch in deren mehrere ausspaltbar, wildfires in Kalifornien).

Generell hindere der Klimawandel zwar nicht die Versicherbarkeit, Ausnahmen gälten jedoch für besonders bedrohte oder gar unbewohnbar werdende Gegenden. Mit der Bemerkung, die in den USA grassierende Black-Lives-Matter-(BLM)-Bewegung sei in letzter Zeit ein Treiber für politische Unruhen gewesen, hat Munich Re aber wohl ein allzu heißes politisches Eisen angefasst.

Die zu versichernden Werte fänden sich immer weniger im Bereich der tangible assets große Firmen. Der Anteil der physischen Vermögensgegenstände in den Bilanzen der  S&P-500-Unternehmen, insgesamt derzeit 7.500 Mrd. US-Dollar, sei von 83 Prozent in 1975 auf aktuell nur noch zehn Prozent gesunken, wir lebten in einer zunehmend entmaterialisierten Welt. Wobei man sich vielleicht fragen kann, ob US-Bilanzen nicht auch eine Menge an dubiosem acquisition goodwill enthalten, also heiße Luft.

Sehr bewusst ist sich Munich Re der Grenzen der Versicherbarkeit was die als systemic risks zusammengefassten Exponierungen wie Pandemien à la Covid-19, Failure of power grid und cyber war angeht. Die Situation ähnele der beim unversicherbaren Kriegsrisiko. Jedoch fehle die Definition der Demarkationslinie zwischen noch versicherbar und als ausgeschlossen geltend. Es gelte künftig  nur von den Gerichten zu klärende wording ambiguities zu vermeiden wie angesichts von Covid-19. Gewisse Risiken erforderten eben eine Staatsbeteiligung.

Im Bereich Casualty klagt Munich Re über allzu niedrige Zinsen bei gleichzeitigem Anspringen der Inflation. Dies wirke sich insbesondere im longtail Bereich aus und resultiere in der Notwendigkeit eines erheblichen re-pricing.

Munich Re bläst zur Attacke auf Cybermarkt

Auch auf der diesjährigen Monte-Carlo-Pressekonferenz galt ein besonderer Akzent den Cyber-Deckungen. Für die Munich Re stelle Cyber nun ein core business dar, man verfolge das Ziel für die Kunden relevant zu bleiben und müsse für die Kunden tragfähige Lösungen finden und ihnen im Schadenfall zur Seit zu stehen. Den eigenen führenden Marktanteil sieht Munich Re bei ca. zehn Prozent, jedoch gäbe es diesbezüglich keine spezifischen Vorgaben.

Förmlich katalysiert wurde die digitale Transformation durch den „Gamechanger“ Covid-19. Sichtbar gemacht nicht nur an dem Umstand, dass der Munich Re-Vorstand um Torsten Jeworrek seine Medieninformation nicht wie gewohnt um diese Jahreszeit aus dem sonnigen Monte Carlo, sondern aus dem nüchternen Hauptquartier in München-Schwabing verkündete. Sichtbar wurde es auch am Topos der Konferenz: Zeitenwende und Zukunftschancen – Versicherer als Partner für die digitale Welt. „Zunächst geht es um die Automatisierung interner Prozesse mit Algorithmen sowie neuartiger Versicherungen unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz, zum Nutzen der Kunden. Viel wichtiger noch ist es, strategisch und partnerschaftlich mit Kunden die großen Trends und künftigen Risikobedarfe zu erkennen“, formuliert Jeworrek das neue Credo mit Blick auf die neuen Big Player, allesamt Unternehmen mit einem stark bis ausschließlichen Digital Asset, welches es zu covern gilt.

Dabei gelten die Märkte mit den stärksten Wachstumspotenzialen als vorrangige Ziele, als da wären die insgesamt 75 Prozent Marktanteile umfassenden Regionen der EU, Nordamerika und Asien-Pazifik. Hier will der Konzern nicht nur die Markt-, sondern auch Meinungsführerschaft übernehmen, so der Vorstand weiter, denn: „wenn wir relevant bleiben wollen brauchen wir Lösungen und wir sind fest entschlossen neue Lösungen zu finden und anzubieten“, präzisiert Vorstand Stefan Golling, bei den Münchenern zuständig für das Ressort Global Clients and North America. 

Die derzeitige Bruttoprämie der Gruppe, je hälftig aus den Bereichen Erst- und Rückversicherung belaufe sich auf 0,85 Mrd. US-Dollar, die eine Mrd. US-Dollar Grenze werde in Kürze überschritten sein. Erwartet werde eine Marktverhärtung aufgrund gestiegenem Versicherungsbedarf und zurückgehender Marktkapazität. Neben Preisanpassungen komme es zu einer besseren Risikoselektion, höheren Franchisen und wesentlich mehr Fragen beim Underwriting. Ein Versicherer müsse von seinen Kunden Resilience verlangen, also die Fähigkeit sich von einem Angriff zu erholen, es werde wesentlich mehr an Cyber Security erforderlich. Essenziell sei dabei die eigene Kumulkontrolle.

Autoren: Alexander Kaspar und Philipp Thomas

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