Neue, teure Einschlüsse in der Unfallversicherung

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Die Folgen einer Covid-19-Erkrankung sollten nach Einschätzung von Sonja Possin nicht in der Unfallversicherung eingeschlossen werden. „Auch wenn die Anerkennung der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit im medizinischen Bereich Begehrlichkeiten weckt und für Marktdruck sorgt, muss man davon absehen“, sagte die Ärztliche Referatsleiterin der E+S Rückversicherung beim 14. MCC-Fachforum „Unfallversicherung“.

„Es gibt jetzt schon viele Berichte über Langzeitfolgen und ich sehe die Gefahr, dass wir über eine Flut kaum objektivierbarer Folgen sprechen müssen.“ Sie fürchtet, dass Covid-19 für die Versicherer wie die Borreliose beim Zeckenbiss endet. Auch dort lassen sich Krankheitsbilder wie Müdigkeit oder Leistungsminderung kaum bewerten. Mit einer Impfung gegen den Pandemie-Virus lasse sich der Nachweis einer Erkrankung und der Folgen ohnehin nur schwer führen. „Wir wissen, dass vielfach Pandemien ausgeschlossen sind, jede einzelne Klausel kennen wir aber nicht“, sagte sie aus dem Blickwinkel des Rück- auf die anbietenden Erstversicherer.

Immer mehr Produkte, bei denen Vorerkrankungen erst ab 50 Prozent berücksichtigt würde

Es wachse generell der Druck weitere Risiken zu versichern, um den eher stagnierenden Markt mit einer alten Kundschaft zu beleben. Vor allem in Kombination mit einer reduzierten Gesundheitsprüfung, wie sie für digitale Angebote notwendig scheint, hält sie viele weitere Einschlüsse für problematisch. So werde beispielsweise der Einschluss psychischer Störungen immer lauter diskutiert. Angesichts der Tatsache, dass 13 Prozent der weiblichen und sechs Prozent der männlichen Bevölkerung unter Depressionen litten, fürchtet sie hier eine steigende Invalidität.

Im Markt sei zudem der Trend zu einem steigenden Mitwirkungsanteil zu beobachten. Es gebe immer mehr Produkte, bei denen Vorerkrankungen erst ab 50 Prozent berücksichtigt würden. 14 Versicherer böten im Maklermarkt 27 Tarifen, bei denen auf die Mitwirkung verzichtet wird. „Wir beobachten den Trend in den Märkten der Ausschließlichkeit, sich dem Maklermarkt anzupassen und die Mitwirkung auszudehnen.“ Basis für diese Daten waren 193 von Morgen & Morgen untersuchte Tarife zu einer Musterdeckung mit 50.000 Invaliditätssumme und einer Progression von mindestens 200 Prozent.

Siegel der Stiftung Warentest wichtig

Jutta Jakobs, Leiterin Unfall-/Reise-Schaden bei der HDI Versicherung AG, berichtete unter anderem darüber, dass bei eher älteren Schadenopfern eine Mitwirkung von „vielleicht noch 25 Prozent“ einzuwenden sei. „Ohne Mitwirkung schlägt sich dies bei Älteren monetär sehr zu Buche. Das geht dann schnell in die Progression.“

Stephan Schinnenburg, Vorstand der Deutschen Familienversicherung AG, sagte unter anderem, dass beim überwiegend digitalen Verkauf der DFV das Siegel der Stiftung Warentest wichtig sei – und hier ist der Mitwirkungsanteil bei der Tarifbewertung ein wichtiges Merkmal. Possin empfahl, bei hohen Mitwirkungsanteilen „nicht gleichzeitig auch bei der Risikoprüfung abzuspecken“. Oft höre sie von Erstversicherern, dass die Wirkung der Risikoprüfung im Zeitablauf verpuffe. Schinnenburg hatte berichtet, dass man die medizinischen Diagnosen nach dem Klassifikationssystem ICD International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems anerkenne und reguliere. Begleit- und Vorerkrankungen spielten damit keine Rolle.

Nach Zahlen des GDV sowie Schätzungen der E+S hat die Zahl der Unfallversicherer in den letzten zehn Jahren von 135 (2011) auf voraussichtlich 123 (2020) abgenommen. Die Beiträge legen 2020 um schätzungsweise 0,6 Prozent auf 6,7 (6,66) Mrd. Euro zu, berichtete Mariko Wassy, Referatsleiterin Technisches Underwriting bei der E+S. Die Zahl der Verträge vermindert sich auf etwa 25,7 (25,8) Millionen – 2011 waren es noch 27,3 Millionen. Der Geschäftsjahres-Schadenaufwand dürfte 2020 um rund zwei Prozent auf 3,3 Mrd. Euro sinken und sich damit die Schadenquote wieder verbessern. Den Zahlen zufolge liegt die Geschäftsjahresschadenquote seit Jahren zwischen 50 und 60 Prozent. Sie rechnet zudem mit einer geringeren Combined Ratio von um die 75 Prozent.

Im Hinblick auf alternde Bestände und Vertriebler müsse die Branche über den Zugang zu neuen, jungen Policen nachdenken. Schließlich verursachten Senioren höhere Schäden, daher werde es junge Leute brauchen, um den Ausgleich um Kollektiv zu verbessern. Über den Direktkanal kämen erst 2,5 Prozent des Neuzugangs.

Autorin: Monika Lier

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