Aufsicht stresst sieben deutsche Versicherer

Bildquelle: European Union 2023, EP, Denis Lomme

Ihre Briefe haben die betroffenen Unternehmen schon bekommen. 2024 ist wieder Prüfungszeit. In einem hypothetischen Szenario werden ausgewählte europäische Versicherer auf ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber schwerwiegenden, aber plausiblen wirtschaftliche Negativ-Entwicklungen getestet. Von insgesamt 48 Versicherern kommen sieben aus Deutschland.

Beim diesjährigen Test steht im Vordergrund, wie die europäischen Versicherer mit den Folgen einer schweren Wirtschafts- und Finanzmarktkrise umgehen würden. Die Prüfung ist hauptsächlich mikroprudenziell ausgerichtet und keine, bei der es ums Bestehen oder Scheitern geht, heißt es in den offiziellen Unterlagen der Eiopa. Die Tests beinhalten Szenarien, die über die unter Solvency II geforderte Widerstandsfähigkeit hinausgehen. Die Frankfurter Behörde unter der Führung von Petra Hielkema will Gewissheit erlangen, dass die Branche in der Lage ist schwere Krisen zu überstehen.

Ergänzt wird die mikroprudenzielle Bewertung durch die Abschätzung möglicher sogenannter Spillover-Effekte vom Versicherungssektor auf andere Teile des Finanzsystems, die durch Reaktionen auf die vorgegebenen Schocks ausgelöst werden.

Im Dezember 2021 veröffentlichte die europäische Aufsicht ihren letzten Stresstest – mit positivem Ausgang für die Branche, die sich als robust erwiesen hatte. Einbezogen waren damals insgesamt 43 große europäische Versicherungsgruppen. Der Umfang hat also zugenommen. Mit Allianz, Münchener Rück, HDI, R+V und Alte Leipziger-Hallesche kamen fünf aus Deutschland.

Prüfliste 2024. Bildquelle: Eiopa

Damals unterstellten die Aufseher im Szenario einen Zinsrückgang mit Verwerfungen am Kapitalmarkt. Erstmals enthielt der Stresstest auch eine Liquiditätsbetrachtung, an der insgesamt 117 Unternehmen beteiligt waren.

Das Szenario 2024, das von der Eiopa in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken entwickelt wurde, geht von einer erneuten Verschärfung oder zumindest einem Fortbestehen der geopolitischen Spannungen aus, „gekoppelt an eine breite Palette von Folgewirkungen“. Darunter ein Wiederaufleben umfangreicher Unterbrechungen der Versorgungskette, die zu einem schleppenden Wachstum und einem Wiederaufflammen des Inflationsdrucks führen.

Zu den modellierten Nebeneffekten gehöre laut Eiopa etwa eine Neubewertung der Zinserwartungen, die sich in einem plötzlichen Anstieg der kurzfristigen Marktzinsen und einem gedämpften Anstieg der längerfristigen Renditen niederschlägt.

„Die sich daraus ergebende Verschärfung der Finanzierungsbedingungen in Verbindung mit einem gedämpften Wachstum dürfte die Rentabilität der Unternehmen beeinträchtigen, die Kreditspreads ausweiten und sich negativ auf alle Anlageklassen auswirken“, schreibt die Behörde. „Die pandemiebedingte hohe Staatsverschuldung und die Notwendigkeit von Abfederungsmaßnahmen zur Stützung der Realwirtschaft in einem Abschwung würden die Besorgnis über die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung schüren und zu einem weiteren uneinheitlichen Anstieg der Zinsen für Staatsanleihen führen.“

Bildquelle: Eiopa

Europaweit nehmen am Hauptmodul, der „Capital Component“, 46 Versicherungsgruppen und zwei Versicherungsunternehmen teil. Aus Deutschland sind erneut Allianz, Munich Re, HDI/Talanx und R+V dabei. Neu hinzugekommen sind Debeka, die Versicherungskammer Bayern und der Lebensversicherungsaufkäufer Viridium.

Frankreich übertrumpft mit zehn Unternehmen die Anzahl der geprüften. Zu den bekannten Unternehmen über die deutschen Grenzen hinaus zählen Axa, Generali sowie die niederländischen Marktakteure Athora und N.N.

Wie beim Stresstest 2021 werden in einem weiteren Modul, der „Liquidity Component“, einzelne Versicherungsunternehmen der Gruppen einem Liquiditätsstress unterzogen.

Die Stichprobe für den Stresstest deckt über 75 Prozent des Marktes in Bezug auf das Gesamtvermögen ab. Es ist die mittlerweile sechste europaweite „Übung“ der 2011 ins Leben gerufenen Eiopa. Bis zum 8. August müssen die teilnehmenden deutschen Versicherungsgruppen ihre Berichtsformulare bei der Bafin einreichen. Die Bonner prüfen anschließend zusammen mit der Eiopa die Daten in einem mehrstufigen Verfahren. Die Ergebnisse sollen im Dezember dieses Jahres veröffentlicht werden.

Autor: Michael Stanczyk