Allianz steigt mit hoher Millionensumme in Wette auf Versicherungseinhorn ein

Allianz-X-Chef Nazim Cetin. Quelle: Allianz X

Die Einheit für Digitalinvestments der Allianz öffnet ihren Geldbeutel für den kalifornischen Senkrechtstarter Next Insurance. Das ursprünglich als Vermittler operierende Start-up erhielt 2018 – zwei Jahre nach der Gründung – die Versicherungslizenz und ist auf Policen für kleine und mittlere Gewerbekunden in den USA spezialisiert. Die Allianz springt spät auf den Zug auf. Warum?

An der mittlerweile sechsten Finanzierungsrunde mit einem Volumen von insgesamt 265 Mio. US-Dollar beteiligt sich neben der Allianz auch der US-Versicherer Allstate. Wer wieviel investiert, wurde auf VWheute-Anfrage nicht genannt. Die Allianz strebt eine umfassende Partnerschaft an, heißt es. Der Weg zu Rentabilität soll beschleunigt und neue Kundenkreise erschlossen werden.

Die Vereinbarung schließt eine auf mehrere Jahre geschlossene Zusammenarbeit mit Allianz Re ein. Der Reinsurance-Arm des Münchener Konzerns soll Rückversicherungskapazitäten bereitstellen. Die Zusammenarbeit zwischen Next und Allianz Re ist an dieser Stelle nicht neu. Nun gehe es darum, das Engagement im Bereich der Rückversicherung zu verstärken – und gegenüber den Kunden Stabilität auszustrahlen. Insgesamt sieht sich die Allianz in der Position des Kapitalpartners – sowohl was das Risiko als auch was das Eigenkapital betrifft.

Die aktuelle Marktposition, Entwicklung und die strategische Auslegung von Next dürften die Münchener von einem Einstieg überzeugt haben. Kleine und mittelständische Unternehmen, die Zielgruppe des Start-ups aus dem kalifornischen Palo Alto unter der Führung von CEO Guy Goldstein, machen in Amerika mit 33 Millionen 99,9 Prozent aller US-Unternehmen aus. Laut US-Chamber of Commerce werden knapp zwei Drittel (63 Prozent) der zwischen 1995 und 2021 neu geschaffenen Arbeitsplätze kleinen Unternehmen zugeschrieben. Allein im Jahr 2021 wurden 5,4 Millionen neue Unternehmensanträge gestellt.

 „Die USA sind der wichtigste Markt für Innovationen und Chancen. Wir wollen unsere bestehende Brücke über den Atlantik weiter ausbauen, um mehr Möglichkeiten darüber zu transportieren“, erklärt Allianz-X-Chef Nazim Cetin gegenüber VWheute. „Wir haben bereits damit begonnen, unsere amerikanischen Portfoliounternehmen bei der Expansion nach Europa zu unterstützen.“ Im Zuge des Next-Deals gibt die Allianz-Tochter auch die Eröffnung eines Büros in New York bekannt.

Indes gilt der US-Versicherungsmarkt für KMU mit einem Prämienvolumen von rund 140 Mrd. US-Dollar als hochattraktiv. Next selbst zählt aktuell eine halbe Million Kunden im Land und hat Produkte wie allgemeine Haftpflicht, gewerbliche Sachversicherungen oder Arbeiterunfallversicherungen im Portfolio.

Für die Allianz X ist einerseits der Markt, „der nach wie vor reif für Veränderungen“ sei, aber auch der technische Ansatz der Kalifornier ausschlaggebend für die Beteiligung. Next wirbt neben guten Preisen mit der Nutzung sogenannter proprietärer Algorithmen für maschinelles Lernen, die es Kunden ermöglichen sollen, in nur wenigen Klicks zum Angebot zu kommen. Im Gegensatz zu den Märkten für private Auto- und Hausratversicherungen, wo die digitale Transformation des Policenverkaufs und der Schadensabwicklung in erheblichem Umfang online erfolgt, ist der gewerbliche Versicherungsmarkt nach wie vor fragmentiert und in vielen Fällen noch auf manuelle Prozesse angewiesen.

Zu den prominenten Investoren bei Next zählen neben dem amerikanischen Versicherer Nationwide etwa der Investmentarm der Kreditkartengesellschaft American Express – oder die deutsche Munich Re. Der Rückversicherer war bereits 2017 an einer Finanzierungsrunde in Höhe von 29 Mio. Dollar beteiligt. Zwei Jahre später stockten die Münchener auf und investierten 250 Mio. US-Dollar in weitere Anteile. Bereits nach Abschluss dieses Deals wies Next eine Unternehmensbewertung von knapp über einer Mrd. US-Dollar auf. Munich Re hielt zu diesem Zeitpunkt insgesamt ca. 27,5 Prozent Unternehmen aus Kalifornien.

Dass sich Munich Re und Allianz Re mit dem Deal in die Quere kommen könnten, schließt Next aus. Munich Re bleibe an Bord und sei ein weiterhin wichtiger langfristiger Partner und Investor.

Dem Interesse der Allianz-Spezialeinheit unter Cetin hat das alles keinen Abbruch getan. Das Unternehmen setzt in seiner Strategie gerne auf ausgereifte Unternehmen mit Wachstumspotenzial, wie es betont. Zuletzt führte Allianz X die beiden größten US-Insurtech-Runden des vergangenen Jahres mit Pie Insurance (315 Mio. US-Dollar) und Coalition (250 Mio. US-Dollar) an. Die Einheit für Digital-Investments verfügt über ein Portfolio mit Assets under Management von über 1,5 Mrd. Euro und 25 Unternehmen. Allianz X hat bisher zwölf Einhörner zu seinem Portfolio gezählt.

Das jetzige Investment bei Next sei Beweis für das Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens – und eine Ergänzung der US-Investitionsplattform von Allianz X für Insurtechs, die Sach- und Unfallversicherungslösungen für kleine und mittelständische Unternehmen anbieten. „Kleine Unternehmen sind für die Wirtschaft von grundlegender Bedeutung“, sagt Nazim Cetin, CEO von Allianz X. „Next kennt die Bedürfnisse dieser Unternehmen sehr genau und hat eine Spitzentechnologie entwickelt, die für die zentralen Probleme dieser Unternehmen Abhilfe schafft.“

Eine beachtliche Finanzierungsrunde gelang den Kaliforniern bereits vor zwei Jahren. Damals sammelte das Insurtech 250 Mio. US-Dollar und kam auf eine Bewertung von vier Mrd. Dollar. Diese dürfte nun erneut deutlich gestiegen sein. Konkrete Zahlen werden auf Anfrage nicht genannt. Inklusive der aktuellen Runde hat das Unternehmen mittlerweile Risikokapital von über 1,1 Mrd. US-Dollar erhalten. Bei den Prämieneinnahmen nähert sich Next der Marke von einer Millarde Dollar.

Im Hintergrund wird bereits über einen Börsengang spekuliert. Zuerst jedoch müssten Gewinn- und Verlustkennzahlen besser vorherzusagen sein. Die Allianz ist spät auf den Zug aufgestiegen, womöglich aber nicht zu spät.

Autor: Michael Stanczyk

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