Balance Re-Gründer Gauer: „Wir sind nicht unbedingt besser, aber wir sind anders“

Michel Gauer, CEO und Gründer des Lebensrückversicherers Balance Re. Quelle: Balance Re

Mitte August 2021 hat die Balance Re von der Bafin ihre Lizenz für den Betrieb als Lebensrückversicherer erhalten. VWheute sprach exklusiv mit dem Gründer und Generalbevollmächtigten Michel Gauer über die aktuellen Ziele und Pläne des neuen Players auf dem deutschen Versicherungsmarkt.

VWheute: Wie kommt man mitten in einer Niedrigzinsära auf die Idee, einen LV-Rückversicherer in Köln zu gründen?

Michel Gauer: Die niedrigen Zinssätze haben für Erstversicherer ein schwieriges Umfeld geschaffen. Diese noch nie dagewesene Herausforderung für eine Branche, die seit mehr als einem Jahrhundert mit höheren Zinssätzen arbeitet, braucht neue Lösungen. Der beste Partner für diese neuen Ansätze wird immer ein Lebensrückversicherer wie Balance Re sein. Wir haben das gleiche regulatorische Umfeld und den gleichen langfristigen Zeithorizont wie unsere potenziellen Kunden.

Bei der Wahl des Standorts ging es uns vor allem darum, nahe an unseren Kunden zu sein. Außerdem wollen wir zeigen, dass Risiken nicht notwendigerweise ins Ausland zu verlagern sind, wenn durch Technologie Effizienzsteigerungen erzielt werden können. Und schließlich hat Köln in Sachen Rückversicherung eine gewisse Tradition: Hier ist der älteste Rückversicherer beheimatet und nun auch der jüngste.

VWheute: Warum braucht es Balance Re, was können Sie (besser) als ihre namhafte Konkurrenz, warum sollte ein LV-Versicherer zu einem Insurtech wechseln?

Michel Gauer: Wir sind nicht unbedingt besser, aber wir sind anders. Der Erstversicherer wird nicht zu uns wechseln, um seinen bestehenden traditionellen Lebensrückversicherungsschutz zu ersetzen. Wir bieten ein Produkt an, das es auf dem Markt bis jetzt noch nicht gibt: eine umfassende Deckung, die nicht nur Lebensrisiken, sondern auch Finanzrisiken und die komplexen Wechselwirkungen zwischen Lebens- und Finanzrisiken wie etwa Storno oder Wiederanlage umfasst. Dieses Produktangebot ist nur aufgrund der von uns entwickelten Technologie möglich.

VWheute: Wie wollen Sie die „Überkapitalisierung der  Lebensversicherer freisetzen und die Volatilität aus den Solvenzanforderungen deutlich reduzieren“?

Michel Gauer: Das erreichen wir sofort durch den umfassenden Rückversicherungsschutz, den Balance Re bietet. Das Kapital, das zuvor dem rückversicherten Portfolio zugeordnet war, wird nun durch das Kapital von Balance Re ersetzt. Die traditionelle Lebensrückversicherung deckt nur Lebensrisiken. Dadurch sind die Zedenten hauptsächlich den stark schwankenden Finanzrisiken ausgesetzt. Die Deckung von Balance Re ist umfassend und schafft keine solche künstliche Aufteilung. Da keine Risiken mehr beim Erstversicherer zurückbleiben, ist dieser nicht mehr der Volatilität seiner Solvency-II-Quoten ausgesetzt.

VWheute: Was sind „Echtzeit-Risikomanagement-Funktionen“, was können sie?

Michel Gauer: Unsere Technologie ermöglicht es uns, in Echtzeit zu sehen, wie Aktiva und Passiva miteinander interagieren. Darüber hinaus können wir die Auswirkungen unserer Anlage- und Absicherungsentscheidungen auf die Renditen und das Kapital während der gesamten Laufzeit des Portfolios analysieren. Diese Kompetenzen sind die Grundlage dafür, dass wir unseren Kunden eine Deckung anbieten können, die Finanzrisiken und Kreuzrisiken zwischen Finanz- und Lebensrisiken zu einem kosteneffizienten Preis abdeckt.

VWheute: Sie sprechen von einem „dringend benötigten Wandel in der Lebensrückversicherung“. Der wird sich wie vollziehen?

Michel Gauer: Wir glauben, dass angesichts der alternden Bevölkerung die Nachfrage nach finanziellen Garantien für die Altersvorsorge weiterhin groß bleiben wird. Die von den Rückversicherern heute angebotenen Produkte werden aber nicht ausreichen, um Erstversicherer bei der Deckung dieser Nachfrage zu unterstützen. Technologie wird es den Rückversicherern ermöglichen, den Erstversicherern die Unterstützung zu bieten, die sie für die Verwaltung ihrer traditionellen Lebensversicherungsportfolios unter den neuen Vorzeichen benötigen.

VWheute: Wie bewerten Sie die anstehenden Solvency II-Anpassungen und was bedeuten sie für die Lebensversicherer und Sie?

Michel Gauer: Als Rückversicherer mit Sitz in Köln werden wir von der BaFin beaufsichtigt. Außerdem wenden wir die Solvency-II-Standardformel an und verwenden kein internes Modell. Folglich unterliegen wir denselben Regeln wie die meisten unserer potenziellen Kunden. Jegliche Änderungen an Solvency II, die diese betreffen, würden sich in ähnlicher Weise auf Balance Re auswirken. Wie bei der Einführung der ZZR zielen die meisten Änderungen, die derzeit für Solvency II diskutiert werden, darauf ab, das regulatorische Umfeld näher an das wirtschaftliche Umfeld heranzuführen. In dieser Hinsicht stimmen sie vollständig mit dem Risikomanagementansatz der Balance Re überein, und wir unterstützen sie grundsätzlich. Wie immer bei solch grundlegenden Änderungen geht es jedoch darum, das richtige Gleichgewicht zwischen einer schnellen Umsetzung der Änderungen und ausreichend Zeit für die Unternehmen zur Anpassung zu finden.

VWheute: Mit wem arbeiten Sie aktuell zusammen, was sind Ihre Ziele?

Michel Gauer: Wir können unsere Kunden leider aus Vertraulichkeitsgründen nicht nennen. Grundsätzlich sind wir offen für sämtliche Erstversicherer, die den Wert ihres traditionellen Lebensversicherungsportfolios für alle Beteiligten optimieren wollen.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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