40.000 zerstörte Autos: Flutkatastrophe holt Kfz-Versicherer nach „Coronaruhe“ auf den Boden der Tatsachen zurück

Bittere Bilanz: „Der versicherte Schaden für die Kfz-Versicherer liegt bei rund 200 Millionen Euro und für die Transportversicherer bei rund 100 Millionen Euro“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Quelle: Markus Distelrath auf Pixabay

Kenner des Kraftfahrtmarktes waren für 2020 eigentlich von einer „schwarzen Null“ in der Versicherungstechnik ausgegangen. Die Kraftfahrtversicherer haben von der geringeren Mobilität vor allem während der Lockdowns profitiert. Doch jetzt könnte sich die Lage drehen. Eine Bestandsaufnahme zur Jahresmitte 2021.

In diesem hart umkämpften Markt fielen die Prämienzuwächse wieder kleiner aus als die Zunahmen bei den Schäden. Doch dann kam Corona – und alle Vorhersagen wurden zu Makulatur. Denn: Weniger Mobilität, speziell während der Lockdowns, sorgt in zweierlei Hinsicht für ein geringeres Schadenaufkommen. Wer nicht fährt, verursacht keine Unfälle.

Und: Ein insgesamt geringerer Verkehrsfluss begünstigt das Nicht-Schadengeschehen. Der GDV geht für 2020 von einer Combined Ratio (cb) von 88 (97,3) Prozent in der Kraftfahrt-Haftpflicht aus – ein Rekord-Tiefstwert. Doch es kam noch besser: 2020 war zudem ungewöhnlich arm an Elementarschäden: Die Verbandsstatistik weist nur rund 154.000 Kfz-Unwetterschäden – im wesentlichen Sturm, Hagel, Blitz und Überschwemmungen – mit einem Volumen von 350 Mio. Euro aus. Üblich sind Schadenzahlen von 850 Mio. bis 900 Mio. Euro. Somit erreichte die gesamte K-Sparte eine cb-Quote von 90 (98,4) Prozent. Das waren also zehn Cent versicherungstechnischer Gewinn je Prämien-Euro oder in der Summe knapp 2,9 Mrd. Euro.

Das war aber alles noch vor der Flutkatastrophe. Laut aktualisierter Schadenschätzung des GDV seien rund 40.000 Kraftfahrzeuge durch die Fluten beschädigt oder zerstört worden. „Der versicherte Schaden für die Kfz-Versicherer liegt bei rund 200 Mio. Euro und für die Transportversicherer bei rund 100 Mio. Euro“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Ebenfalls zu Buche schlagen verschiedene versicherte Großschäden im jeweils zweistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Insgesamt dürfte dieses Jahr mit Stürmen, Überschwemmungen, Starkregen und Hagel zum schadenträchtigsten Jahr seit 2002 werden. Damals lag der versicherte Unwetterschaden bei 10,9 Mrd. Euro. Bereits im Juni hatten Starkregen und Hagel einen geschätzten versicherten Schaden von 1,7 Milliarden Euro verursacht.

Günstiger Schadenverlauf gleich Preissenkung?

Doch so viel Gewinn weckt nach Einschätzung der DEVK Versicherungen Begehrlichkeiten bei den Kunden. DEVK-Vorstand Rüdiger Burg beobachtet bereits mit Sorge den wieder „intensiveren“ Wettbewerb in der Kraftfahrtversicherung. Die Allianz erwartet „gegebenenfalls leichte Prämien-Absenkungen, aber keine signifikanten Preiskämpfe oder Preissenkungsrunden am Markt.“

Diese Einschätzung teilt auch die Rating-Agentur Assekurata bei ihrem Marktausblick für die Schaden- und Unfallversicherer: „Kein ruinöser Wettbewerb, sondern eher eine Absenkung in homöopathischen Dosen von zwei bis drei Prozent.“ Florian Römer, Projektleiter Studien bei der V.E.R.S. Leipzig GmbH, sagt: „Einige Versicherer haben über Beitragsrückerstattungen bereits die Erträge aus 2020 an die Kunden weitergegeben. Dies könnte auch in Form einer geringeren Prämie geschehen, wenn die Versicherer mit keinem größeren Anstieg der Schadenaufwendungen rechnen. In der Vergangenheit wurden die Margen immer klein gehalten.“

Doch es gibt auch andere Töne: In einer Post-Corona-Welt mit normalisierten Frequenzen wären die Bestände „deutlich untertarifiert“, warnt die Axa. Denn: „Vor Corona, im Jahr 2019, war der Gesamt-Kfz-Versicherungsmarkt nur minimal profitabel mit einer cb-Quote von 98,4 Prozent“, so eine Unternehmenssprecherin. Die Huk-Coburg erinnert an zwei gegenläufige Effekte: „Auf der einen Seite sehen wir weiterhin steigende Schadendurchschnitte, die durch eine stetige Verteuerung der Ersatzteilpreise maßgeblich bedingt sind. Auf der anderen Seite gibt es einen langfristigen Trend sinkender Schadenhäufigkeiten, für den sicherere Fahrzeuge und verbesserte Verkehrswege verantwortlich sind.“ Beide Trends hätten Einfluss auf die Prämien. Es bleibe abzuwarten, ob und falls ja, welcher Effekt überwiege und ob die Pandemie insgesamt das Mobilitätsverhalten nachhaltig geändert hat.

Dass der Wettbewerb in K weiterhin hart ist, zeigt sich auch an der Transparenz. In die Karten lassen sich die K-Versicherer nur ungern gucken. Zwar nehmen alle 15 angefragten Gesellschaften an der Umfrage teil, aber viele beantworten für die Tabelle 1 nur die Fragen nach Beitragsaufkommen und Vertragsbestand. Die übrigen Kennzahlen müssen aus den Geschäftsberichten errechnet werden, weshalb die Angaben zur Schadenquote nur bedingt vergleichbar sind. Einige geben nämlich die Geschäftsjahresschadenquote an.


Angaben der Anbieter, eigene Berechnungen, Reihenfolge nach Bruttobeiträgen

Den Nettosaldo aus dem Jahreswechselgeschäft nennt nur ein Drittel; in den Geschäftsberichten findet sich dazu nichts. Im „heißen“ Herbstgeschäft 2020 haben die drei Huk-Coburg-Gesellschaften unter den Top-15 dazu gewonnen – in der Summe knapp 60.000 Verträge. Der LVM verbuchte ein Plus von 2.000 Verträgen, während die DEVK gut 42.000 Verträge verlor.

Grundsätzlich sind die Vertragszahlen nur bedingt vergleichbar: Die DEVK hat beispielsweise extra 86.500 Moped-Verträge aus den Daten herausgerechnet. Diese Risiken können bei anderen in den Zahlen enthalten sein. Zudem können in einem Vertrag mehrere oder besonders große (Lkw)-Risiken abgedeckt sein, wie dies bei der Kravag-Logistic der Fall sein dürfte.

Der Hochrechnung des GDV zufolge dürften die Schadenzahlungen 2020 um 9,1 Prozent gesunken sein. Nach den Überlegungen der V.E.R.S. Leipzig könnte sich die Schadenquote um 8,8 Prozentpunkte ermäßigt haben. Die größte Verbesserung bei der Bruttoschadenquote erzielte – trotz des Beitragsrückgangs – der HDI mit 16,3 Prozentpunkten. Bei den drei Huk-Coburg-Gesellschaften sank die Bruttoschadenquote zwischen 10,1 und 15,6 Prozentpunkten.

Allein die VHV kommt 2020 auf eine höhere Quote – die aber im Vergleich mit den Wettbewerbern recht günstig ist. Ihre Geschäftsjahresschadenquote (für Kfz-Haftpflicht und Kasko) für 2020 ging zwar um zwölf Prozent zurück, einschließlich der Abwicklung von Schäden aus den Vorjahren (für Kfz-Haftpflicht) stieg der Wert aber um 2,5 Prozentpunkte.

Autorin: Monika Lier

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Versicherungswirtschaft.

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