Alarmstufe Rot: HDI fürchtet sich um das deutsche Unternehmertum

Quelle: Bild von Lukas Bieri auf Pixabay

Die HDI Deutschland sieht sich von der Corona-Krise bislang wenig getroffen, fürchtet aber gesamtwirtschaftlich um das Unternehmertum. „Wir gucken mit Sorge darauf, dass die Lust auf Selbstständigkeit abnimmt“, sagte Christoph Wetzel, Vorstand der HDI Deutschland für Komposit, bei der Vorstellung der „HDI Berufe Studie 2020“.

Sein Vorstandskollege Patrick Dahmen kommentierte die Erkenntnisse der Studie drastischer: „Das ist ein Alarmaufruf. Unser Land lebt vom Unternehmertum.“ Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), forderte unter anderem mehr und gezieltere Hilfen vor allem für kleine Firmen und Soloselbständige. Sorge bereite nicht die Staatsverschuldung, sondern die Verschuldung der Unternehmen, die somit auf Jahre hinweg zu wenig investierten, was sich schlecht auf Innovation und Produktivität auswirke.

„Die Ergebnisse sind leider sehr ernüchternd, bestätigen aber den Trend in Deutschland zu weniger Selbständigkeit. Die Politik und die Gesellschaft müssen schon jetzt Anreize dafür schaffen, Selbständigkeit zu fördern – sei es durch den Abbau bürokratischer Hürden, Förderung oder einer höheren Wertschätzung von Unternehmertum in Deutschland.“

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Für ihre zweiter „Berufe-Studie“ hatte der HDI zusammen mit dem Institut YouGov im Juni/Juni 3.268 Angestellte und 365 Selbständige/Freiberufler befragt. 62,5 Prozent der befragten Angestellten, die vor der Corona-Zeit Pläne für eine berufliche Selbständigkeit hatten, will sie jetzt nicht mehr verfolgen. Jeder sechste Selbständige würde in ein Angestelltenverhältnis wechseln, wenn er die Möglichkeit dazu bekäme, und jeder siebte würde seinen Kindern nicht mehr zur beruflichen Selbständigkeit raten.

71,4 Prozent der Selbstständigen beklagen die gestiegenen finanziellen Risiken. Fast zwei Drittel von ihnen erwarten, dass es durch die Corona-Zeit zu einer Pleitewelle in Deutschland kommen wird. Dass es zu einer Insolvenzwelle kommen wird, steht für Fratzscher bereits fest, offen seien nur noch das Wann und wie viele. Dabei weist der Wirtschaftsweise daraufhin, dass das Unternehmertum in Deutschland nicht nur durch Insolvenzen in Gefahr sei, sondern auch durch mangelnde Gründertätigkeit. Der Trend der Gründungen weise seit mehr als 20 Jahren nach unten.

„Deutschland lebt von seinem Unternehmertum. Der Mittelstand und eine hohe Zahl an Neugründungen bringen neue Ideen, Fortschritt und langfristig Arbeitsplätze. Wenn viele Menschen nun Angst vor der Selbständigkeit haben, ist das eine ernste Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Denn im New Normal nach der Corona-Zeit ist besonders viel neuer wirtschaftlicher Schwung nötig, um die Folgen der Pandemie abzufedern. Dabei senden insbesondere der Mittelstand sowie Unternehmensgründungen wichtige Impulse.“

Patrick Dahmen, Vorstandsvorsitzender HDI Lebensversicherung AG

Die Erkenntnisse aus der Studie will der HDI für weitere Services und Produkte nutzen, hieß es. Sie werde keine Folgen für die Zielkundendefinition haben. „Wir möchten weiter zu unseren Kunden stehen und hier nicht shiften“, sagte Wetzel. Neben den Privatkunden sieht er die „DNA“ der Gruppe vor allem in der Versicherung für Firmen und freie Berufe. Von der wirtschaftlichen Abkühlung werde man vor allem über Umsatzpolicen in den Beitragseinnahmen betroffen sein. Er sieht aber auch Wachstumsperspektiven beispielsweise bei Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Dahmen sagte, dass man sich in der betrieblichen Altersvorsorge weiter auf den Mittelstand fokussiere und mit diesem gemeinsam nach Lösungen suchen werde, wenn bei Zahlungsengpässen eine Beitragsfreistellung von sechs Monaten nicht ausreiche.

Die Lebensgruppe hat eigenen Angaben in den ersten neun Monaten mit knapp 3,2 Mrd. Euro sechs Prozent der Beiträge eingebüßt. Für das Gesamtjahr erwartet Dahmen einen ähnlich hohen Rückgang. Die Möglichkeit der Beitragsstundung („Corona-Pause“) hätten nur 6.100 Kunden genutzt. Das Kompositgeschäft kommt nach neun Monaten auf eine Combined Ratio von 97,4 Prozent (VJ: 100,3 Prozent) – trotz Schäden aus der Betriebsschließungsversicherung (BVS) und dem „ein und anderen Großschaden“.

Der HDI hatte sich nicht dem bayerischen Kompromiss angeschlossen, sondern seine Schäden weit gehend reguliert. Von den 2.300 gemeldeten Schäden mit einem Volumen von 75 Mio. Euro seien bis Ende November 60 Mio. Euro ausgezahlt worden. Die Bedingungen waren zum 14. März geschlossen worden. Inzwischen wurde ein neuer Baustein, der Pandemie nicht per se ausschließt, aber auf amtliche Einzelverfügung und intrinsisches Schadenereignis abstellt, für alle Branchen eingeführt. Die Schäden des zweiten Lockdowns beliefen sich bisher auf 130 Fälle mit 700.000 Euro Schaden. „Die neue BSV funktioniert wie vorgesehen!“, so Wetzel.

Autorin: Monika Lier

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