Debeka-Vorständin Biederbick: „Frauen sind vielleicht manchmal noch Pionierinnen“

Ina Schneider (links) und Annabritta Biederbrick (rechts). Quelle: Debeka

Im August 2020 hat Annabritta Biederbick ihre Position als Vorständin der Debeka angetreten. Im Doppelinterview mit Ina Schneider, Hauptabteilungsleiterin und Prokuristin Krankenversicherung der Debeka, spricht sie mit VWheute über die Auswirkungen der Corona-Pandemie, über den Berufsalltag und warum Frauen in Führungspositionen noch nicht selbstverständlich sind.

VWheute: Frau Biederbick, Frau Schneider, Sie haben beide zum 1.  August 2020 in der Debeka eine neue Position angetreten. Wie waren die ersten 100 Tage soweit?

Annabritta Biederbick: Spannend, ungewohnt, neu. Und immer wieder motivierend. Als Vorständin für die Krankenversicherung sowie für Recht, Datenschutz, Compliance und Risikomanagement verantworte ich eine große Aufgabenbreite. Dank meiner hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Führungskräfte gelingt das gut. Die operativen Aufgaben von früher kann ich nun weitgehend meiner neuen Hauptabteilungsleiterin und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überlassen, denn mit ihren Fachkenntnissen beherrschen sie diese Themen durch und durch. So kann ich mich als Vorständin ganz auf die langfristigen,  strategischen Richtungs­ent­scheidungen kon­zent­rieren. Und  da steht einiges an.

Ina Schneider: Meine ersten 100 Tage hier waren großartig! Ich komme aus der Branche, bei der Debeka war es für mich gleichwohl ein Neuanfang. Den Staffelstab habe ich von Frau Biederbick als Hauptabteilungs­leiterin in der Krankenversicherung sehr gerne übernommen. Die neuen Kollegen und Mitarbeiterinnen haben mich vom ersten Tag an herzlich begrüßt und freund­lich aufgenommen. Ich lerne noch viel Neues, kann aber auch etablierte Prozesse hinter­fra­gen. Ich spüre immer wieder eine große Bereitschaft, neue Wege zu gehen, Neues auszu­probieren. Die Zusammenarbeit mit meinem Team wie auch mit meiner neuen Vorständin macht viel Spaß.

VWheute: Wie war Ihr Weg zu der aktuellen Position? Was hat Sie motiviert und angetrieben?

Annabritta Biederbick: Ich hatte zunächst für den Verband der Privaten Krankenversicherer gearbeitet und wechsel­te dann zur Debeka. Das ist jetzt 13 Jahre her, dement­spre­chend gut kenne ich das Unter­neh­men mittlerweile. Zuletzt war ich Prokuristin und Hauptab­teilungsleiterin für die operativen Themen der Kranken­versicherung. Über das Tagesgeschäft hinaus war es mir immer ein wichtiges Anliegen, die Debeka fit für die Zukunft zu machen. Das mag einfach klingen, aber auch wenn wir im Segment der Privaten Vollversicherung mit weitem Abstand Marktführer sind, müssen wir uns dennoch weiterentwickeln. Und zwar mindestens so schnell wie unsere Mitglieder, unsere Wettbewerber und die Gesellschaft, deren Teil wir sind. Als Organisation müssen wir das erst einmal verstehen und verinnerlichen.

Ina Schneider: Zur Debeka zu wechseln war für mich eine große berufliche und persönliche Veränderung. 22 Jahre lang war ich für die Versicherungskammer Bayern in München tätig, zuletzt als Bereichsleiterin für den Leistungsbereich der Krankenversicherung. Annabritta Biederbick kannte ich bereits aus unserer konstruktiven Zusammenarbeit bei der Meine Gesundheit Services Beteiligungsgesellschaft, wo wir unsere jeweiligen Gesellschafter vertreten hatten. Die Möglichkeit, zum erheblichen größeren Marktführer in der Privaten Krankenver­siche­rung zu wechseln und meine Erfahrung in der Krankenversicherung dort einzubringen, reizte mich schon sehr.

VWheute: Wie schätzen Sie das derzeitige wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Umfeld Ihrer Tätigkeit ein?

Annabritta Biederbick: Gab es jemals eine Zeit, in der das Thema Gesundheit nicht von allen Seiten umkämpft war? Ich denke nicht. Mit den politischen Themen bin ich schon seit meiner Tätigkeit beim Verband der Privaten Krankenversicherer vertraut. Man kann sagen, bestimmte politische Player haben es  der PKV nie leicht gemacht, manche zweifeln sogar unsere Existenzberechtigung an. Regulatorische Themen, die sich auch auf die Zukunft beziehen, wie beispielsweise Nachhaltigkeit im Sinne von ESG sind wichtig und erfordern unsere Aufmerksamkeit. Und die Versicherten erwarten einen ähnlich guten Service, wie sie ihn von Amazon & Co. kennen. Digitalisierung und Investitionen in einem solchen politischen Umfeld erfordern schon viel Mut.

Die Debeka konnte sich in diesem schwieri­gen Umfeld bisher gut behaupten und trotz eines insgesamt schrumpfenden Marktes wachsen. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass das weiter so bleibt. Fakt ist aber auch, dass wir durch die Pandemie gesehen haben, wie stabil – oder sogar einzigartig in der Welt – unser duales Gesundheitssystem ist. Gerade durch den Wettbewerb zwischen GKV und PKV. In Corona-Zeiten zeigt sich, wie gut wir hier dadurch aufgestellt sind und wer jetzt noch eine Einheits-Bürgerversicherung wie in Großbritannien fordert, wünscht sich am Ende solch verehrende Zustände wie dort oder in vergleichbaren Ländern? Das kann ja wohl wirklich niemand ernsthaft wollen.

Ina Schneider: Ja, Corona. Erst mussten wir alle zu Hause bleiben und von zu Hause aus arbeiten. Wir merkten: Es geht ja auch so. Und das hat in nur wenigen Monaten unsere Ein­stellung zur Arbeit verändert. Mobiles Arbeiten, mehr Videokon­fe­renzen, Verzicht auf viele Dienstreisen. Das und noch mehr wird von den meisten Menschen akzeptiert und sogar begrüßt. Dahinter liegt aber noch eine branchentypische Schwachstelle: Zu viele Versicherer arbeiten mit alten IT-Systemen. Die Kunden erwarten heute aber eine Vielzahl digitaler Anwendungen. Sie erwarten Antwortzeiten und eine Betriebsstabilität, wie sie sie von den besten Apps sämtlicher Branchen kennen. Die Antwort für die Private Krankenversicherung kann da nur lauten: Wir brauchen dringend firmenübergreifende Plattformen mit großer Reichweite, die wir in einem gemeinsamen Kraftakt entwickeln. Zum Glück ist die Debeka als größter privater Krankenversicherer dabei aber schon sehr weit.

VWheute: Was bedeutet die aktuelle Situation nun konkret für die Debeka? Wie gehen Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich vor?

Annabritta Biederbick: Konkret und kurzfristig heißt das erst einmal, Corona gut im Blick zu behalten. Das Mobile Arbeiten haben wir ja in Rekordzeit eingeführt. Dank unseres konsequenten Notfall­ma­nagements ist die Debeka bisher von Corona weitgehend verschont geblieben. Nun führen wir sukzessive Prozesse ein, die auch ohne äußere Zwänge zu einer modernen Arbeitswelt passen, wir nennen das New Work. Wir sprechen über eine neue Führungskultur, Raum­kon­zepte, Workspace-Modelle, mehr Mitarbeiter-Verantwortung und eine zeitgemäße Fehlerkultur. Wir werden da viel Neues ausprobieren und umsetzen.

Über allem stehen jedoch unsere Mitglieder. Wichtig ist mir daher ganz besonders, dass wir alle wesentlichen Entscheidungen aus der Mitglieder- und Patientenperspektive betrachten und bewerten. Die Debeka ist ein genossenschaftlich geprägter Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Für uns ist es schon immer selbstverständlich, dass sich alles um unsere Mitglieder dreht. Daher halte ich die Einführung einer Gesundheits- und Patientenakte, die durch die bessere Vernetzung eine qualitativ hochwertige Medizin ermöglicht, für besonders wichtig. Der damit einherge­hen­de digitale „Kundenschreibtisch“ für schnelle und einfache Kundenprozesse wie Kostenerstattung, Vertragsverwaltung und Abruf von Gesundheitsdienstleistungen sind für mich zukunftsweisende Themen. Datenschutz ist dabei ein hohes Gut; die Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen versteht sich von selbst.

Ina Schneider: Bei diesen Themen habe ich ja den Staffelstab von Annabritta Biederbick als Hauptabtei­lungs­­leiterin in der Krankenversicherung übernommen und setze ihre erfolgreiche Arbeit gerne fort. Mit dem Wechsel zur Debeka hat sich mein früherer Fokus auf Leistung Kran­kenversicherung erweitert um die Themen Vertrag, Gesundheitsmanagement, Koope­ra­tio­nen sowie die fachliche Führung der sieben Leistungszentren im gesamten Bundesgebiet. Das bietet viele Ansätze, um Themen wie Kundennutzen, Kundenschreibtisch, schlanke Prozesse und die Patientenakte in den Mittelpunkt zu stellen.

Zum Stichwort Plattform: Mit Meine Gesundheit (MGS), der gemeinsamen Gesundheits­plattform von  Debeka, AXA, HUK und Versicherungskammer, ist die Debeka  gut aufgestellt. Unsere App Meine Gesundheit ist beliebt und bringt  uns bereits sehr gutes Kundenfeedback ein. Damit das weiter so bleibt, werde ich von fachlicher Seite aus zur Überholung der entsprechenden Backend-Systeme beitragen.

VWheute: Sie sind beide Frauen in Führungspositionen. Ist das mittlerweile selbstverständlich?

Annabritta Biederbick: Schön wär’s, als ich Vorständin wurde, titelte die Süddeutsche Zeitung: „Seit 70 Jahren die erste Frau im Vorstand.“ Frauen sind vielleicht manchmal noch Pionierinnen, aber auch wir bei der Debeka machen große Schritte. Diversität macht Unter­nehmen erfolgreicher, weil vielfältige Sichtweisen zu qualifizierten Debatten und damit besseren Entscheidungen führen. Das ist nicht nur meine Überzeugung, sondern mittler­weile auch empirisch erwiesen. Gleichförmigkeit und Konformität führen zu Stagnation. Für echte Entwicklung und Kreativität braucht es Vielfalt und Kontroversen.

Ina Schneider:  Wohl wahr. Mein Weg hierhin war nicht einfach. Meinen Kindern und kommenden Generation wünsche ich, dass wir bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bei fairen leistungsbe­zo­genen Gehältern ohne Diskriminierung sowie gleichen Entwicklungschancen nach Eignung deutlich besser und durchlässiger werden. Das in die Tat umzusetzen ist unsere Aufgabe. Es ist an der Zeit. Auch dafür treten wir an.

Autor: VW-Redaktion

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