„Corona-Krise wird sich je länger sie dauert umso positiver auf digitale Vertriebsmodelle auswirken“

Oliver Lang, CEO von One. Quelle: One

Die aktuelle Corona-Krise könnte sich positiv auf die digitalen Beratungs- und Vertriebsmodelle auswirken. „Je länger die Krise dauert, desto permanenter werden Verhaltensänderungen sein“, konstatiert ONE-Chef Oliver Lang im Exklusiv-Interview mit VWheute.

VWheute: Insurtechs sind die neuen Player im Big-Data & KI-Business. Doch welche Daten werden genau gezogen, was wird damit gemacht und wer verarbeitet sie?

Oliver Lang: Nicht alle digitalen Player setzen auf Big-Data. Viele Insurtechs sammeln keine anderen Daten als traditionelle Versicherungen. Andere wiederum versuchen, die Daten, die Versicherungen traditionell von ihren Kunden abfragen, aus anderen Quellen zu ziehen. Wieder andere sammeln neuartige Daten um Betrug zu vermeiden, Schäden schneller zu regulieren oder ein noch differenziertes Pricing zu erstellen.

ONE erfasst dynamische Daten vom Smartphone der Kunden und zahlreichen anderen Quellen um nach einem Schadenfall Muster zu erkennen, die zum Schaden geführt haben. Die Daten der Kunden werden daraufhin in Echtzeit auf diese Muster durchsucht. Sollte ein gefährliches Muster erkannt werden, warnt ONE den Kunden und versucht, den Schaden im Vorfeld zu vermeiden.

VWheute: Broker und Kunden sind verunsichert. Wie sieht es mit dem Datenschutz auf Makler und Kundenseite aus?

Oliver Lang: Wir gehen davon aus, dass alle Versicherer und Insurtechs den Datenschutz genau so ernst nehmen wie ONE. Das größte Risiko für den Datenschutz sitzt vor dem Computer. One achtet entsprechend darauf, dass nur Personen Zugriff auf Daten haben, die das aufgrund ihrer Aufgabe unbedingt müssen.

Es werden strenge Zugriffsrechte vergeben. Mitarbeiter mit Zugriff auf die Daten müssen strenge Mindestanforderungen an Passwörter einhalten. Selbstverständlich werden die Daten auch vor dem Zugriff von Angreifern geschützt. Zuletzt werden Daten nur anonymisiert gespeichert, sodass sie selbst bei Verlust nicht einzelnen Kunden oder Maklern zugeordnet werden können.

VWheute: Versicherungsprodukte in Echtzeit – jetzt und in Zukunft. Welche Rolle spielt ONE? Was erwartet die Branche?

Oliver Lang: Versicherungen in Echtzeit kommen gerade in vielen Formen auf den Markt, z.B. als Pay-as-you-Drive Autoversicherungen, die nur die Minuten abrechnen, in denen Sie fahren oder als Versicherungen, die nur während der Nutzung eines E-Scooters oder eines Airbnb Apartments “eingeschaltet” werden.

ONE hat die erste GPS-basierte Reisegepäckversicherunge Travel Smart entwickelt, die sich automatisch bei Abreise an einem Flughafen an- und nach Rückkehr wieder abschaltet. Ich rechne damit, dass kurz- und mittelfristig Echtzeit-Versicherungsprodukte an Popularität gewinnen werden.

Langfristig werden sich die Erfahrungen aus den Echtzeitprodukten aber in eine andere Lösung übersetzen: einen umfassenden Versicherungsschutz, dessen einzelne Module nur dann abgerechnet werden, wenn der Kunde sich in Gefahr begibt. Wir nennen diese Lösung “One Police”. Sie umfasst prinzipiell alle Risiken, denen ein Kunde ausgesetzt ist. Sie analysiert laufend das Risiko eines Kunden und berechnet einen dynamischen monatlichen Preis, der dieses Risiko widerspiegelt.

VWheute: Welchen Einfluss hat die Datenerhebung und -nutzung auf den Vertrieb von Versicherungsunternehmen? Welche Vorteile können besonders Makler daraus ziehen?

Oliver Lang: Die Datenerhebung kann die Situation für Makler signifikant verbessern. Wenn Versicherungen die Daten dafür benutzen, Informationen über die Kunden einzuholen, die aktuell vom Makler mühsam abgefragt werden müssen, spart der Makler im Abschlussprozess signifikant Zeit.

Wenn die Daten darüber hinaus verwendet werden, Änderungen bei Kunden (z.B. einen Umzug) zu erfassen, spart der Makler auch bei der Verwaltung von Verträgen Zeit. Zuletzt können Daten dafür verwendet werden, dem Makler wertvolle Hinweise zu Ereignissen im Leben seiner Kunden zu geben, die eine Anpassung des Versicherungsschutzes und damit sein Eingreifen erfordern.

VWheute: Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Corona-Krise: Können digitale Geschäfts- und Vertriebsmodelle angesichts der aktuellen Epidemie profitieren? Und welche Auswirkungen sehen Sie für den physischen Vertrieb?

Oliver Lang: Die aktuelle Corona-Krise wird sich je länger sie dauert, umso positiver auf digitale Geschäfts- und Vertriebsmodelle auswirken. Versicherungen, die im Abschlussprozess noch auf manuelle Tätigkeiten bauen, werden nicht mehr in der Lage sein, Anträge zu bearbeiten. Volldigitale Antragsprozesse sind dagegen auch ohne Mitarbeiter 24 Stunden am Tag verfügbar.

Versicherungen mit stark manuellen Schadenprozessen und physischen Schadenakten werden keine Schäden mehr bearbeiten können, wenn die Mitarbeiter von Zuhause aus arbeiten müssen. Digitale Versicherungen dagegen werden weiterhin Schäden bearbeiten. Wir sehen heute bereits Verzögerungen bei der Antrags- und Schadenbearbeitung einiger traditioneller Versicherungen. Digitale Versicherungen wie ONE arbeiten dagegen auch in der Corona-Krise wie immer.

Der physische Vertrieb leidet ebenfalls bereits jetzt – nur Tage nach dem Beginn der Krise. Kunden wollen nicht mehr ins Maklerbüro kommen und auch nicht vom Makler besucht werden. Neuabschlüsse in Leben- und Krankenversicherungen gehen dramatisch zurück. Die Wechselquote der Kunden in Komposit sinkt, weil Kunden von ihren Maklern nicht mehr beraten werden können.

Makler, die moderne Kommunikationsmittel wie Telefon, E-Mails, Messaging oder Videokonferenzen anwenden sind klar im Vorteil und werden zu den großen Gewinnern der Corona-Krise zählen. Sie benötigen aber Unterstützung von den Versicherungen. Produkte müssen vereinfacht und Antragsstrecken verkürzt werden, um die Kommunikation über elektronische Kanäle zu erleichtern. Einfach Produkte zu nehmen, die in der analogen Welt funktionieren und zu hoffen, dass diese auch über die elektronischen Vertriebswege funktionieren, ist naiv. Hier sind die Versicherer gefordert.

VWheute: Welche Folgen sehen Sie insgesamt für die Branche und den klassischen Maklervertrieb durch die aktuelle Corona-Epidemie?

Oliver Lang: Wenn die Krise nur kurz dauert, wird die Industrie vermutlich schnell in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Je länger die Krise dauert, desto permanenter werden Verhaltensänderungen sein. In diesem Fall werden sich Kunden daran gewöhnen, Versicherungen ohne persönlichen Kontakt abzuschließen. Die neutrale Beratung von Maklern wird weiterhin gefragt sein. Sie wird aber vermehrt über elektronische Medien stattfinden.

Versicherungen werden ihre Produkte und Prozesse an die elektronische Beratung bzw. die digitale Verwaltung von Versicherungsverträgen anpassen müssen. Wir werden Dunkelverarbeitungsquoten von 80 Prozent und mehr sehen. Prozesse werden in Echtzeit und fallabschließend erledigt werden.

ONE hat mit den Wechseltarifen in Hausrat, Haftpflicht und Kfz gezeigt, wie Versicherungsprodukte auf elektronische Kommunikation zwischen Makler und Kunden optimiert werden können. Das Wertversprechen an den Kunden ist so einfach und einleuchtend, dass die Tarife bequem übers Telefon beraten werden können.

Die Abschlussstrecke ist bis zu 80 Prozent kürzer als bei herkömmlichen Tarifen. Die Dunkelverarbeitungsquote beträgt bei ONE 94 Prozent. In fast allen Fällen kann dem Makler und dem Kunden somit innerhalb von 100 Millisekunden eine fallabschließende Antwort gegeben werden. So sehen Produkte für den modernen Makler aus.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.

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