ETF: „Kosten sind der einzig kontrollierbare Faktor“

Markus Weis, Deputy Head Germany & Austria bei Vanguard. Quelle: Vanguard

Immer mehr Versicherungen nehmen ETFs in ihr Fondssortiment auf. Warum das richtig ist und was Anleger beachten sollten, erklärt Markus Weis, stellvertretender Leiter für das Geschäft in Deutschland und Österreich beim Indexfonds-Pionier Vanguard.

VWheute: In kurzen Worten, welche Vorteile bietet ein ETF gegenüber einem normalen Investmentfonds und warum ist er für Versicherer lohnend?

Markus Weis: Niedrige Kosten, breite Streuung und hohe Transparenz. Nur den wenigsten aktiven Managern gelingt es dauerhaft, den breiten Markt auch nach Abzug der regelmäßig höheren Kosten für Investmentfonds zu schlagen. Über die Jahre verursachen diese Kosten erhebliche Ertragseinbußen. Hinzu kommt, dass ETF-Anleger jederzeit genau wissen, wie sie investiert sind – nämlich breit gestreut und entsprechend des jeweils zu Grunde liegenden Kapitalmarkt-Index. Wegen dieser Eigenschaften eignen sich ETFs besonders für die langfristig orientierte Kapitalanlage, gerade auch im Versicherungsmantel.

VWheute: Es gibt auch negative Stimmen. ETFs würden beispielsweis bei Crashs versagen, wären teurer als Aktien und verstärken Kursbewegungen. Was sagen Sie dazu?

Markus Weis: Nichts davon ist so richtig. Naturgemäß büßt ein ETF zwar im Falle eines Crashs ebenso viel ein wie der Index, auf den er sich bezieht. Aber das gilt auch für viele aktiv verwaltete Fonds. Und diejenigen, die erfolgreich Verlustvermeidung betreiben, erkaufen diese in aller Regel dadurch, dass sie dem Markt, und damit ETFs, in Aufwärtstrends hinterherlaufen. Denn das perfekte Market-Timing gelingt selten, vielleicht auch nie. Was den Vorwurf betrifft, ETFs verstärkten Kursbewegungen, bleibt festzustellen: Ein Großteil der Indexinvestoren ist – so wie es sein soll – langfristig orientiert. Das manifestiert sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass ETFs zwar mittlerweile einen Anteil von rund 15 Prozent des globalen Anlagevolumens auf sich vereinen, ihr Anteil am Aktienhandel aber weit darunter liegt. In den USA etwa tragen sie nur rund 5 Prozent zum Aktienhandel bei.

VWheute: Wie verbreitet sind ETFs bei Versicherern, wie können sie diese nutzen, wenn eingestiegen werden soll?

Markus Weis: ETFs erfreuen sich als Baustein innerhalb von Altersvorsorgepolicen aus den genannten Gründen einer stetig wachsenden Beliebtheit: Sie sind kosteneffizient und passen mit ihrem langfristigen Anlagehorizont gut zu Altersvorsorgeprodukten. Immer mehr Versicherungen nehmen sie daher in ihr Fondssortiment auf. Bei unserem Kooperationspartner Alte Leipziger beispielsweise entscheiden sich bereits 50 Prozent der Kunden bei fondsgebundenen Altersvorsorgetarifen für eine Anlage in ETFs. In der Abwicklung gibt es dabei keinerlei Unterschiede zu herkömmlichen Investmentfonds.

VWheute: ETFs bilden Indizes ab, auf was sollten Versicherer bei der Auswahl achten?

Markus Weis: Hier sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Zunächst: Wenn es um die langfristige Kapitalanlage geht, sollten Anleger auf breit gestreute Indizes setzen und sich nicht von Nischen-ETFs locken lassen, die einem bloßen Trend entsprungen sind. Heute gibt es für jedes Modethema den passenden ETF. Doch diese Produkte zeichnen sich vielfach durch geringe Diversifizierung, begrenzte Liquidität und vergleichsweise hohe Kosten aus. Damit sind sie für mich für die langfristige Kapitalanlage nicht geeignet. Wir konzentrieren uns daher ausschließlich auf breit streuende Kerninvestments in den Anlageklassen Aktien und Renten. Wie immer bei der Geldanlage spielen außerdem die Kosten eine entscheidende Rolle – verschiedene Index-Anbieter berechnen unterschiedliche Lizenzgebühren. Wir haben uns daher größtenteils für FTSE-Indizes statt der geläufigeren MSCI-Familie als Basis entschieden. Erstere sind nicht nur günstiger, sondern gleichzeitig breiter diversifiziert.

VWheute: Wären ETFs auch noch lohnend, wenn es für Anleihen wieder attraktivere Zinsen geben sollte – auch wenn es danach nicht aussieht?

Markus Weis: Auf jeden Fall. Zu den fundamentalen Prinzipien erfolgreicher Vermögensanlage zählt seit jeher eine breite Streuung über Anlageklassen hinweg. Schließlich schwankt die Wertentwicklung einzelner Marktsegmente oft spontan und ohne erkennbare Muster. Das gilt nicht nur für die Aktien- sondern auch für die Anleihenmärkte. Eine Balance, die an Renditeerwartungen und Risikobereitschaft des Anlegers orientiert ist, ist daher unabhängig vom jeweiligen Marktumfeld entscheidender Schlüssel zum Erfolg. Ein einfacher und unter professionellen Investoren wie auch Privatanlegern zunehmend beliebter Weg an die Anleihemärkte ist übrigens ebenfalls ein ETF-Investment.

VWheute: Vanguard ist seit knapp zwei Jahren in Deutschland tätig, wie ist das Fazit, sind die Deutschen die größten Aktienmuffel des Planeten?

Markus Weis: Wir sind 2019 das erste vollwertige Jahr im deutschen Markt, nachdem wir unser Büro im Juni 2018 eröffnet und das Team seitdem auf bald elf Mitarbeiter ausgebaut haben. Als erstes Fazit ist klar zu sagen, dass unsere Erwartungen bei weitem übertroffen worden sind, und wir freuen uns, von Kunden einen so positiven Zuspruch und so großes Vertrauen erhalten zu haben. Aber es bleibt viel zu tun: Unsere Mission ist es, den Markt für alle Anleger zu demokratisieren, und hier gibt es noch viel Bedarf in Deutschland. Die deutschen Bürger sind nicht genug im Kapitalmarkt investiert. Aktienmuffel hin oder her – in dem Niedrigzinsumfeld, in dem wir uns befinden, muss sich das ändern, so dass der Sparer die dritte Säule aktiv selbst bilden kann. Hier müssen wir helfen.

VWheute: Was wünschen Sie sich für den ETF-Markt und womit rechnen Sie in den kommenden drei Jahren?

Markus Weis: Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen sich den klaren Vorteilen von ETFs zuwenden: langfristige Ausrichtung, breite Diversifizierung, transparente Aufstellung und günstige Investition. Grundsätzlich muss der Sparer ein Gefühl für Kosten in der Geldanlage entwickeln, denn dies ist der einzige für ihn kontrollierbare Faktor. Und hier ist der ETF ein tolles Produkt, solange er für diesen Zweck gebraucht wird. Wir gehen auch davon aus, dass es in den kommenden Jahren mehr und mehr Themen- und Nischen-ETFs geben wird, eventuell auch noch gehebelt, doch diese Produkte eignen sich nicht oder nur sehr bedingt für den Endkunden

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.