Ein Headhunter über Versicherer: „Abwerben von bestimmten Kandidaten ist Tagesgeschäft“
Jan Hauke Krüger ist ein auf die Versicherungsbranche spezialisierter Headhunter. Seit zwölf Jahren am Markt, seit fünf Jahren unter eigener Marke. Im Interview mit VWheute verrät er die speziellen Wünsche seiner Auftraggeber, die Kompetenzen der Bewerber und welche Tools er zur Recherche einsetzt.
VWheute: Wie Sie sind dazu gekommen, Headhunter zu werden?
Jan Hauke Krüger: Speziell diese Tätigkeit kommt meinem Naturell sehr entgegen. Zudem war ich in verschiedenen beruflichen Bereichen langjährig als Führungskraft tätig, habe Spaß und Erfolg im Vertrieb, hohes Interesse am einzelnen Menschen und bin gerne Dienstleister.
VWheute: Gibt es viele Headhunter, die sich auf Versicherungsunternehmen spezialisiert haben?
Jan Hauke Krüger: Es gibt ein paar, die sich spezialisiert haben. Gleichzeitig gehen manche Berater aus dem Markt, andere suchen sich weitere Geschäftsfelder. Unter denen, die sich langjährig erfolgreich positioniert haben, gibt es selten Berührungen. Oft sind es ganz persönliche, recht lange Geschäftsbeziehungen, manchmal sind mehrere Berater für die gleiche Firma tätig, wenn auch in unterschiedlichen Projekten. Etwas aus der Zeit gefallen sind Aufträge, die von mehreren Beratern gleichzeitig bearbeitet werden. Meistens entscheidet der Charakter auf beiden Seiten, manchmal auch der situative Erfolg.
VWheute: Wie sieht derzeit die Situation auf dem Stellenmarkt der Versicherungsbranche aus?
Jan Hauke Krüger: In der Gewerbe- und Industrieversicherung gibt es zunehmend mehr Vakanzen, die Menge an geeigneten Kandidaten ist meistens überschaubar. Auf der Kundenseite geht man damit zum Teil konstruktiv um, man zeigt sich flexibler. Auch wir als Berater nehmen die Marktverschiebungen wahr und adjustieren unsere Tätigkeitsbereiche. Mein Target ist der gesamte mittlere Bereich, die Tendenz geht aber zu hoch qualifizierten und gut bezahlten Fachkräften sowie verstärkt zu Führungskräften auf Entscheiderebene.
VWheute: Haben Sie das Gefühl, dass die Auftraggeber vielleicht zu hohe Ansprüche haben?
Dass unsere Branche eine hohe fachliche als auch vertriebliche Substanz braucht, ist unbestritten: die Komplexität inklusive der gesetzlichen Grundlagen ist enorm, der Vertrieb hat selbst innerhalb der Branche nicht den angemessenen Stellenwert (beides ist gut am Scheitern vieler Start-ups zu beobachten). Flexible Unternehmen behelfen sich, indem sie in die Qualifizierung on-the-job investieren, sei es bei aktuellen oder neuen Mitarbeitern. Einige Profile sind selten, manche Region/Profil/Gehalts-Kombination ist, jedenfalls zurzeit, wirklich rar.
VWheute: Grundsätzlich: Muss das mittlere Management besser ausgebildet sein für die heutigen Anforderungen?
Jan Hauke Krüger: „Heutige Anforderungen“ sind auch nur ein Zwischenergebnis von sich verändernden Situationen, weder ist das Alte morgen falsch noch das Neue immer richtig: Angemessen auf Situationen zu reagieren, stellt Menschen vor hohe Veränderungsarbeit. Alles andere sind plakative Parolen, die „nice“ klingen. Grundsätzlich ist die Bandbreite an Managementkompetenz beeindruckend, nicht nur in der Mitte. Und es sind sowohl die Methoden und Skills als auch eine Haltung, die den Unterschied macht.
VWheute: Spüren Sie auch vermehrt, dass Ihre Auftraggeber speziell nach IT-Fachkräften suchen?
Jan Hauke Krüger: Nicht wirklich, wobei „die IT“ ein sehr breites Segment umfasst und unsere Branche in einem starken Wettbewerb steht.
VWheute: In manchen Segmenten wechseln Vorstandsmitglieder zum direkten Konkurrenten. Wie finden Sie das?
Jan Hauke Krüger: Dies betrifft eine kleinere Anzahl von Gesellschaften, wobei manche Entscheidungen nachdenklich machen und auch falsche Signale an die nachfolgenden Reihen senden.
VWheute: Haben Sie schon Aufträge erhalten, bei denen es nur Ziel war, einen bestimmten Kandidaten abzuwerben?
Jan Hauke Krüger: Ab und an ist das Tagesgeschäft, wobei man nicht immer begeistert ist, wenn man sich dann näher kennenlernt.
VWheute: Mit was lockt man gute Kandidaten? Ist Geld immer noch das wichtigste für die meisten?
Jan Hauke Krüger: Es ist die neue Herausforderung, das interessante Angebot, der nächste, richtige Schritt. Geld ist immer wichtig und meistens auch vorhanden.
VWheute: Mussten Sie bereits Aufträge aufgeben, weil es auf dem Stellenmarkt keinen passenden Kandidaten gab?
Jan Hauke Krüger: Insbesondere zwei lange Suchen fallen mir ein, mit einer Dauer von jeweils ca. 1,5 Jahren. Man sollte also immer wieder die Situation und das Profil besprechen.
VWheute: Welche Recherchetools setzen Sie ein, um einen passenden Kandidaten zu finden?
Jan Hauke Krüger: Im Wesentlichen das Telefon, das eigene Netzwerk und Social-Media-Plattformen. Stellenanzeigen sorgen für Aufmerksamkeit und, ab und an, auch für Überraschungen.
VWheute: War es für Headhunter vor 20 Jahren ohne Internet und soziale Netzwerke, schwieriger Kandidaten zu finden?
Jan Hauke Krüger: Die neuen Kommunikationsformen helfen ungemein, die Nutzungsbreite an der Dienstleistung ist dadurch erheblich gewachsen. Vermutlich war die Anzahl der Transaktionen geringer, die Geschwindigkeit war eine andere, die demografische Situation auf jeden Fall. Es war deutlich responsiver und zum Teil auch eher auf Selektion aus. Heute geht es um die passgenaue Suche eher passiver Kandidaten in sehr engen Märkten. Zusätzlich ist die Anzahl an diesbezüglichen Gesetzen und unternehmensinterner Vorschriften stark gestiegen.
VWheute: Warum werden Sie beauftragt? Schaffen es ihre Auftraggeber nicht, selbst über Stellenanzeigen gute Leute zu akquirieren?
Jan Hauke Krüger: Personalberater sind seit Jahrzehnten eine gängige, ergänzende Beschaffungskapazität, auch in hoch kommunikativen und gefühlt transparenten Branchen wie der unseren. Zum Teil sind wesentliche Besetzungen allein auf die proaktive Idee eines Beraters zurückzuführen. Bei richtiger Auswahl der Geschäftspartner ist das Learning aufseiten der Kunden über den einzelnen Rekrutierungserfolg hinaus erheblich.
VWheute: Wie sieht Ihrer Meinung nach eine gute Stellenanzeige aus und was sollte vermieden werden?
Jan Hauke Krüger: Hierzu gibt es ja fast täglich neue Antworten. Es gibt Tendenzen, abhängig vom Brand der Company, dem Stellenprofil, der jeweiligen Medianutzung der Zielgruppe etc. Schlagworte sollen dabei ein erstes gemeinsames Verständnis vermitteln. Aber ob, wann und wie jemand reagiert, hängt ganz entscheidend von ihm selbst ab. Für eine erste Orientierung und zielgerichtete Verbreitung reichen klare Formulierungen; damit beginnt doch erst die Kommunikation, die dann am besten unmittelbar geführt wird, und das funktioniert dann auch.
VWheute: Wie sehen Sie die Zukunft der Versicherungsbranche?
Jan Hauke Krüger: Insgesamt sprechen wir über eine stabile Branche, die vielen Menschen eine berufliche Heimat gibt und ihr Leben prägt. Wir managen Risiken, nutzen unterschiedlichste Informationen, agieren regional wie global. Unser Handeln sollte m.E. deutlich stärker nach außen getragen werden: Wir sind ganz nah am Einzelnen in seinem zunehmend digital-gestützten Lebensmodell als auch wesentlicher Teil des Ganzen, mit vielfältigen Leistungen und Beiträgen zur gesamtgesellschaftlichen Prosperität.
Die Fragen stellte VW-Redakteur David Gorr.