GDV-Unfallforscher Brockmann: „Die Leute sollen bloß nicht glauben, sie hätten alles im Griff“

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Der bekannte GDV-Unfallforscher Siegfried Brockmann tritt nach 17 Jahren im Amt mit 65 Jahren in den Ruhestand. Im Interview mit dem Tagesspiegel sprach der Experte über Verkehrssicherheit, Aggression auf deutschen Straßen und technischen Fortschritt.

„Die Technik entwickelt sich zwar immer noch weiter, aber im Vergleich zu Meilensteinen wie Gurtpflicht, Antiblockiersystem und Airbags sind die Sprünge kleiner geworden, und die Physik lässt sich auch weiterhin nicht überlisten“, erklärt Brockmann. Wovon man aktuell profitiere, sei die Veränderung der Arbeitswelt seit Corona. Der Verkehr hat dadurch abgenommen.

Allerdings gebe es auch gegenläufige Entwicklungen wie das Phänomen der leisen E-Autos, deren Beschleunigung die Leute nachgewiesenermaßen unterschätzen. „Das ist brandgefährlich, wenn Autofahrer wie so oft an dunkelgelben Ampeln noch mal aufs Gaspedal treten“, erklärt Brockmann. „Paradox ist die Entwicklung auch beim Radverkehr, bei dem eine bessere Infrastruktur ihren Vorteil in gewisser Weise selbst auffrisst – einfach dadurch, dass mehr Leute Rad fahren.“

Der Experte schließt aus, dass es in der Hauptstadt Berlin irgendwann keine Verkehrstoten mehr geben wird, selbst wenn man den Autoverkehr verböte. „Aber wenn man es ernst meint mit der Vision Zero, dann kann man nicht die Ampeln für die Leistungsfähigkeit von Kreuzungen optimieren, wie der Berliner Senat es tut.“

Vision Zero sei nicht das Modewort, als das sie verwendet wird, sondern eine Abwägung, bei der im Zweifel die Verkehrssicherheit vorgehe. Diesen Anspruch sieht Brockmann in der deutschen Hauptstadt „sehr begrenzt“ erfüllt.

Seiner Meinung nach funktioniere der Straßenverkehr am besten, wenn sich alle an die Regeln halten. „Der Radfahrer, der auf dem leeren Gehweg fährt, kann nicht wissen, ob aus dem nächsten Hauseingang ein Fußgänger kommt. Der Autofahrer, der legal mit Freisprecheinrichtung telefoniert, ahnt gar nicht, wie sehr er dadurch abgelenkt ist“, sagt Brockmann im Tagesspiegel. „Die Leute sollen bloß nicht glauben, sie hätten alles im Griff. Wer 20 Jahre unfallfrei gefahren ist, muss sich im Klaren sein, dass das morgen vorbei sein kann.“

Autor: VW-Redaktion