Aufstocken der Betriebsrente bei Teilzeit: Überstunden können zu Mehrleistung führen

Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Quelle: BAG

Der Anspruch auf eine – arbeitgeberfinanzierte – Betriebsrente ist häufig an das reguläre Gehalt und die damit verbundene reguläre Arbeitszeit gebunden. Doch was passiert, wenn ein Teilzeitbeschäftigter regelmäßig und ständig Überstunden macht, weil er z.B. mit einem geringen Stundenkontingent plus Abrufmöglichkeit angestellt ist? Ist er dann so zu stellen, als hätte er mehr reguläre Stunden und damit eine höhere Bemessungsgrundlage für seine Betriebsrente?

Das Bundesarbeitsgericht (23.02.2021 – Az.: 3 AZR 618/19) hat das nun bejaht und stützt sich dabei auf den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Beschäftigte arbeitete bei der LSG, dem Caterer der Lufthansa. Es galten für die Vergütung und Betriebsrente entsprechende Tarifverträge.

Der Fall

Der Beschäftigte war seit 2002 für 40 Stunden pro Monat angestellt und einvernehmlich konnte bei höherem Arbeitsanfall die Stunden auf Abruf einvernehmlich erhöht werden. Von 2005 bis 2016 konnte der Beschäftigte nachweisen, dass er immer teilweise weit über 100 Stunden im Monat zeitweise bis zur Vollzeit gearbeitet hatte.

Der Tarifvertrag für die Betriebsrente, der bis zum 31.12.2015 galt, regelt spezifisch für diesen Personenkreis folgende Bemessungsgrundlage für die Betriebsrente: „Für Mitarbeiter auf Abruf bei der LSG gemäß Manteltarifvertrag für Mitarbeiter zur Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall die Vergütung für die vertraglich vereinbarte Grundarbeitszeit (Stundenvolumen) zuzüglich des anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes und des anteiligen Zuschlags zum Urlaubsgeld gemäß Vergütungstarifvertrag für Mitarbeiter auf Abruf bei der LSG“, d.h. es wurde nur die Grundvergütung für die vereinbarten 40 Stunden pro Monat berücksichtigt – nicht die verstetigten Überstunden.

Der Beschäftigte klagte dagegen und forderte, dass sein Arbeitgeber bei der Berechnung seiner Jahresrentenbausteine für den Zeitraum von Einstellung bis 31.12.2015 als rentenfähiges Einkommen die Vergütung für die tatsächlich von ihm geleisteten Stunden bis zum Monatsstundenvolumen eines Vollzeitarbeitnehmers zugrunde zu legen hat. Er werde gegenüber Mitarbeitern in Vollzeit benachteiligt, da bei diesen deren monatliche Grundvergütung berücksichtigt werde, während bei ihm nur ein Teil der Vergütung für seine monatliche Arbeitszeit Berücksichtigung fände. Die einschlägige Regelung des Tarifvertrages verstoße gegen die zeitratierliche des § 4 Abs. 1 Satz 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) und Art. 3 Abs. 1 GG.

Das Urteil

Der Leitsatz des Pensionssenates lautet: Es verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien regelhafte und verstetigte Zusatzarbeit nicht für betriebsrentenfähig erklären, wohl aber die für gleiche Arbeitszeit an andere Arbeitnehmer gezahlte Grundvergütung.

Der dritte Senat erklärte die Teilnichtigkeit der entsprechenden tarifvertraglichen Regelung aufgrund des Verstoßes gegen Art 3 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Dementsprechend ist Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen. Dies war hier nach Auffassung der obersten Richter der Fall. Einen sachlichen Grund für die Differenzierung zwischen „Abruf“-Beschäftigten und Beschäftigten mit fest vereinbarter Arbeitszeit sahen die Richter nicht.

Das BAG unterstreicht nochmal, dass es zulässig ist, im Rahmen der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung nur an bestimmte Entgeltbestandteile anzuknüpfen. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, können der Arbeitgeber und auch die Tarifvertragsparteien die Höhe der Versorgung frei bestimmen. Sie sind auch nicht gehalten, alle Entgeltkomponenten in die Berechnung der Versorgungsbezüge einzubeziehen

Daher spricht grundsätzlich nichts gegen die Regelung des Tarifvertrags, wonach das rentenfähige Einkommen auf die jeweilige Grundvergütung begrenzt wird. Wird dementsprechend nur im Umfang der tariflich regelmäßigen oder der vertraglich vereinbarten Grundarbeitszeit gearbeitet bzw. Mehrarbeit in Form von Freizeit ausgeglichen, werden alle Arbeitnehmer – auch Arbeitnehmer „auf Abruf“ – in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung gleichbehandelt. Gleiches mag gelten, wenn Arbeitnehmer „auf Abruf“ gelegentlich und nicht regelhaft Zusatzarbeit leisten.

Maßstab für das rentenfähige Einkommen ist die Vergütung, die für die vertraglich vereinbarte Grundarbeitszeit (Stundenvolumen) – zzgl. des anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes und des anteiligen Zuschlags zum Urlaubsgeld – geschuldet wird.

Fazit: Tarifvertrag schützt vor Nachzahlung nicht! Zwar gilt für Tarifverträge nicht die Inhalts- und Billigkeitskontrolle, wie z.B. im Falle von Betriebsvereinbarungen, aber Verstöße z.B. gegen tragende Säulen des Arbeitsrechts werden auch im Falle von Tarifverträgen „geahndet“.

Das Urteil kann durchaus hohe Tragweite entfalten und gilt natürlich nicht nur für tarifvertragliche Regelungen, sondern für alle Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung. Denn in vielen Betrieben fallen regelmäßige und verstetigte Überstunden an. Betroffene mit arbeitgeberfinanzierten Versorgungen, die an der Grundvergütung anknüpfen, sollten daher ihre Regelungen und die Praxis überprüfen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das auch Fallkonstellationen betreffen könnte, in denen der Arbeitgeber Vollzeit-Arbeitsverträge mit unterschiedlicher Stundenausstattung abgeschlossen hat (z.B. 38 und 42 Stunden). Ist dann bei verstetigten Überstunden eines Beschäftigten mit 38-Stunden-Vertrag als Vergleich der Beschäftigte mit 42 Stunden und dessen Gehaltsniveau heranzuziehen?

Wird ein Rechtsanspruch auf Betriebsrente durch Gleichbehandlung begründet, so gilt dies selbstverständlich auch für die mittelbaren Durchführungswege. Da hier der höhere Anspruch regelmäßig nicht ausfinanziert wurde, muss entweder mit dem Versorgungsträger eine Finanzierungslösung gefunden werden oder der Arbeitgeber zahlt den höheren Anspruch direkt. Dann muss dieser über die eigene Lohnbuchhaltung als nachträgliche Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit nach § 19 EStG abgewickelt werden. Zusätzlich muss der Arbeitgeber am elektronischen Zahlstellenmeldeverfahren teilnehmen.

Autor: VW-Redaktion

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