WTW-Manager Fabian Desch: „Risikominderungsmaßnahmen sind bei der Investitionsplanung zu berücksichtigen“

Fabian Desch wechselt von Willis Towers Watson zu QBE. Bildquelle: WTW

Corona erhöht die Bedeutung des Risikomanagements. Unternehmensinterne Schadenverhütungsmaßnahmen sowie detaillierte Transparenz zum Risikoprofil werden entscheidend, erklärt Fabian Desch, Senior Director und Head of Broking Germany und Austria bei Willis Towers Watson.

VWheute: Sie sagen, das Thema Risiko- und Versicherungsmanagement (RVM) hat durch Corona an Bedeutung gewonnen. Ist das Thema nicht schon seit den Niedrigzinsen topaktuell?

Fabian Desch: Die erzielbaren Gewinne am Kapitalmarkt wurden durch das Einläuten der Niedrigzinsphase verringert. Versicherer waren somit gezwungen, mit dem operativen Geschäft Gewinne zu erwirtschaften, was zu sukzessiven Erhöhungen der Versicherungsprämien geführt hat.

Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung am Versicherungsmarkt verstärkt. Erstversicherungskapazitäten haben sich zusätzlich verteuert und verknappt. Zusammenfassend liegt die Begründung darin, dass eine derart massive Unterbrechung von Wertschöpfungsketten sowie Vermehrung von Insolvenzen national und international in der Berechnung von Versicherungsprämien nicht berücksichtigt wurden.

Als Folge daraus wählen Versicherer mit erhöhter Vorsicht Risiken aus und berücksichtigen diese Erfahrungen in der Prämienberechnung. Für die versicherungsnehmende Seite ist dies eine marktweite Entwicklung, die im RVM entsprechend berücksichtigt werden muss.

VWheute: Welche Aspekte sollten aus Ihrer Sicht beim Versicherungsmanagement derzeit Priorität haben und warum?

Fabian Desch: Unternehmensinterne Schadenverhütungsmaßnahmen sowie detaillierte Transparenz zum Risikoprofil sind für den Versicherungseinkauf von entscheidender Bedeutung. Dies verbessert die Verhandlungsposition mit Versicherern und erhöht die Auswahlmöglichkeiten.

Mit der Verteuerung von Risikokapital gewinnen zudem Überlegungen an Bedeutung, welchen ökonomischen Wert Versicherungen für das eigene Unternehmen haben beziehungsweise inwieweit andere Absicherungsmodelle eine Alternative darstellen.

VWheute: Wechseln wir zum Thema Risiko. Welche Gefahren sind derzeit dominierend, wird eine Verschiebung stattfinden und was können Versicherer tun?

Fabian Desch: Hier gibt es regionale Unterschiede. International dominieren die Folgen des Klimawandels die Schadenzahlen und werden als größte Gefahr angesehen.

In Deutschland steht das Betriebsunterbrechungsrisiko an erster Stelle, dicht gefolgt vom Cyber-Risiko. Die versicherungsnehmende Seite ist angehalten, hier eigene Risikoverbesserungsmaßnahmen vorzunehmen, um nachhaltige Versicherbarkeit zu gewährleisten. Am Beispiel der Betriebsunterbrechungen sind dies Redundanzen sowie flexible Lieferketten. Beim Cyber-Risiko ist insbesondere der eigene Schutz vor Ransomware-Attacken im Fokus. Versicherer dürfen bei den Maßnahmen zur eigenen Ergebnisverbesserung die Verantwortung für die Gesamtwirtschaft jedoch nicht vernachlässigen. Hier ist ein enger und partnerschaftlicher Dialog notwendig.

VWheute: Was ist ein „produktiver Risikotransfer“, wie funktioniert er und warum ist er so wichtig?

Fabian Desch: Die Fragestellung nach dem idealen Risikotransfer ist individuell und zudem komplex. Unternehmen müssen Entscheidungen zum passenden ökonomischen Wert treffen.

Unabhängig vom Transfer gilt es, Risikominderungsmaßnahmen in die Investitionsplanung zu berücksichtigen. Technische wie organisatorische Maßnahmen sind hier gleichermaßen zu berücksichtigen. Bei späterer Modellierung einer Absicherungsstruktur sowie dem Einkaufen von Risikokapital lohnen sich diese Investitionen spätestens in der langfristigen Betrachtung.

In welchem Umfang der Transfer des Restrisikos stattfinden soll, hängt auch von der Philosophie und strategischen Ausrichtung des Unternehmens ab: Wie risikoavers / risikoaffin ist das Unternehmen? Geht es um die Absicherung eines Jahrhundertereignisses oder benötige ich eine „Vollkaskoabsicherung“ für die eigene Unternehmensfinanzierung?

Im Anschluss folgen Überlegungen zum Transfer selbst. Neben dem herkömmlichen Weg der Erstversicherung etablieren sich weitere Möglichkeiten, die je nach Kapitalausstattung auch selbst finanziert werden können.

Diese Beratung und Begleitung zu diesen komplexen Fragestellungen wird zunehmend zur DNA von Versicherungsmaklern werden müssen. Hier ist neben dem Know-how zu Versicherungssparten, technische und analytische Expertise gefordert.

VWheute: Wenn Sie ein Fazit aus dem Gesagten und Ihren Erfahrungen zum RVM ziehen, was würden Sie den Unternehmen raten?

Fabian Desch: Wir haben uns zu einem Verkäufermarkt zwischen Versicherungsnehmer und Risikokapitalgeber entwickelt. Dieser Zustand wird mindestens noch die kommende Verlängerungsphase anhalten. Folglich gilt es die eigenen Unternehmensrisiken transparent zu machen und gemeinsam mit Risikoträgern einen offenen und verbindlichen Weg zur nachhaltigen Risikoverbesserung zu vereinbaren.

Beratende Makler sollten zudem aufgefordert werden, Art und Umfang des Risikotransfers zu prüfen und entsprechende Entscheidungsvorlagen zu erarbeiten.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.