Sind Betriebsrenten (wirklich) sicher?

Quelle: Bild von Franz W. auf Pixabay

Auch wenn im Jahr 2021 mit einer erheblichen Steigerung von betrieblichen Insolvenzen gerechnet wird – allerdings auf niedrigem Niveau –, sind die Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung dank zahlreicher Sicherungssysteme in Deutschland gering. Darin waren sich die Teilnehmer einer Fachdiskussion auf Einladung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge am Donnerstag einig.

„Anwartschaften aus Betriebsrenten sind in Deutschland umfänglich gesichert“, erklärte Henriette Meissner von der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH (Stuttgarter Lebensversicherung a.G.). Neben dem Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) treten etwa bei der Direktversicherung Bezugsrechte ein, wenn es zur Insolvenz des Arbeitgebers kommt. Derzeit, ergänzte der ehemalige PSV-Vorstand Hans Melchiors, stünden rund elf Millionen Mitarbeiter und Rentner unter PSV-Insolvenzschutz. Dazu kommen ab 2022 etwa 2,3 Millionen aus Pensionskassen, die dann ebenfalls unter dem Schutz des PSV stehen werden. „Etwas Vergleichbares gibt es in ganz Europa nicht“, machte er deutlich, sodass das Europäische Parlament sich bereits dafür ausgesprochen hat, dass deutsche System als Blaupause für die EU zu nutzen. Dank Umlageverfahren, setzte er hinzu, könne der PSV auch in Krisenzeiten seinen Verpflichtungen nachkommen.

30 Prozent mehr Insolvenzen erwartet

Wie sich steigende Insolvenzen auf den Beitragssatz des PSV auswirken werden, sei noch ungewiss. 2020 hatte man mit 4,2 Promille, bezogen auf eine Bemessungsgrenze von insgesamt etwa 600 Mrd. Euro, den zweithöchsten Wert seit Gründung des PSV im Jahr 1974 erreicht. Im Jahr 2019 betrugen diese Werte 3,1 Promille auf 353 Mrd. Euro. Allerdings ist laut Melchiors der Anstieg im Jahr 2020 nicht auf das Pandemiegeschehen zurückzuführen, sondern auf Rezessionsfolgen des Vorjahres.

Sollte es im zweiten Halbjahr Großinsolvenzen geben, könnte das den Beitragssatz beeinflussen, da fünf Prozent der PSV-Mitglieder rund 90 Prozent der Beiträge bezahlen. Wenn der Beitrag über fünf Prozent steigt, greifen allerdings ein Ausgleichsfonds in Höhe von 3,2 Mrd. Euro sowie ein Glättungsverfahren für fünf Jahre, um die Folgen abzumildern. Gegenwärtig gebe es auch dank staatlicher Hilfen nur relativ wenige Insolvenzen.

Ob sich die im April 2021 ausgelaufene Sonderregelung zur Aussetzung der Insolvenzpflicht gravierend auswirken wird, könne noch nicht gesagt werden. Jörg Kukies, Verwaltungsratschef der Bafin, sprach unlängst von einer erwarteten Steigerung um 30 Prozent, merkte Melchiors an.

Hälfte der Ansprüche sind sicher

Karsten Rehfeldt von der Beratungsgesellschaft für betriebliche Versorgungssysteme GmbH bedauerte, dass aufgrund einer schlechten Stimmung gegenüber Betriebsrenten viele Mitarbeiter ihre bAV beitragsfrei stellen, nach Stundung keine Beiträge nachzahlen oder sogar kündigen. Dabei seien weder das Problem der Altersarmut noch – aus Sicht der Arbeitgeber – das des Fachkräftemangels gelöst, sodass die bAV heute mehr denn je nötig sei.

„Die Regierung müsste mehr dafür tun, dass die bAV als erforderliche Ergänzung der gesetzlichen Rente positiv besetzt ist“, so seine Forderung. Wichtig für deutsche Betriebsrentner ist ein EuGH-Urteil vom Dezember 2019 (Az.: C-168/18), nach dem es auch bei Pensionskassen einen Mindestschutz von 50 Prozent der Ansprüche zum Zeitpunkt der Insolvenz geben muss. Der Gesetzgeber kam dem daraufhin nötigen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit einer am 24. Juni 2020 in Kraft getretenen Gesetzesänderung zuvor. Das Gesetz ändert den § 7 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) dahingehend, dass der PSV ab dem 1. Januar 2022 auch für Pensionskassenzusagen einzustehen hat, wenn der Arbeitgeber insolvent wird.

Der Gesetzgeber übererfüllt durch das Gesetz sogar die Vorgaben des EuGH, da es eine unbedingte Einstandspflicht des PSV auch für Pensionskassenzusagen vorsieht und nicht nur bei hälftiger Kürzung oder Unterschreitung der Armutsgefährdungsschwelle. Ein zweites Urteil vom Januar 2021 durch das BAG (Az.: C-674/18, C-675/18) bestätigt, dass die Übernehmer einer insolventen Firma beim Betriebsübergang nicht die Verpflichtungen vor der Insolvenz übernehmen müssen, sondern dafür im Wesentlichen der PSV aufkommt.

Protector übernimmt bAV-Verträge

Bei einer Insolvenz des Versicherers gibt es ebenfalls klare gesetzliche Regelungen, erwähnt Henriette Meissner. Der gesamte Bestand eines solchen Unternehmens würde an die Protektor Lebensversicherungs-AG, sie ist die Sicherungseinrichtung der deutschen Lebensversicherer, übergehen, auch die bAV-Verträge. Auch das gesamte Vermögen würde auf Protector übergehen, nur eine Unterdeckung müsste ausgeglichen werden. Allerdings, fügte Rehfeldt an, sei es dank zahlreicher Sicherungssysteme denkbar unwahrscheinlich, dass deutsche Lebensversicherer von Insolvenz betroffen sind.

Wenn Arbeitgeber Rückstände bei der Beitragszahlung an den Versicherer haben, muss der Versicherer über den notleidenden Vertrag informieren und der Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber zur Beitragszahlung auffordern bzw. diese einklagen. Er hat sogar die Möglichkeit selbst ein Insolvenzverfahren anzuschieben, ergänzte Melchiors.

Autorin: Elke Pohl

Ein Kommentar

  • Hans Melchiors17

    Es sind nicht 23 Mio. Versorgungsberechtigte sondern 2,3 Mio. Es ist auch nicht der zweithöchste Beitragssatz sondern der zweithöchste Betrag, der von den Arbeitgebern finanziert werden musste. Bwi dem Urteil aus 2001 muss nicht der PSV sondern die Staatshaftung eintreten und die wird ggfs. über den PSVaG abgewickelt.

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