Garantien in der Altersvorsorge: Überraschungseffekte vorprogrammiert

Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Generalbevollmächtigte für die bAV der Stuttgarter Lebensversicherung a.G. Quelle: Stuttgarter

Berater, Produktentwickler, Vermittler, Personaler, Arbeits- und Steuerrechtler … mit der Altersvorsorge und betrieblichen Altersvorsorge haben viele zu tun. Und die richtige Vorsorge für das Alter berührt letztlich rund 50 Millionen Menschen in Deutschland. Die Niedrigzinsphase macht es jetzt nötig, dass das Thema Altersvorsorge und die in Deutschland so beliebten Garantien neu gedacht werden. Ab 1. Januar 2022 wird aufgrund des Höchstrechnungszinses in Versicherungsprodukten die Bruttobeitragsgarantie voraussichtlich flächendeckend entfallen.

Alexander Schrehardt, Versicherungsberater, spricht mit Henriette Meissner, Generalbevollmächtigte für die bAV, Stuttgarter Lebensversicherung a.G., über die veränderte Ausgangssituation in der Altersvorsorge und mögliche Überraschungseffekte. Beide sind Herausgeber des Kompasses für die Beratungspraxis, in dem aktuell das Thema „Abgesenkte Garantien, Sicherheit, Rendite, (betriebliche) Altersvorsorge und Niedrigzins“ ausführlich behandelt wird.

Alexander Schrehardt: Sie haben sich in den letzten Monaten sehr intensiv mit dem Thema Garantien in der Altersversorgung – sowohl im beruflichen Umfeld wie als Herausgeberin des Kompasses auseinandergesetzt. Gab es da Überraschungseffekte und wenn ja, welche?

Henriette Meissner: Die größte Überraschung habe ich mir selbst bereitet. Ich dachte, ich wäre gut im Thema drin und vorbereitet. Denn ich lege privat selbst aktienorientiert an und habe als Überzeugungstäterin beim Rentenwerk bei der Entwicklung eines garantielosen Vorsorgemodells mitgewirkt. Trotzdem musste ich bei mir feststellen, wie fixiert ich noch beim Garantiethema war. Intellektuell war mir klar Sicherheit und Garantie sind zwei verschiedene Paar Schuhe, aber das war noch nicht im „Herzen“ verankert. Und genau das merke ich auch immer wieder in Gesprächen: das Hängen an der Beitragsgarantie, das Misstrauen, ob weniger Garantie auch wirklich „sicher“ ist, die Angst, dass bei einer 80-Prozent-Garantie „irgendwie“ 20 Prozent des Beitrags „weg“ sind.

Da musste ich mich intensiv weiterbilden und zunächst mich selbst überzeugen. Die Studien des ifa-Instituts und der Beitrag von Sandra Blome, Alexander Kling und Jochen Ruß im Kompass zu den abgesenkten Garantien haben mir z.B. unglaublich weitergeholfen. Da wird ganz hart wissenschaftlich gezeigt, warum in der Niedrigzinsphase auch weniger Garantie für einen sicherheitsorientierten Anlegenden bedarfsgerecht ist. Und auch sehr wichtig, es wird der „Break-even“-Punkt zwischen weniger Garantie und mehr Sicherheit adressiert. Das war für mich ein großer Erkenntnisgewinn. Genauso wichtig waren die tollen Beiträge von Prof. Michael Hauer, IVFP, der zum einen die Kosten der Garantien, von denen immer viel erzählt wird, absolut verständlich vorrechnet und zeigt, wie hoch die Sicherheit von fondsbasierten Produkten ist.

Alexander Schrehardt: Und wie ging es Ihnen denn in Ihrem Spezialgebiet, der betrieblichen Altersversorgung?

Henriette Meissner: Auch da war ich bequem geworden, weil mein Haus, die Stuttgarter Lebensversicherung a.G., es immer geschafft hat eine Bruttobeitragsgarantie abzubilden.

Letztes Jahr habe ich mich daher intensiv mit den Rechtsquellen also Gesetz und Rechtsprechung auseinandergesetzt, um mir selbst eine Meinung zu bilden und nicht einfach die Literatur nachzuerzählen. Und obwohl ich mich „eigentlich“ schon ganz gut auskannte, hatte ich auch da meine Überraschungsmomente.

Die Wertgleichheit bei Entgeltumwandlung wurde z.B. schon 2009 vom Bundesarbeitsgericht sehr intensiv behandelt. Da ist die Problematik weit geringer als vielfach gedacht. Und bei abgesenkten Garantien liegt meines Erachtens das größere Problem darin, dass die beitragsorientierte Leistungszusage im Sinne des Bundesarbeitsgerichtes handwerklich richtig gemacht und dokumentiert wird. Da haben mir die Beiträge von Uwe Langohr-Plato, der sich erfreulicherweise sehr kritisch mit dem Thema auseinandersetzt, und von Erika Biedlingmeier und Elisabeth Lapp sehr weitergeholfen. Ich selbst habe schon mehrere Vorträge zu Gesetz und Rechtsprechung bei abgesenkten Garantien in der bAV gehalten und die Quellen, die für den Laien nicht immer einfach zu greifen sind, im Kompass einmal zusammengetragen. Oft merke ich schon beim Vortrag die ersten „Aha-Effekte“, wenn man einmal liest, was wirklich von den obersten Arbeitsrichtern gesagt wurde.

Alexander Schrehardt: Welchen Tipp haben Sie für diejenigen, die sich mit der (betrieblichen) Altersversorgung beschäftigen?

Henriette Meissner: Mein Tipp ist ganz simpel. Wenn Sie das noch nicht oder nicht intensiv gemacht haben, beschäftigen Sie sich mit den Themen Geldanlage, Sicherheit, Garantien und Rendite. Ein paar Kurven sind zum Einstieg schön, fundiertes Fachwissen erfordert mehr.

Erfreulicherweise sehe ich, dass viele offen sind für das Thema und es gibt auch zunehmend fundierte Weiterbildungsangebote – nur Produktschulungen nach dem Motto „Hurra, mehr Aktien“ reichen nicht.

Das ist besonders wichtig, da sich die Niedrig- und Negativzins-Entwicklung weiter fortsetzen wird und sich das möglicherweise mit einer höheren Inflation verbinden wird. Schon im nächsten Jahr werden Produkte mit Bruttobeitragsgarantie weitestgehend entfallen. Das muss erklärt werden. Übrigens ist das auch EU-weit so. Das neueste „Kind“ der Altersvorsorge ist das europäische PEPP-Produkt, das nur in der Basisvariante überhaupt eine Garantie kennt.

Wir erleben gerade einen grundlegenden Paradigmenwechsel und unser Job ist es, diesen zu verstehen und anderen verständlich zu machen.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Friedhelm Schnitzler, Internationales Gesundheitsmanagement

    Ich finde es immer wieder erstaunlich dass die Branche versucht den Kunden schmackhaft zu machen dass eine abgesenkte Beitragsgarantie ja viel mehr Gewinnpotential bringt. Aber das Risiko soll vom Kunden getragen werden. Dabei können die Versicherungsunternehmen dies sehr gut abfedern.

    Hinzu kommt noch die Situation dass der Verbraucher ein hohes Mass an politischen Unsicherheiten trägt. Ich erinnere an die unmoralische Einführung der Verbeitragung von Direktversicherungen auf Altverträge mit einem Nahezu 20% Verlust. Wenn eine bAV nicht risikoneutral für AN durchgeführt wird sollte man es lassen und nicht noch staatlich fördern. Das gleiche gilt für die Riester Konstellation.

    Anders sehe ich es natürlich für freie Verträge, das soll der Markt entscheiden und es ist OK wenn hier die LV auch frei in der Produktgestaltung ist. Garantien gibt es bei privaten Börseninvestitionen auch nicht.

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