Kapitalanrechte im Versorgungsausgleich: Ausscheiden aus der Firma schützt nicht vor Teilung der Betriebsrente

Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten der Axa. Quelle: BGH

Steht die Scheidung und damit auch der Versorgungsausgleich an, mehren sich die „Ausweichbewegungen“ der Ehegatten. Denn wer verzichtet schon gerne auf Versorgung zugunsten des Ehegatten, von dem man sich mehr oder weniger friedlich gerade trennt?

Immer wieder gerne genommen: Die Ausübung des Kapitalwahlrechts, weil Kapital in der privaten Vorsorge nicht in den Versorgungsausgleich fällt. Nun hatte wieder einmal letztlich der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob ein Versorgungsanrecht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist oder nicht (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2021, Az.: XII ZB 134/19). Zu entscheiden war, ob es sich bei einer betrieblichen Direktversicherung nach dem Ausscheiden um eine private Vorsorge handelt, bei der Kapitalzahlung nicht in den Versorgungsausgleich fällt.

Der Fall: Im entschiedenen Fall dauerte die Ehezeit vom 1. November 1996 bis 30. Juni 2018. Der Arbeitgeber des Ehemanns hatte 2000 eine Direktversicherung (betriebliche Altersversorgung) zugunsten des Ehemanns abgeschlossen. Der Versicherer erteilte zu dieser Direktversicherung Auskunft: Es war ein ehezeitliches Deckungskapital von 30.438,30 Euro vorhanden. Das Kapitalwahlrecht der Rentenversicherung war ausgeübt worden. Abzüglich der Teilungskosten wurde vom Versicherer ein Ausgleichswert von 15.119,15 Euro vorgeschlagen.

Das Familiengericht folgte diesem Vorschlag und übertrug den Ausgleichswert im Wege der internen Teilung auf die Ehefrau. Dagegen legte der Versicherer (!) Beschwerde ein. Der Versicherer argumentierte wie folgt: Der Ehemann sei nach Ende der Ehezeit am 31. Oktober 2018 aus dem Unternehmen ausgeschieden und die Versicherungsnehmereigenschaft der Direktversicherung wurde ihm (rückwirkend) zum 1. November 2018 übertragen. Daher sei das Anrecht nun nicht mehr in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Denn das Anrecht sei einerseits auf eine Kapitalzahlung aufgrund der Ausübung des Kapitalwahlrechts ausgerichtet und durch den Versicherungsnehmerwechsel handele es sich nicht mehr um ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes. Der Versicherer wollte erreichen, dass der Versorgungsausgleich im Falle der Direktversicherung unterbleibt.

So entschied der Bundesgerichtshof: Der Versicherer (und damit der Ehemann) konnte mit seinen Argumenten nicht durchdringen. Im Kern geht es darum, ob es sich nach dem Versicherungsnehmerwechsel bei Ausscheiden aus dem Unternehmen um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung handelt, das unabhängig von der Leistungsform (Kapital oder Rente nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 HS 1 VersAusglG) auszugleichen ist oder um ein privates Anrecht im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 3 HS 1 VersAusglG, bei dem Anrechte, die auf Kapitalzahlung ausgerichtet sind, nicht auszugleichen sind.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem unverfallbaren Teil der Anwartschaft, der während der Betriebszugehörigkeit des ausgeschiedenen Arbeitnehmers erworben wurde, auch nach Anwendung der versicherungsvertraglichen Lösung und der Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf den ehemaligen Arbeitnehmer um ein betriebliches Anrecht. Daher ist dieses auch unabhängig von der Leistungsform auszugleichen.

Das bedeutet auch, dass bei privater Fortführung der Versicherung eine Aufspaltung des Anrechts zwischen dem während der Betriebszugehörigkeit durch Beiträge des Arbeitgebers finanzierten Teil (das gilt für arbeitnehmer- wie arbeitgeberfinanzierte Beiträge) und dem nach Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft durch eigene Beitragszahlung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers finanzierten Teil zu erfolgen hat. Bei dem privat fortgeführten Teil sind Kapitalzahlungen dann nicht auszugleichen.

Der 12. Senat weist noch darauf hin, dass grundsätzlich zu prüfen ist, ob es sich um das Anrecht eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers (bGGF) handelt, der nicht unter das Betriebsrentengesetz fällt und es sich bei dieser Personengruppe damit auch nicht um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung handeln kann. Damit sind Anrechte, die auf Kapitalzahlungen gerichtet sind, grundsätzlich nicht auszugleichen.

Der 12. Senat weist auch darauf hin, dass der betroffene Ehegatte für ihn vorteilhafte Umstände, die dem Gericht nicht ohne Weiteres bekannt sein können, von sich aus vorzubringen hat. Im entschiedenen Fall hatte der Ehemann seine Berufsbezeichnung im Fragebogen zum Versorgungsausgleich als „Technischer Berater VT-Support“ angegeben. Das Beschwerdegericht hatte dem Ehemann aufgegeben, weitere Angaben zu seiner letzten beruflichen Funktion zu machen. Der Ehemann hatte darauf nicht reagiert. Es gab keine Anhaltspunkte, dass er die Stellung eines bGGF innehatte. Daher musste das Beschwerdegericht dem nicht weiter nachgehen.

Der Leitsatz des Beschlusses lautet: „Wird eine im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossene Direktversicherung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer übertragen (sog. versicherungsvertragliche Lösung), unterliegt der unverfallbare arbeitgeberfinanzierte Teil des Anrechts mit seinem Ehezeitanteil weiterhin den Verfügungsbeschränkungen nach § 2 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BetrAVG; in diesem Umfang ist das Anrecht nach Sinn und Zweck von § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG weiterhin in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, und zwar auch dann, wenn der Versicherungsanspruch auf eine Kapitalzahlung gerichtet ist und der Arbeitnehmer die Versicherung nach der Übertragung mit privaten Beiträgen fortführt (Fortführung von Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 – XII ZB 16/14 – FamRZ 2014, 1613).“

Hinweis für die Praxis: Bei Ausscheiden aus dem Unternehmen müssen bei der Beauskunftung Zeiten der betrieblichen Altersversorgung und Zeiten der privaten Altersversorgung unterschieden werden, insbesondere bei auf Kapitalzahlungen ausgerichtete Anrechte. Bedauerlicherweise setzt der Bundesgerichtshof – anders als in § 2 BetrAVG geregelt – den technisch üblichen Versicherungsnehmerwechsel mit der versicherungsvertraglichen Lösung, die gesetzlich eben nicht mit einem Versicherungsnehmerwechsel verbunden ist, gleich. Da bleibt in einer kleinen Zahl der Fälle, wo kein Versicherungsnehmerwechsel erfolgte, künftig noch Klärungsbedarf. Dass es sich auch bei Anwendung der versicherungsvertraglichen Lösung „insoweit“ um ein betriebliches Anrecht handelt, lässt sich seit dem 24. Juni 2020 auch dem Gesetz entnehmen (§ 2 Abs. 2 S. 3 BetrAVG).

Der BGH verfestigt seine Rechtsprechung zur Differenzierung zwischen „normalen Arbeitnehmern und bGGF, die nicht unter das BetrAVG fallen“. Auch bei der Beauskunftung der bGGF muss differenziert werden zwischen Zeiten als Unternehmer und Zeiten als Arbeitnehmer. Das führt bei den durchaus häufigen arbeitsrechtlichen Statuswechseln zu einer Fragmentierung der Beauskunftung. Das kann durchaus aufwändig und – bei fehlenden Informationen – unmöglich sein. Versorgungsträger sollten ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine Beauskunftung nach Aktenlage erfolgt. Ansonsten muss das Familiengericht von Amts wegen ermitteln oder der Ausgleichspflichtige muss von sich aus auf Tatsachen, die für ihn vorteilhaft sind, hinweisen.

Die Verbände haben jüngst bei der Stellungnahme zur anstehenden (kleinen) Novellierung des VersAusglG schon darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Formulierungen im Gesetz und die andersartige Behandlung von Betriebsrenten der bGGF möglichst vereinfacht und diese wie Betriebsrenten von Arbeitnehmern behandelt werden sollten, da es keine sachlichen Gründe für eine andere Behandlung gibt.

Autor: VW-Redaktion

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