Riester-Rente: Weniger Garantie lohnt
Mit dem Potenzial der Riester-Rente beschäftigte sich das Deutsche Institut für Altersvorsorge GmbH (DIA) in einer Online-Diskussionsrunde. Beklagt wurde, dass die notwendige und geplante Riester-Reform politisch bis heute blockiert werde. Dabei seien Verbesserungen leicht umsetzbar.
Größter Hemmschuh für einen erfolgreichen Absatz der Riester-Rente ist derzeit die gesetzliche Auflage, die Beiträge bei Rentenstart zu 100 Prozent zu garantieren. So machte Jochen Ruß vom Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) deutlich, dass im aktuellen Zinsumfeld hohe Garantien kontraproduktiv sind. Dabei verwies der Wissenschaftler auf die Studie „Auswirkungen von Garantien auf inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse“, die das ifa im Auftrag der Union Asset Management Holding AG erstellt hat. Kernerkenntnis der Untersuchung ist, dass Sicherheit und Garantie nicht gleichzusetzen sind. So würde die Gesamtrendite von Aktien eine positive Korrelation mit der Inflation aufweisen, wenn man lange Zeiträume betrachtet.
Chancen per Kaufkraftanalyse ermitteln
„Chancen und Risiken sollten nicht in Euro gemessen werden, sondern in Mahlzeiten und in Mieten“, so Ruß. Es müsse daher eine Kaufkraftanalyse erfolgen. Steige die Inflation, dann wären in der Regel auch die Aktienmärkte gut gelaufen. Daher plädiert der Wissenschaftler für die Abschaffung hoher Garantien für die staatlich geförderte Riesterrente. Die hohen Garantien würden nur eine vermeintliche Sicherheit bieten. „Der Nutzen der Garantie ist im aktuellen Zinsumfeld viel kleiner als man glaubt“, sagt Ruß.
Kunden die 30 bis 40 Jahre lang für ihre Altersvorsorge sparen, würden am besten fahren, wenn sie ganz auf Garantien verzichteten. Einig war sich die Diskussionsrunde, an der Frank Breiting, Leiter Altersvorsorge, DWS Group und Björn Deyer, Leiter Produktmanagement Vorsorge, Union Investment teilnahmen, dass die meisten Kunden mit einer solchen Nullprozentgarantie nicht umgehen können. Diese Produkte seien kaum verkäuflich oder die Kunden würden schon beim ersten Kursverlust wieder aussteigen. Nach Einschätzung von Ruß wären 70 Prozent Beitragsgarantie für sicherheitsorientierte Kunden die optimale Lösung. „Darunter steigt das Risiko deutlich stärker als die Chancen“.
Vier Millionen Selbstständige einbeziehen
Sehr kritisch äußerten sich Breiting und Dreyer zum fehlenden politischen Willen in Sachen Riester-Reform. So wären Fachleute und Verbraucherschützer Anfang 2020 in einem Workshop mit einer Absenkung des Garantieniveaus einverstanden gewesen, doch das Bundesfinanzministerium hätte sich als absoluter Bremser entpuppt. Dabei sei die Absenkung der Garantie von derzeit 100 Prozent der Beitragseinzahlung mit wenigen Federstrichen im Gesetz möglich. Gleichzeitig forderten die Experten eine Erweiterung der Förderung. Die über vier Millionen Selbstständigen sollten ebenfalls riestern dürfen. „Die steuerfinanzierte Riester-Rente hat eigentlich nichts mit der Sozialversicherungspflicht zu tun“, sagte Breiting.
Mit der Einbeziehung der Selbstständigen würde sich der Verwaltungsaufwand bei Riester deutlich verringern. Alle Erwerbstätigen wären dann plötzlich förderfähig. Zudem sollte die Zulagenstelle, die entgegen ihrem Ruf hochprofessionell und digital aufgestellt sei, wie jeder Kaufmann erst die Berechtigung der Förderung prüfen und dann auszahlen. Dreyer: „Damit würden extrem viele Kosten gespart und es gibt viel weniger frustrierte Kunden, die nach zwei oder drei Jahren plötzlich eine Rückforderung der Zulagen erhalten.“ Der Produktexperte schätzt, dass 95 Prozent der jährlichen 800.000 Rückforderungen entfallen würden.
Reformierte Riester-Rente könnte Kostenobergrenze haben
Würde die Riester-Rente vereinfacht, würde die DWS Group sogar eine rechtlich fixierte Kostenobergrenze akzeptieren. „Man könnte damit vielleicht das teuerste Viertel der Produkte begrenzen“, so Breiting. Laut der Experten liegt die Kostenbelastung bei der Riester-Rente im Markt weit auseinander. „Manche Anbieter haben hier eine Null vor dem Komma, andere noch eine drei“, stellte Breiting fest. Einig waren sich die Diskutanten zudem, dass es ab 2022 durch die Absenkung des Höchstrechnungszinses keine Riester-Rente auf dem deutschen Markt mehr geben wird, wenn das Produkt bis dahin nicht reformiert werde. So dürften die Kosten dann 0,25 Prozent nicht überschreiten. Gleichzeitig müssten die wenigen Anbieter, die etwa Riester-Policen aus Imagegründen im Angebot hielten, damit rechnen, dass viele Kunden zu ihnen wechseln würden.
Schon zum 1. Juli 2021 wird die Union Investment Riester-Produkte nur noch mit einer Laufzeit von 20 Jahren anbieten. Damit würden immer mehr ältere Kunden von der staatlich geförderten Altersvorsorge ausgeschlossen. Verständlicherweise lehnen die privaten Produktverkäufer jeden Staatsfonds als neuen Weg zur Altersvorsorge ab. „Weder die Telekom noch die Lufthansa ist wirklich teurer geworden, nachdem diese Unternehmen privatisiert wurden“, sagte Dreyer. Daher glaubt er nicht, dass eine neue staatlich organisierte Altersvorsorge den privaten Produktanbietern den Rang ablaufen könnte.
Autor: Uwe Schmidt-Kasparek