Twentyfour-Geschäftsführer Trier: „Wir sind gut aufgestellt und beschäftigen uns mit weiteren Investitionen“

Twentyfour-Geschäftsführer Michael Trier. Quelle: privat.

Anders gleich besser? Michael Trier setzt bei der Schadenaußenregulierung seines Unternehmens Twentyfour nicht ausschließlich auf Digitalisierung, will in zwei Jahren der größte Anbieter sein und ist (derzeit) kein Freund von Plattformen. Bereits mehr als genug Stoff für ein langes Gespräch, doch es blieb noch Zeit, über den Investor Thomas Fenstermacher und die Schadenskills der Versicherer zu sprechen.

VWheute: Herr Trier, Sie blicken trotz ihres jungen Alters auf eine lange Zeit als Außenschadenregulierer (AS) zurück. Ganz kurz: Wo kommen Sie her, wie kommen Sie zu Twentyfour?

Michael Trier: Das Thema Schadenaußenregulierung begleitet mich schon mein halbes Leben. Vom Aufbau einer der bis dato größten Schadenregulierungsorganisation, der Verantwortung diverser Managementfunktionen im Versicherungssektor der IBM Deutschland bis hin zum Vorsitz des Vorstandes bei der Servicekonzept AG, besser bekannt als REGU24. Bei Twentyfour, einem inhabergeführten Unternehmen, sind die Rahmenbedingungen optimal. Twentyfour wurde vollständig aus Eigenmitteln finanziert und ist unabhängig. Wir sind die Eigentümer, keine Manager.

VWheute: Für wen arbeitet Twentyfour, welche Größe haben Sie, mit wie vielen Gutachtern sind sie verbunden – und ganz wichtig, was unterscheidet Sie von Mitbewerbern?

Michael Trier: Twentyfour arbeitet für namhafte deutsche Kompositversicherer, vornehmlich im Bereich der Regulierung von Gebäude-, Hausrat- und Privathaftpflicht-Schäden. Unser Regulierernetzwerk umfasst etwa 100 qualifizierte Schadenregulierer und kann im Bedarfsfall um weitere 80 Regulierer ergänzt werden. Somit verfügen wir über das größte Netzwerk an qualifizierten Regulierern im Markt.

Auch wenn wir die Schadenregulierung im Außendienst nicht neu erfinden können, gibt es doch einige innovative Ansätze in unserem Konzept. Zunächst einmal sind wir direkt von Anfang an nachhaltig aufgestellt, das ist ein Teil unseres Geschäftsmodells. Hierbei setzten wir Maßstäbe, weil wir nicht nur als klimaneutrales Unternehmen zertifiziert sind, sondern sukzessive nur noch elektrisch zu den Kunden fahren werden. Schon jetzt sieht man unsere Smart Elektroflotte in den Großstädten, demnächst dann überall, sobald es die Ladeinfrastruktur zulässt. Sollten wir aus organisatorischen Gründen mit einem Benzinauto fahren, kompensieren wir den CO²-Ausstoß durch Pflanzung eines Baumes über eine Partnerorganisation. Sie sehen, wir springen hier nicht wie so viele halbherzig auf einen „Greenwashing-Train“ auf, sondern wollen von Anfang an die Benchmark sein, eine Net-Zero-Company. Das gefällt vielen unserer Kunden ausgesprochen gut.

Weiterhin versuchen wir unser wertvollstes Asset, nämlich die Schadenregulierer, so abzuholen, dass wir Ihr erster Ansprechpartner sind, wenn deren Leistung gefragt ist. Gerade bei Kumulschadenereignissen und in den relevanten Sommermonaten haben wir exklusive Partnerschaften mit den Regulierern, durch die wir garantiert Kapazitäten anbieten können. Ein Novum im Markt und nicht kopierbar. Schließlich bieten wir, um tatsächlich den bestmöglichen Service zu gewährleisten, Twentyfour nur ausgewählten Versicherern an. Das kostet uns zwar auf den ersten Blick Umsatz, zahlt sich aber durch den außergewöhnlichen Customer-Lifetime-Value eines zufriedenen großen Kunden aus.

VWheute: Sie setzen bei Ihrem Ansatz nicht komplett auf Digitalisierung, sondern „Software“ als Werkzeug“; ist das heutzutage noch erlaubt? Ist es mit Ihrem „nur“ teildigitalen Ansatz heutzutage schwierig(er), Investoren zu finden?

Michael Trier: Wir sind nicht „nur teildigital“ wir bieten den höchstmöglichen sinnvollen Grad an Digitalisierung. Nur die Besichtigung vor Ort ist People-Business. Der Kunde verlangt hier „NI“ –Natürliche Intelligenz –, Empathie und operative Excellenz. Da kann „KI“ noch nicht mithalten. Ich kann eine Schadenhöhe mittels meiner Software ermitteln, fertig. Ich kann den Kunden aber auch bei gleichen Wiederherstellungskosten einfangen, mitnehmen und von seinem Versicherer begeistern. Das ist unser Job. Das kriegt man mit Software nicht geregelt. KI hat keinen Humor.

VWheute: Komplette Dunkelverarbeitung und Drohnenbilder sind derzeit Fiktion, wie lange noch?

Michael Trier: Das sehen wir genauso. Der Fokus liegt bei uns eher im Bereich der Verwendung von strukturierten Daten, um manuelle Abläufe innerbetrieblich zu automatisieren und unseren Kunden aussagekräftige Statistiken zur Verfügung zu stellen. Drohnenlösungen sind ja heute bereits im Einsatz und machen punktuell je nach Schadenereignis absolut Sinn. Flächendeckende Schadenregulierungen per Drohne à la Amazon-Prime-Air und komplette Dunkelverarbeitung sehen wir mittelfristig nicht.

VWheute: Wie bewerten Sie den Trend zur Schadenbearbeitung per Bild, Video oder Drohne?

Michael Trier: Video Schadenregulierung ist grundsätzlich eine gute, insbesondere nach Klimaschutzgründen nachhaltige Alternative zur Schadenregulierung vor Ort. Per Video können etwa zehn bis 15 Prozent der Schadenfälle ohne Qualitätsverlust abgewickelt werden. Das gilt insbesondere für Trivial- und Standardschäden. Bei komplexeren Schadenfällen z.B. Leitungswasserschäden ist Videoregulierung derzeit keine Option. Dennoch ist das Thema aktueller denn je. Externe Einflüsse, wie z.B. Corona haben uns gezeigt, dass sie unser Leben komplett verändern. Auf derartige Situationen müssen auch wir vorbereitet sein. Hier verfolgen wir die technische Weiterentwicklung unserer derzeit bundesweit vorhandenen Infrastruktur ganz genau. Wir leben in einem Zeitalter der maximalen Beschleunigung.

VWheute: Wie stehen Sie als Schadenexperte zu Plattformlösungen zur Bearbeitung von Fällen?

Michael Trier: Wir beobachten natürlich den Markt hinsichtlich neutraler Plattformlösungen, haben jedoch noch keinen Ansatz gefunden, der uns überzeugt. Jede Versicherung verfolgt eine andere Strategie z.B. dem Anschluss an die gängigen Schnittstellenlösungen wie vom GDV was uns als Dienstleister die Zusammenarbeit mit dem Versicherer deutlich erleichtert. Aus diesem Grund sehen wir mittel- und auch langfristig keine Plattform, die als Standard für alle Versicherer gelten könnte.

VWheute: Künstliche Intelligenz zur Schadenprävention, wie ist der Stand?

Michael Trier: Jeder Versicherer verfolgt eine eigene Digitalisierungsstrategie. Wir sehen es als eine unserer Kernaufgaben, die durch den Regulierer aufgenommenen Daten dem Versicherer strukturiert zur Verfügung zu stellen. Der Prozess des Schadenaußendiensts ist innerhalb des gesamten Prozesses ein Teilbereich. Hier liefern wir die Daten der vor Ort dokumentierten Informationen, strukturiert über diverse Schnittstellen. Versicherer setzen KI/Analytics Tools ein und werten diese Daten entsprechend aus. Hieraus entstehen Annahmen, die durchweg auch zur Schadenprävention genutzt werden können.

VWheute: Sie arbeiten mit der Software „Rocketform“ wie auch viele Versicherer. Wie kam es dazu, welchen Vorteil bietet das?

Michael Trier: Rocketform wurde von einem ehemaligen Kollegen von uns entwickelt. Wir haben es uns angesehen und waren überzeugt, dass ihm da ein großer Wurf gelungen ist, weil die Arbeit vor Ort durch die App erheblich erleichtert wird und Fehler durch eine ausgeklügelte Logik weitgehend vermieden werden. In Verbindung mit der Tatsache, dass die halbe Branche ihre Außenregulierer mit der Software ausgestattet hat oder darüber nachdenkt, brauchten wir nicht lange nachzudenken und haben einen langfristigen SaaS-Vertrag mit Rocket abgeschlossen. Wir bieten den Kunden somit das gleiche Look-and-Feel, das identische Layout bei den Berichten wie bei ihren angestellten Regulierern.

Folgerichtig haben wir dann die eigene Schadenregulierungsorganisation des Softwareentwicklers, die Rekon GmbH, als selbstständige Marke mit in unseren Firmenverbund aufgenommen. Auch in Zukunft werden hier überwiegend Schadenfälle im mittleren und höheren Segment bearbeitet. Eine Besonderheit ist die Bearbeitung von aufwendigen und komplexen Gewerbeschäden.

VWheute: Sie haben große Pläne und wollen in zwei Jahren der größte Schadenaußenregulierer hierzulande werden. Das kostet Geld. Wie tief sind Ihre Taschen, wer füllt sie?

Michael Trier: Wir haben mit Thomas Fenstermacher den idealen Investor und Business-Angel in einem. Thomas ist ein sehr erfahrener Unternehmer, ein Pionier unserer Branche und hat mit REGU24 ein ähnliches Unternehmen von Scratch bis zur Marktführerschaft aufgebaut und zum Exit gebracht. Mit Thomas als Partner sind wir gut aufgestellt und brauchen keine weiteren Investoren. Wir beschäftigen uns eher selber mit weiteren Investitionen.

VWheute: Hand aufs Herz: Wie beurteilen Sie die Leistungen der deutschen Versicherer im Schadenmanagement? Was wünschen Sie sich?

Michael Trier: Das Schadenmanagement ist die Drehscheibe, an der alle am Schaden beteiligten Personen störungsfrei koordiniert werden müssen. Schnelligkeit ist hier gefragt, denn an jedem Tag, an dem das Schadenereignis nicht bearbeitet bzw. beseitigt wird, steigt die Schadenhöhe. Hier sollten Kunde und Partner noch enger zusammenrücken. Ein Austausch von schadenbedingten Informationen, ohne jeglichen Medienbruch verbessert und beschleunigt den gesamten Prozess ungemein.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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