Ergo-Manager Torsten Haase: „Auch das Reiseverhalten hat sich durch die Corona-Krise verändert“

Torsten Haase, Vorstand Vertrieb, Marketing & Operations der Ergo Reiseversicherung. Quelle: Ergo

Die Corona-Krise hat die Tourismus-Branche im letzten Jahr hart getroffen. So taxiert der Statista Mobility Market Outlook den Umsatz der deutschen Reisebranche für 2020 auf rund 26 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Minus von 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr. VWheute sprach exklusiv mit Torsten Haase, Vorstand der Ergo Reiseversicherung, über die Auswirkungen der Pandemie auf die Reiseversicherer.

VWheute: Wie wirken sich die aktuellen Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr und die veränderten Bedingungen unter Corona auf die Reiseversicherer aus?

Torsten Haase: Der kurzfristige Reisemarkt liegt unter Lockdown-Bedingungen natürlich weiterhin brach, für Reisen mit Abreisedatum im zweiten Halbjahr werden sich jedoch stetig mehr Kunden trauen, eine Reise zu buchen. Generell werden die Kunden ihre Buchungsentscheidung aber sehr kurzfristig treffen. Vorsichtig optimistisch sehen wir die Tendenz zur schrittweisen Normalisierung in der Reisebranche ab dem Spätsommer 2021. Situationsbedingt stellen wir ein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis bei Urlaubern fest, vielen Menschen ist noch einmal stärker bewusst, wie wichtig ein umfassender Reiseschutz ist.

Auch das Reiseverhalten hat sich durch die Corona-Krise verändert. Wir rechnen damit, dass auch in diesem Jahr erneut mehr Menschen erdgebundene Reisen in Deutschland und innerhalb Europas buchen werden. Aktivitäten im Freien oder Sport, wie Wandern oder Radfahren, stehen dabei weiterhin im Fokus. Individuelle Reisearten wie Camping- oder Wohnmobil-Urlaub liegen stark im Trend. Diesem Trend tragen wir mit dem erweiterten Camping- und Wohnmobil-Reiseschutz Rechnung, den wir im Dezember noch einmal verbessert haben.

„Corona-bedingt ist das Neugeschäft ab Mitte März 2020 sehr stark eingebrochen und die Schadenentwicklung folgt dieser Entwicklung.“

Torsten Haase, Vorstand Vertrieb, Marketing & Operations der Ergo Reiseversicherung

VWheute: Viele Verbraucher mussten 2020 ihre Reise aufgrund der Pandemie stornieren. Inwieweit sind die Ergo bzw. die Reiseversicherer insgesamt davon betroffen und mit welcher Schadenbelastung rechnen Sie vor diesem Hintergrund für das letzte Jahr?

Torsten Haase: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben in der gesamten Reiseindustrie eine schwere Krise ausgelöst. Auch Reiseversicherer waren und sind weiterhin von der Unsicherheit, wann Reisen in welche Destinationen wieder möglich sein werden, betroffen.

Corona-bedingt ist das Neugeschäft ab Mitte März 2020 sehr stark eingebrochen und die Schadenentwicklung folgt dieser Entwicklung. Die Volatilität bei den Inzidenzen und die Gefahr von Mutationen auf der einen, die Impfstrategien und politischen Entscheidungen auf der anderen Seite, halten unser Prognose-Szenario in ständiger Bewegung.

Quelle: Statista

VWheute: In der Schweiz haben die Reiseversicherer wegen Corona bereits ihre Bedingungen verschärft. Wie reagieren die deutschen Reiseversicherer auf diese Entwicklung?

Torsten Haase: Einige Reiseversicherer haben pandemische Risiken in ihren Versicherungsbedingungen nicht vom Leistungsschutz ausgeschlossen, andere haben hierfür neue Deckungen in den Markt gestellt. Wirtschaftlich gesehen ist z. B. in der Reiserücktritts-Versicherung der Umsatzverlust aufgrund der Reise-Einschränkungen ein deutlich höheres Risiko als individuelle Schäden durch den Nicht-Antritt der Reise infolge einer versicherten Covid-19 Erkrankung. Mit der Ergänzungs-Versicherung Covid-19 haben wir im August 2020 eine neue Absicherung auf den Markt gebracht, die die Erkrankung an Covid-19 als versichertes Ereignis in den Versicherungsschutz einschließt, wenn der Versicherte oder eine Risikoperson hiervon betroffen sind.

Statista-Prognose: Reisemarkt dürfte sich erst 2023 wieder erholen

Der weltweite Reise- und Tourismusmarkt ist wegen Corona im letzten Jahr deutlich eingebrochen. So prognostiziert der Mobility Market Outlooks (MMO) des Daten- und Marktforschungsinstituts Statista erst für 2023 wieder neuen Rekordumsätzen. Demnach rechnet Statista für 2021 mit einem Umsatzwachstum von über 50 Prozent gegenüber dem Krisenjahr 2020. Für 2025 wird sogar eine Umsatzsteigerung von knapp 23 Prozent gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2019 vorhergesagt. Für 2020 rechnen die Statistiker mit einem Umsatzeinbruch von 55 Prozent.

Profiteur könnte dabei vor allem der Binnentourismus in Deutschland werden. Nach einer repräsentativen Umfrage der Allianz Partners haben vor dem weltweiten Corona-Ausbruch 22 Prozent der Deutschen eine Fernreisedestination präferiert – nach dem Pandemiebeginn waren es lediglich noch schs Prozent. Der Anteil an Befragten, welcher einen Urlaub im eigenen Land bevorzugt, hat sich hingegen mehr als verdoppelt und ist von knapp 30 Prozent auf 61 Prozent angestiegen.

Modellierungen von Statista, basierend auf Daten des World Travel and Tourism Council (WTTC), WorldData sowie der OECD, verdeutlichen, dass der Binnentourismus in Deutschland wie auch in anderen beliebten Urlaubsländern weniger stark von der Corona-Pandemie betroffen ist als der internationale Tourismus. Machte der Binnentourismus im Jahr 2019 mit knapp 259 Mrd. Euro 85 Prozent der internen deutschen Tourismuseinnahmen aus, wurde für das Jahr 2020 ein Anteil von 91 Prozent (ca. 173 Mrd. Euro) prognostiziert. Der Umsatz durch internationalen Tourismus wird den Prognosen zufolge um über 60 Prozent von rund 45 Mrd. Euro auf etwa 16 Mrd. Euro in Deutschland schrumpfen. Für den Binnentourismus wird bereits für das Jahr 2022 eine Erholung des Umsatzes auf das Niveau von 2019 erwartet.

VWheute: Stichwort Impfschutz: In der öffentlichen Debatte geht es auch immer wieder um eine mögliche Impfpflicht: Inwieweit könnte eine mögliche Impfung sich auf einen Reiseversicherungsschutz auswirken?

Torsten Haase: Der Schutz gegen Covid-19 durch eine wirksame Impfung ist ein Meilenstein auf dem Weg aus der Corona-Pandemie und trägt dazu bei, dass Reisen bald wieder ohne die derzeitigen Einschränkungen möglich sind. Wer unter welchen Bedingungen reisen darf, ist heute noch nicht abzusehen. Es ist aber stark davon auszugehen, dass die meisten Länder eine Einreise nur mit Impfnachweis erlauben werden.

Wie auch bei anderen ansteckenden Krankheiten, beispielsweise Masern oder Grippe, machen wir die Buchung des Reiseschutzes der Ergo Reiseversicherung nicht davon abhängig, ob der Kunde geimpft ist. Sollte der Kunde die Impfung gegen Covid-19 nicht vertragen und daher seinen Urlaub nicht wie geplant antreten können, ist er bereits heute schon im Rahmen unserer Reiserücktritts-Versicherung aufgrund der Impfunverträglichkeit geschützt.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.

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