Jörg von Fürstenwerth hört auf – Abschied beim Gesamtverband der Versicherer nach 33 ereignisreichen Jahren

Jörg von Fürstenwerth, Quelle: GDV.

33 Jahre sind auch in einer Branche, die wie kaum eine andere auf nachhaltige Kundenbeziehungen setzt, eine lange Zeit. 33 Jahre in der Führungsspitze einer der großen Verbände dieser Republik, ist eine außergewöhnlich lange Zeit. Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth, Vorsitzender der Geschäftsführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, räumt Ende September 2020 seinen Schreibtisch. 33 Jahre hat er für den GDV gearbeitet, davon fast 25 Jahre als Hauptgeschäftsführer.

Von Fürstenwerth ist somit der wohl dienstälteste aller Hauptgeschäftsführer in deutschen Spitzenverbänden. Seine Laufbahn ist aber nicht nur deshalb außergewöhnlich: Es ist die Fülle an Themen, Krisen und Veränderungen, die er in dem langen Vierteljahrhundert an der Spitze des Verbands GDV erlebt, beeinflusst, und, je länger desto stärker gestaltet hat. 

1954 in Hamburg geboren und im Rheinland aufgewachsen, studierte von Fürstenwerth Rechts- und Staatswissenschaften sowie Volkswirtschaftslehre in Bonn und London. Den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) absolvierte er in Köln, Berlin und Washington D.C. Im Jahr 1985 wurde er mit einer Arbeit zum Außenwirtschaftsrecht an der Universität zu Köln zum Dr. jur. promoviert. Von 1983 an war er als Rechtsanwalt für eine internationale Kanzlei tätig und beriet den Verband in Fragen des Europarechts und kniffligen Kartellrechtsthemen. Der GDV engagierte ihn daraufhin fest, kaum angekommen, begann mit Schaffung des europäischen Binnenmarktes für Versicherungen ein neues Versicherungszeitalter mit all den Unsicherheiten, die tiefe Einschnitte in den Regulierungsrahmen mit sich bringen.

Tiefe Einschnitte folgten auch für die verbandlichen Strukturen, die in die neue Welt zu überführen waren. Fürstenwerth konsolidierte Dank einer nachhaltigen Unterstützung des Präsidiums die stark zersplitterte Verbandsstruktur der Versicherungswirtschaft.  Im Jahre 1996 schlossen sich GDV, der Verband der Lebensversicherer und der frisch fusionierte Verband der Schadenversicherer zum neuen Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zusammen. Neuer Hauptgeschäftsführer und geschäftsführendes Präsidiumsmitglied wurde Jörg von Fürstenwerth. Und blieb es bis zum heutigen Tag.

Die Liste der Herausforderungen, Reformen und Krisen, die von Fürstenwerths Karriere begleiten, ist bemerkenswert. Schon 1997 kommt von jenseits des Atlantiks ein Thema von historischer Dimension auf die Branche zu. In den USA wird 1997 die erste Sammelklage gegen deutsche Versicherer zur Entschädigung nicht ausgezahlter jüdischer Versicherungspolicen aus der Zeit des Nationalsozialismus formuliert. Zehn Jahre kämpft der Versicherungslobbyist für einen fairen Ausgleich und vor allem aber dafür, dass sich die Wirtschaft und damit auch die Versicherungswirtschaft ihrer historischen Verantwortung stellt. Am Ende erfolgreich. Für diese Leistung hat er 2011 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.

Ausgleich unterschiedlicher Interessen und Aufbau von Vertrauen nach möglichst vielen Seiten und möglichst parteiübergreifend, das ist, da sind sich Weggefährten einig, die wesentlichen Grundlagen für den langanhaltenden Erfolg von Fürstenwerths. „Er hat die die Geschichte des GDV geprägt hat wie kein anderer“, sagt ein ehemaliger Präsident des GDV. 1997 trieb er, kaum als Hauptgeschäftsführer im Amt, den Umzug des GDV von Bonn nach Berlin voran, in der ihm eigenen Art höchst geräuschlos aber sehr effizient. Der GDV war der erste der Spitzenverbände, der sich an der Spree niederließ und sich dabei personell und inhaltlich grundlegend erneuerte.

Es folgt eine Zeit voller Zäsuren: die große Steuerreform der rot-grünen Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Entflechtung der Deutschland AG. Dann der 11. September 2001 in den USA und das Platzen der Internet-Blase.  Die Mannheimer Lebensversicherung gerät in eine bedrohliche Schieflage und wird so gerade noch gerettet. 2002 wird dazu die Protektor Lebensversicherung AG gegründet, die den freiwilligen Sicherungsfonds für Lebensversicherer verwaltet und den in Schieflage geratenen Bestand übernimmt und saniert.

Zu dieser Zeit liegt ein Meilenstein in der verbraucherpolitischen Arbeit von Fürstenwerths schon hinter ihm: die Gründungsversammlung des Vereins Versicherungsombudsmann, ebenfalls im Jahr 2001. Noch im Oktober 2014 lobt der damalige Justizminister Heiko Maas den Ombudsmann als „Vorbild für effektiven Verbraucherschutz.“  Auch ist der GDV der erste Spitzenverband, der auf Drängen Fürstenwerths eine eigene Abteilung „Verbraucherpolitik“ einrichtet.

„Vom Kunden her denken“, das hat er fast allen gepredigt, die einmal sein Büro im 7. Stock der Berliner Wilhelmstraße, gleich gegenüber dem Finanzministerium,  betreten haben. Auch deshalb hat er die 2008 abgeschlossene, umfassende Reform des Versicherungsvertragsrechts, die einen stärkeren Versicherten- und damit auch Verbraucherschutz begründet, mit Sympathie begleitet.  Die Wirkungen dieses Werbens für Verbraucherschutz sieht er rückblickend dennoch mit gemischten Gefühlen:  „Da hätten wir noch mehr erreichen müssen. Es ist nicht genug, aus der Position des Kunden her zu denken, man muss es auch mit Leben erfüllen“.

Es folgen die Jahre der Staatsschuldenkrise, der Vertriebsskandale, die Jahre der neuen europäischen Regulierungsvorhaben, gipfelnd im großen Regelwerk von Solvency II. Es ist auch die erste Phase der Niedrigzinspolitik der EZB. Zunächst sorgt die Branche mit der Zinszusatzreserve vor, doch das Instrument entpuppt sich als zweischneidig. Schließlich explodieren die Bewertungsreserven. Politisch wird die Luft dünn. Erst im zweiten politischen Anlauf gelingt es im Sommer 2014, die größten Härten zu entschärfen.

2016 ein weiterer Meilenstein der Gesetzgebung: das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG). Wie so oft läuft zunächst manches nicht nach dem Geschmack der Branche, doch zu wichtigen Impulsen der Reform bringt der GDV seinen Rat ein.

Seine selbst bei Kritikern unbestrittenen Lobbyerfolge verdankt der GDV in erheblichem Maße der langjährigen Vertrauensarbeit von Fürstenwerth. Sie gründet in einer seltenen Mischung aus Sachverstand und Vertrauen, das man sich erarbeitet hat. So bekam und behielt der Zugang zu den Schlüsselstellen der Macht, in Berlin und auch in Brüssel.

Auf seinen juristischen Sachverstand konnte man sich ohnehin verlassen, den hat Fürstenwerth als Autor zahlreicher Beiträge immer wieder unter Beweis gestellt, zuletzt mit dem in 11. Auflage erschienenen Standardwerk „Versicherungs-Alphabet“. Und Vertrauen hat er sich auch in zahllosen Ehrenämtern verdient. So ist er etwa Präsident des Kuratoriums Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e. V. (IRZ Stiftung), stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, Mitglied des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, und, neben vielen weiteren Aufgaben, auch Mitglied im Kuratorium der Stiftung Warentest.

Fürstenwerth selbst hat das Wort vom Versicherungs-Lobbyisten nie als Schimpfwort missverstanden. Welche Farben auch immer regierten, für ihn war es fundamental, dass man sich auf den GDV verlassen konnte. Umso weniger machen die, die ihn gut kennen, sich Sorgen für seine Zeit nach dem GDV.

Langweilig wird es Fürstenwerth nicht werden. Die Bundeskanzlerin hat ihn jüngst erneut zum stellvertretenden Vorsitzenden des Kuratoriums der Bundesstiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft bestellt und ab Oktober wird er die deutsche Finanzwirtschaft für eine weitere Bestellungsperiode im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vertreten. Bei den Maltesern engagiert sich Fürstenwerth schon seit seinem 16. Lebensjahr. Auch hier wird er zusätzliche Verantwortung übernehmen.   

Vita

Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth ist seit 1996 geschäftsführendes Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Geschäftsführung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Nach Abitur und Wehrdienst studierte Frank von Fürstenwerth Rechts- und Staatswissenschaften sowie Volkswirtschaftslehre in Bonn und London. Den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) absolvierte er in Köln, Berlin und Washington D.C. 1985 promovierte er mit einer Arbeit zum Außenwirtschaftsrecht an der Universität zu Köln zum Dr. jur. 1983 bis 1987 war er als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltskanzlei tätig.

1987 wechselte er zum Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Gesellschaftliches Engagement Frank von Fürstenwerth ist u.a. Präsident des Kuratoriums Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V., stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, Mitglied des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Warentest, Mitglied des Vorstands des Vereins Versicherungsombudsmann, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats des Pensions-Sicherungs-Vereins, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, und Mitglied des Executive Committee von Insurance Europe. Von 2002 bis 2006 und 2011 bis 2015 war Frank von Fürstenwerth bereits Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) in Brüssel.

Autor: VW-Redaktion

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