Concordia-Finanzvorstand Mettler: „VVaGs leben in der Regel eine andere Partnerschaft als AGs“

Henning Mettler, Finanzvorstand der Concordia. Quelle: Concordia

„Partnerschaften mit VVaGs sind eher langfristig orientiert und aufgrund der Unternehmensgröße ‚familiärer‘ als bei börsennotierten AGs“, glaubt Concordia-Finanzvorstand Henning Mettler. Im Exklusiv-Interview mit VWheute erläutert der Versicherungsmanager, warum diese Rechtsform „vor dem Hintergrund des Megatrends ‚Nachhaltigkeit‘ aber auch als Chance gesehen werden“ kann.

VWheute: Beginnen wir klassisch, welche Vor- und Nachteile hat ein VVaG heutzutage, gerade in Bezug auf Hierarchien und Entscheidungswege?

Henning Mettler: Die Vor- und Nachteile eines VVaG sind im Wesentlichen in der Betriebsgröße begründet. Ein Vorteil der VVaGs ist, dass diese gegenüber börsennotierten AGs in der Regel nachhaltiger und längerfristiger agieren können und somit das kurzfristige Profit-Denken des Kapitalmarktes entfällt.

Das oberste Organ einer VVaG ist die Mitgliederversammlung. Diese setzt sich in der Regel aus einer Auswahl von Kunden zusammen, daher herrscht hier eine größere Kundennähe als in den AGs. Einen Nachteil stellen die Einschränkungen bei der Kapitalbeschaffung dar.

Concordia ist dem Interesse der Mitglieder verpflichtet. Die Gewinnmaximierung steht nicht im Mittelpunkt. Das bedeutet, dass wir als VVaG einen umfassenden Versicherungsschutz zu einem günstigen Beitrag anbieten können. Als mittelständischer VVaG haben wir kurze Entscheidungswege, die ein schnelles Handeln ermöglichen.

VWheute: Erklären Sie sie bitte einmal, warum die Konzernstruktur der Concordia so konstruiert wurde, wie sie heute dasteht und welche Vorteile das gegenüber einer AG bietet.

Henning Mettler: Die aktuelle, schlanke Konzernstruktur entspricht der Größe und dem Geschäftsmodell eines mittelgroßen VVaG. Der VVaG als Konzernobergesellschaft trägt den VVaG-Gedanken auch in die Tochtergesellschaften in AG-Form.

VWheute: Warum sind VVaGs ihrer Meinung nach so stark in der Krankenversicherung tätig?

Henning Mettler: Dies ist vor allem historisch und in der Unternehmensstrategie bedingt. Den Ausschlag hatte seinerzeit der Schutzgedanke vor dem Hintergrund des Kollektivgedankens einer VVaG gegeben. Die Krankenversicherung als AG im VVaG-Verbund: Nach der Unternehmensstrategie sollen vor allem eigene Produkte statt Fremdprodukte vermittelt werden.

VWheute: Corporate Governance könnte speziell für VVaG als Herausforderung gesehen werden kann. Sehen Sie diese Gefahr?

Henning Mettler: Die wesentlichen Herausforderungen, vor denen die Versicherungsbranche aktuell steht (Digitalisierung, dauerhafter Niedrigzins, Demografie, Klimawandel, zunehmende Regulierung), treffen grundsätzlich sämtliche Versicherungsunternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform.

Ein Unterschied könnte insoweit eher zwischen großen Versicherern auf der einen Seite und kleinen bis mittelgroßen Versicherern auf der anderen Seite gesehen werden; denn letztere sind von manchen dieser Herausforderungen (z.B. Digitalisierung, zunehmende Regulierung) stärker betroffen, weil sie hierdurch – relativ gesehen – höhere Kosten haben und diese Herausforderungen mit weniger personellen Ressourcen bewältigen müssen.

Die Einschränkungen bei der Kapitalbeschaffung, denen ein VVaG unterliegt, können vor dem Hintergrund der aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen u.U. eine Herausforderung darstellen. Auch hier dürften aber eher kleine und mittelgroße VVaG betroffen sein, die einen regionalen oder spartenbezogenen Schwerpunkt haben, weil es ihnen z.B. an der notwendigen Risikodiversifikation mangeln könnte.

Die Rechtsform des VVaG kann vor dem Hintergrund des Megatrends „Nachhaltigkeit“ aber auch als Chance gesehen werden, weil der im Geschäftsmodell verankerte Gegenseitigkeitsgedanke und die oftmals mehrere Jahrhunderte umfassenden Unternehmenshistorien der VVaG zeigen, dass sie nicht für kurzfristige Gewinnmaximierung stehen, sondern auf langfristig tragfähige und gedeihliche Kundenbeziehungen ausgerichtet sind.

VWheute: Glauben Sie, dass VVAGs stärker mit traditionellen Vertriebswegen, Ausschließlichkeit und Makler, verbunden und daher für wechselbereite Vermittler interessanter sind?

Henning Mettler: Ja, das bei AGs bestehende Risiko der Fusion oder des Verkaufs lässt die Rechtsform der VVaG bei einigen Agenturen vorteilhaft erscheinen. VVaGs leben in der Regel eine andere Partnerschaft als AGs. Partnerschaften mit VVaGs sind eher langfristig orientiert und aufgrund der Unternehmensgröße „familiärer“ als bei börsennotierten AGs.

VWheute: Versicherungsvereine können Kunden durch den Vereinsgedanken einfacher an sich binden, lautet eine These. Ist der Unterschied zwischen VVAG und AG dem Kunden bekannt und interessiert es ihn?

Henning Mettler: In der Regel kennt der Kunde die Rechtsform VVaG nicht oder nur rudimentär. Es ist ihm aber bewusst, dass er bei einer Gesellschaft ist, die nicht die Anonymität einer (börsennotierten) AG aufweist

VWheute: Ihre Prognose für die VVAGs, wie wird die Entwicklung in den nächsten Jahren aussehen?

Henning Mettler: Es wird keine Differenz zur Entwicklung der AGs geben und es ist keine nennenswerte Demutualisierung absehbar Die Reduzierung der Anzahl der VVaGs könnte durch unternehmensindividuelle, außerordentlich hohe Verluste im Bereich der Versicherungstechnik oder Kapitalanlagen ausgelöst werden.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Maximilian Volz.

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