Falsch beraten: Zum Risiko von Vermögensschäden bei beratenden und gutachterlichen Berufen
Im modernen Wirtschaftsleben ist die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen selbstverständlich. Dabei geht es nicht nur um den anwaltlichen Rat eines Rechtsanwaltes oder um steuerliche Gestaltungsfragen, die mit einem Steuerberater besprochen werden. Es geht auch um Dienstleistungen von Unternehmensberatern, Sachverständigen und Gutachtern sowie von Werbeagenturen und Finanzdienstleistern. Gemeinsam ist allen diesen Berufsgruppen ein Haftungsrisiko für eine falsche, nicht oder unvollständig erbrachte Leistung gegenüber ihrem Auftraggeber.
Über die Vereinbarung einer vertraglichen Haftungbegrenzung lassen sich Haftungsrisiken jedoch nicht oder nur begrenzt vermindern oder ausschließen. Der Dienstleister haftet gegenüber seinem Auftraggeber kraft Gesetzes auf Schadenersatz in unbegrenzter Höhe. Daher kommt der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung eine wichtige Rolle bei der Risikoverminderung für den Berater zu. Sie hilft ihm, das wirtschaftliche Risiko sei-ner beruflichen Tätigkeit kalkulierbar zu machen.
Für den Versicherungsvermittler sind bei der Beratung dieser Berufsgruppen einige Aspekte zu berücksichtigen, für die dieser Beitrag einen Überblick gibt:
Vermögensschaden
Eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung deckt nur Schäden ab, die weder Personen- noch Sachschäden sind oder sich aus solchen Schäden herleiten. Versichert sind also nur die sogenannten „reinen Vermögensschäden“. Diese können berufsspezifisch sehr unterschiedlich ausfallen. Der Rechtsanwalt kann eine Frist versäumen und sein Mandant dadurch einen Vermögensnachteil erleiden. Ein Unternehmensberater übersieht bei der Existenzgründerberatung bestehende und für seinen Mandanten nutzbare öffentliche Förderprogramme.
Oder: Der beauftragte Immobiliensachverständige übersieht einen baulichen Mangel und setzt einen überhöhten Wert der Immobilie an. Der Käufer des Hauses macht in der Folge den Sachverständigen für seinen erlittenen Vermögensschaden verantwortlich. Solche Schäden sind in der Betriebshaftpflichtversicherung standardmäßig ausgeschlossen. Eine Absicherung ist über einen eigenständigen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsvertrag möglich.
Personen- und Sachschäden
Neben den „reinen Vermögensschäden“ besteht bei beratenden Berufen eben-so ein Personen- und Sachschadenrisiko. Auch dieses muss vom Vermittler bei der Beratung der Kunden berücksichtigt werden. Das Personen- und Sachschadenrisiko kann sich z. B. aus der Beschädigung von Sachen des Auftraggebers oder eines Dritten ergeben. Das können Gegenstände sein, die der Sachverständige zur Begutachtung erhalten und beschädigt hat.
Wird der Unternehmensberater im Rahmen seines Auftrags in der Firma seines Auftraggebers tätig, sind bei diesen „Arbeiten auf fremden Grundstücken“ ebenfalls Schäden möglich. Ebenso ist eine Inanspruchnahme denkbar, wenn es zu einem vom Beratungsunternehmen verursachten übergreifenden Brandschaden kommt. Alle Personen- und Sachschäden sind über eine Betriebs- und Umwelthaftpflichtversicherung (BHV/UHV) abzusichern. Teilweise werden bestimmte Sachschäden zwar im Rahmen der Vermögensschadenhaftpflicht abgesichert, jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Schadenersatzleistung für den Sachschaden auf die Versicherungssumme angerechnet wird. Damit steht diese nicht mehr vollständig für Vermögensschäden durch Berufsversehen zur Verfügung.
Pflicht zum Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
Der Gesetzgeber misst dem Schutz von geschädigten Mandanten/Kunden vor Berufsversehen der Berater eine hohe Bedeutung bei. Daher sind verschiedene Berufsgruppen verpflichtet, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Das trifft auf Rechtsanwälte-, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu. Im Schadenfall steht dem Geschädigten damit ein weitgehend insolvenzsicherer Schuldner, der Versicherer, gegenüber.
Der Geschädigte ist nicht auf den Zahlungswillen bzw. die Zahlungsfähigkeit des Schadenverursachers angewiesen. Für weitere Berufsgruppen bestehen berufsrechtliche Vorgaben zum Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Das trifft z.B. auf öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige zu. Diese können nach den Sachverständigenordnungen der zuständigen Industrie- und Handelskammern (IHK) verpflichtet sein, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.
Alle weiteren Dienstleister können Versicherungsschutz auf freiwilliger Basis vereinbaren, sofern nicht ihr Auftraggeber den Nachweis einer Haftpflichtversicherung fordert. Egal ob der Versicherungsschutz verpflichtend vorgeschrieben ist, oder auf freiwilliger Basis erfolgt, die gewählte Versicherungssumme sollte ausreichend hoch bemessen sein, um die mit dem Auftrag eingegangenen Risiken zu decken.
Versicherungssumme
Für Berufsgruppen, die verpflichtend eine Vermögensschadenhaftpflichtversi-cherung abschließen müssen, ist die Höhe der Versicherungssumme vorgeschrieben (Mindestversicherungssumme). Für den Einzelanwalt und Steuerbe-rater sind das beispielsweise 250.000 Euro. Diese Versicherungssumme muss im Jahr vierfach zur Verfügung stehen. Das bedeutet eine Jahreshöchstleistung von 1.000.000 Euro. Die Berufsgruppen, denen eine Mindestversicherungs-summe nicht vorgeschrieben ist, können die Versicherungssumme ihres Vertrags frei mit dem Versicherer vereinbaren. Selbstverständlich können auch Berufsgruppen, die einer Pflichtversicherung unterliegen, eine Versicherungs-summe vereinbaren, die über der vorgeschriebenen liegt.
Die im Wesentlichen freie Wählbarkeit der Versicherungssumme ist auf der einen Seite zwar vorteilhaft, gestaltet sich auf der anderen Seite allerdings häufig schwierig. Welche Versicherungssumme ist angemessen? Den jährlichen bzw. auftragsbezogenen Honorarumsatz des Beraters als Bemessungsgrundlage zu wählen ist nicht empfehlenswert. Er spiegelt in der Regel nicht das mit dem Auftrag eingegangene Risiko wider. Vielmehr sollte versucht werden, den größtmöglichen Schaden aus dem bzw. den zu bearbeitenden Auftrag/Aufträgen zu ermitteln. Dieser Betrag bietet
dann einen Anhaltspunkt für die zu wählende Versicherungssumme.
Selbstbehalt
Mit einem Selbstbehalt kann sich der Versicherungsnehmer an der Schadenersatzleistung, die der Versicherer dem Geschädigten gegenüber zu erbringen hat, beteiligen. Der bedingungsgemäße Selbstbehalt der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung liegt üblicherweise bei zehn Prozent der Schadenzahlung, mindestens jedoch 50 Euro und höchstens 500 Euro.
Auch hier können individuelle Vereinbarungen mit dem Versicherer getroffen werden. Um den Zweck der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nicht zu verfehlen, schreibt der Gesetzgeber z. B. bei Rechtsanwälten einen Höchstselbstbehalt von einem Prozent der Mindestversicherungssumme vor. Daher kann hier der maximale Selbstbehalt nur 2.500 Euro betragen.
Die Höhe des Selbstbehaltes beeinflusst zwar die zu zahlende Versicherungsprämie, jedoch ist auch die finanzielle Tragfähigkeit des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen. Er muss in der Lage sein ggf. mehrmals im Jahr den vereinbarten Selbstbehalt zu tragen!
Eigenschäden
Die Haftpflichtversicherung befasst sich zunächst mit Schäden, die der Versicherungsnehmer bei Dritten verursacht. Die Absicherung von Eigenschäden des Versicherungsnehmers gehört zunächst nicht zum Leistungsspektrum einer Haftpflichtversicherung. Dennoch werden auch Eigenschäden in den besonderen Versicherungsbedingungen für bestimmte Berufsgruppen mitversichert. Ein Beispiel dafür sind Unternehmen der Werbebranche. Eine Werbeagentur nimmt bspw. einen Auftrag für eine Marketingkampagne eines Unternehmens an und vergibt dafür im eigenen Namen Aufträge an Druckereien oder Web-Programmierer.
Bei der Herstellung der Druckvorlage für eine Werbeanzeige wird für das beworbene Produkt versehentlich ein falscher Kaufpreis genannt. Die Anzeige geht in den Druck. Der Auftraggeber der Werbekampagne verweigert die Übernahme der Druckkosten, da die Anzeige fehlerhaft ist. Die Druckerei verlangt von der Agentur jedoch die Übernahme der Druckkosten, da sie ihren Auftrag vereinbarungsgemäß erledigt hat. Diese Druckkosten sind ein Eigenschaden der Werbeagentur, der im Rahmen der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mitversichert werden kann.
Bedeutung der Risikobeschreibung
Das berufliche Tätigkeitsfeld der beratenden und gutachterlichen Berufe ist nicht statisch, sondern regelmäßigen Anpassungen an die Gegebenheiten des (Wirtschafts-)Lebens unterworfen. So lassen sich die Tätigkeitsfelder nicht immer auf den ersten Blick erfassen. Es ist durchaus möglich, dass eine Unternehmensberatung gleichzeitig auch Leistungen einer Werbeagentur erbringt. Eine Werbeagentur wiederum kann auch Programmierleistungen anbieten. Oder: Ein Rechtsanwalt ist auch als externer Datenschutzbeauftragter für mehrere Unternehmen tätig.
Um dem Versicherungsnehmer einen passgenauen Versicherungsschutz anzubieten, ist daher eine genaue Risikoermittlung erforderlich. Nur auf die Aussage „Ich bin Unternehmensberater“ zu vertrauen, kann zu einem falschen Versicherungsschutz beim Kunden führen. Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung bietet für den spezialisierten Vermittler eine Vielzahl von Möglichkeiten, eine qualifizierte Beratungsleistung anzubieten. Dabei reichen die Unternehmensgrößen von Einzelbüros bzw. -kanzleien über mittelständisch geprägte Unternehmen und Kanzleien bis hin zu international tätigen Beratungsfirmen. Deren spezifische Beratungsbedarfe wollen bedient werden.
Autor: Winfried Beyer ist Autor des Buches Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, erschienen im Verlag Versicherungswirtschaft, und beim größten deutschen Erstversicherer, aktuell tätig in der Abteilung Maklervertrieb, tätig.
Mehr zum Thema lesen Sie im Vertriebsmagazin Der Vermittler.