GIS-Konferenz fordert von Versicherern Mut zur Nachhaltigkeit

Karel van Hulle (links) und Helmut Gründl (rechts). Quelle: mvb

Handlungsbedarf für die Versicherungen herrscht auf den Feldern Nachhaltigkeit und damit verbundener Abdeckung neuer Risiken. Dies ist eines der wesentlichen Ergebnisse der 6. Konferenz zum Thema Global Insurance Supervision (GIS). Von der zweitägigen Veranstaltung auf dem Frankfurter Universitätscampus mit 170 Teilnehmern aus 40 Ländern ging ein Appell an die Branche aus, ihre Geschäftsmodelle im Sinne der Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln und zukunftsfester zu machen.

Organisiert wurde das alle zwei Jahre stattfindende Expertenforum vom International Center for Insurance Regulation (ICIR), unter Beteiligung der EIOPA, des Center SAFE und der World Bank Group. An der Konferenz nahmen größere Versicherungsgruppen, Aufsichts- und Regulierungsbehörden sowie international anerkannte Fachleute teil. Ziel der Konferenz war über den Gedanken- und Meinungsaustausch hinaus die Entwicklung konkreter Lösungsvorschläge, um erfolgreiche Impulse für die Branche weltweit zu setzen.

Im Bereich der Nachhaltigkeit gebe es einen Bewusstseinswandel. Der Begriff sei daher eines der zentralen Themen der Konferenz gewesen, berichtete ICIR-Direktor Helmut Gründl, Professor an der Goethe-Universität. Viele Felder seien davon erfasst, Fragen der Umwelt, des Klimawandels, der Infrastruktur oder soziale Fragen wie das Bevölkerungswachstum oder die Lebensqualität im Alter. Dem Trend zur Nachhaltigkeit stünde aber häufig eine kurzfristigere Geschäftspolitik entgegen. Bei einer von Vierteljahresberichten geprägten Wirtschaft sei es für Versicherungen schwierig, nachhaltige Prozesse erfolgreich in Gang zu setzen. Dieser Zustand müsse künftig hinterfragt werden. Freilich könnten die Versicherer nicht alle Probleme der Gegenwart in neuen, nachhaltigen Geschäftsmodellen berücksichtigen, doch seien die Möglichkeiten der Branche hier noch längst nicht ausgeschöpft.

Grund zum Optimismus sah Karel van Hulle, Professor an der Universität Leuven und weiteres Mitglied im Vorstand des ICIR.  Die heutige Generation, insbesondere jüngere Menschen seien für Themen der Nachhaltigkeit hochgradig sensibel. Daher werde in Zukunft ein zunehmender Druck auf die Versicherer ausgehen, bisher noch ungenutzte Gestaltungsspielräume auf unterschiedlichen Gebieten der Nachhaltigkeit in Angriff zu nehmen. Versicherungen sollten sich künftig nicht mehr nur auf Geldleistungen konzentrieren, sondern auch mehr Sachleistungen im Bereich Schadensvermeidung, Prävention, Betreuung, Beratung und Assistance anbieten, so die Empfehlung.

Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz galt den vielen noch nicht abdeckten Risiken (Protection Gaps). Hier gäbe es noch enorme Spielräume. Im Bereich der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsfelder seien weltweit seien bisher nur etwa 35 Prozent aller Risiken von der Assekuranz abgedeckt, betonte van Hulle. Daran habe sich in den vergangenen Jahren nichts Grundlegendes verändert. Um alle Versicherungslücken weltweit finanziell abzudecken, sei nach Schätzungen von Fachleuten eine astronomische Summe von 100 Trillionen Dollar erforderlich. Der Handlungsbedarf gelte daher weit über die Versicherungen hinaus auch für die Regierungen, anders sei das Problem gar nicht zu lösen.

Gestiegene Herausforderungen gebe es, so Gründl auch für die Aufsichtsbehörden. Neue branchenfremde Anbieter aus dem Internetbereich, wie z. B. Google, drängen auf den Versicherungsmarkt und machen den klassischen Versicherern Konkurrenz. Es sei fraglich, ob die bisherigen Risikoanalysen dafür noch ausreichend sind. Das Messen von Risiken werde immer schwieriger. Daher wurde als Lösungsansatz auf der Konferenz ein neues „Holistic Framework“ zur systemischen Erfassung von Risiken im Versicherungsmarkt vorgestellt. Es soll die unterschiedlichen Aufsichtsgremien und Regulierungssysteme bei ihrer Arbeit unterstützen.

Autor: Mathias von Bredow