Nutzen Versicherer in den USA die Polizei für Anklagen und Ausbeutung?

Polizei in Amerika, Quelle: Bild von BodyWorn by Utility auf Pixabay

Stellen Sie sich vor, es ist Morgen, sie sitzen gemütlich am Frühstückstisch, lesen Zeitung und beißen genüsslich in ein Marmeladen-Brötchen. In der nächsten Sekunde verschafft sich bewaffnete Polizei Zugang zu ihrem Haus und beschuldigt sie des Versicherungsbetruges. Die vermeintlichen Beweise stammen vom Versicherer, der mit Zuwendungen und Gehaltszahlungen auch die Ermittler (teil-) finanziert. Gedeckt oder geduldet wird das Vorgehen von der örtlichen Staatsanwaltschaft. So etwas gibt es nicht? In Amerika scheint das aktuell zu passieren.

Am 19.08.2019 berichtete VWheute, dass sich mehrere US-Versicherer Einfluss auf die Polizei, „dedicated prosecutors“ oder „Detectivs“ sichern, um ihre eigenen Kunden zu überwachen und des Betruges zu beschuldigen. Das Nachrichtenportal Buzzfeed spricht von einer Vereinnahmung. Die Versicherer würden die behördliche Autorität nutzen, um ihre eigenen Kunden „einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen“.  Mittlerweile hat sich sogar der Senat eingeschaltet.

Die beschuldigten Unternehmen gehören zu den Größeren auf dem amerikanischen Markt, Erie, State Farm und Farmers finden sich unter den Beschuldigten, wie das Portal meldet. Das Vorgehen der Versicherer ist einfach aber effektiv, die Unternehmen leisten Zahlungen und Zuwendungen an Police Departements oder öffentliche Stellen, teilweise werden sogar die Gehälter der Ermittler komplett oder teilweise übernommen. Das führt dazu, dass die Untersuchenden von den privaten Versicherern bezahlt werden, die gleichzeitig die Anschuldigungen erheben. Dass das problematisch ist, dürfte jedem Verfechter des Rechtsstaates sofort aufgehen.

Falsche Anschuldigungen

Der Gedanke hinter der Idee der Versicherer ist einleuchtend, weniger Versicherungsbetrug führt zu weniger Zahlungen und steigert die Profite. Das lassen sich die Unternehmen etwas kosten, Buzzfeed spricht von mehr als 700.000 Dollar, die das Allegheny County im letzten Jahr von der Versicherungsindustrie erhielt, um „ihre Versicherungsbetrugseinheit zu unterstützen“. Die Verwaltungseinheit Allegheny County bildet den Kern der Metropolregion um die Stadt Pittsburgh in Pennsylvania und umfasst etwa 1.2 Millionen Einwohner

Tatort Pittsburgh in Pennsylvania? Quelle: Mgehring / Pixabay

Die Vereinnahmung der Behörden ist nicht lediglich rechtlich und moralisch schwierig vertretbar, offenbar kommt es in vielen Fällen zu Falschanschuldigungen. „Dutzende Personen wurden wegen angeblicher Vergehen fälschlicherweise angeklagt“, meldet die Nachrichtenseite. Das hat nun auch die Politik aufmerksam werden lassen.

Der Senator Chris Van Hollen, Demokratische Partei und Verantwortlich für den Finanzsektor inklusive Versicherungen, findet klare Worte in Richtung der Branche.

„Versicherungsunternehmen sollte es nicht erlaubt sein, ihre eigenen Ermittlungsprozesse zu missbrauchen. Sie sollten keine Polizei anwerben, um ihre privaten Ermittlungen durchzuführen“, erklärt der Senator. Auch die Behörden nimmt er in die Pflicht: „Die Polizei dürfe es nicht erlauben, von Versicherern gemietet zu werden. Die Situation sei sehr beunruhigend.“

Das empfindet auch Lisa Middleman so, die derzeit für das Amt des Bezirksstaatsanwalt im Allegheny County kandidiert. Ihr Statement lässt einen aufhorchen, auch wenn es vor dem Hintergrund des Wahlkampfes gesehen werden muss: „Ich wünschte ich könnte ihnen sagen, dass diese Ungerechtigkeit ein isoliertes Problem bei ungerechtfertigten Anschuldigungen im Bereich Versicherungsbetrug ist, aber Menschen in unfaire Deals zu zwingen, ist die Kultur der derzeitigen Bezirksstaatsanwaltschaft (DA)“. Die DA hätte die Macht und das Ermessen, diesen missbräuchlichen Taktiken Einhalt zu gebieten und die Versicherer daran zu hindern, „die Menschen vor Ort auszubeuten“, stattdessen „erleichtert sie es“.

Das Vorgehen ist nicht nur auf Pennsylvania beschränkt, es gäbe auch Fälle in Georgia und Indiana. Mittlerweile hat sich auch ein Offizieller der „Koalition gegen Versicherungsbetrug“ geäußert und mitgeteilt, dass Versicherer hart bestraft werden müssen, die „unschuldige Kunden anklagen und schädigen.“