Ergo schießt sich mit Wiederaufnahme eines Unfallschadens selbst in den Fuß

Wenn die Schulter zwickt, kann es teuer werden, Quelle: Bild von Scott Webb auf Pixabay

Rund 43.000 Euro muss die Ergo einer Rentnerin nach einer Prozessposse nachzahlen. Dabei hatte die Versicherung schon über 70.000 ausgezahlt. Ein Sturz, eine vorerkrankte Schulter, viele Gutachter und etliche Untersuchungen spicken diesen kuriosen Fall.

Der Fall beginnt für einen Unfallversicherungsschaden unspektakulär. Eine Frau mit Schulterprothese stürzte im Jahr 2013 beim Holunderpflücken so unglücklich, dass der rechte Oberarm und die Schulter brachen. Es waren zur Wiederherstellung mehrere Operationen notwendig, meldet das Westfalen-Blatt.

Damit nicht genug, es folgte eine Infektion, und es mussten die oberen sechs Zentimeter des rechten Oberarmknochens entfernt werden, womit kein Schultergelenk mehr vorhanden war und der Arm „einfach herunterhing“. Ellenbogen und Handgelenk waren allerdings noch bewegbar.

Jetzt wird es wild

Die Bewertung des Invaliditätsgrades durch zwei Professoren ergab eine unfallbedingte Funktionseinschränkung mit einem Invaliditätsgrad von 28 Prozent. Daraufhin zahlte die Ergo der Frau im Jahr 2015 insgesamt 73.500 Euro aus drei Versicherungsverträgen. An dieser Stelle könnte der Fall enden, doch das wäre noch keine Geschichte.

In der Unfallversicherung können Versicherer und Geschädigte eine Verletzung nach Ablauf einer Frist noch einmal bewerten lassen. Das Recht nutzte die Ergo im Jahr 2016 ließ die Ergo. Der Versicherer erklärte, das geschah auf Wunsch der Dame, diese spricht laut Zeitung von einer Untersuchung „gegen ihren Willen“.

Der neue Gutachter entschied pro Versicherer und bewertete den Vorschaden des Schulterimplantats stärker und kam auf einen unfallbedingten Invaliditätsgrad von nur noch 17,5 Prozent. Die Ergo forderte daraufhin rund 51.000 Euro von der Geschädigten zurück.

Diese rief den Anwalt Marc Melzer zur Hilfe, der ihr den Rat gab, nicht zu zahlen und auf die Klage zu warten. Die kam und der Anwalt erhob Widerklage. Im Wesentlichen ist das eine Klage gegen den Klagenden, in deren Folge vor Gericht in einem einzigen Prozess über die gegenseitigen Forderungen entschieden wird.

Der Fachanwalt wirft der Ergo vor, mit dem Urteil der ersten Begutachtung nicht zufrieden gewesen zu sein und deswegen noch einmal die Richter bemüht zu haben. Ob dem so war, weiß nur die Ergo. Ebenfalls weiß sie nun, dass sie es besser gelassen hätte. Der vom Gericht bestellte Gutachter untersuchte die Frau erneut, wer weiß zum wievielten Mal.

Der neue Gutachter bewertete die Schultervorerkrankung minimal, diese hätte nach Auffassung des Gerichts bei den vorherigen Bewertungen „nicht berücksichtigt werden dürfen“. Die Folge ist, dass die Frau noch einmal eine satte Nachzahlung erhielt. Neben den bereits geleisteten 73.500 Euro wurden noch einmal rund 43.000 Euro plus Gerichtskosten fällig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Ergo kann sich zu dem Fall nicht äußern, da die Betroffene mittlerweile verstorben ist und die Angehörigen nicht so schnell erreicht werden konnten.

Landgericht Paderborn:  Az.: 3 O 49/17