Ex-Chef warnt: „Der Verkauf von Income Insurance an die Allianz gibt Anlass zu großer Sorge über die Zukunft des Unternehmens“

Marina Bay Singapur Bildquelle: Nirut Phengjaiwong/ Pixabay
In einem Gastkommentar für den Nachrichtenkanal Channel News Asia äußert Tan Suee Chieh, ehemaliger Chef von Income Insurance, deutliche Kritik an der Übernahme des Versicherers aus Singapur durch die Allianz. Der Deal stehe im Widerspruch zu den Vereinbarungen aus dem Jahr 2022, als aus der Versicherungsgenossenschaft NTUC Income die Aktiengesellschaft Income Insurance wurde.
Damals soll es die Zusicherung gegeben haben, dass die Änderung der Unternehmensstruktur die Mission und die Werte von NTUC Income nicht grundlegend ändern würde, sondern das Unternehmen besser für zukünftige Herausforderungen und Chancen positionieren solle.
„Stattdessen scheint der Deal ein Mechanismus zu sein, mit dem NTUC Enterprise und andere Aktionäre mit erheblichen Gewinnen abkassieren können“, erklärt Chieh. „Der Ausstieg von NTUC Enterprise wurde nicht diskutiert oder tauchte nicht direkt in der Darstellung des Jahres 2022 auf.“
Zu diesem Zeitpunkt sei man davon ausgegangen, dass NTUC Enterprise Mehrheitsaktionär von NTUC Income bleiben würde. „Diese Vereinbarung wurde mir Anfang 2022 von den unabhängigen Direktoren von NTUC Income schriftlich mitgeteilt“, sagt der Manager, der von 2007 bis 2017 in Diensten des Unternehmens stand.
Income Insurance wurde im Jahr 1970 von der Gewerkschaftsbewegung Singapurs als Genossenschaft gegründet, um erschwingliche Versicherungen für die Arbeitnehmer des Stadtstaats bereitzustellen. Dass mit der Allianz bald ein ausländisches Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung an Income Insurance hält, sei beunruhigend, „wenn man die tiefe emotionale Bindung der Singapurer an NTUC Income und dessen Geist und Werte als Genossenschaft bedenkt“, erklärt Tan Suee Chieh, der auch knapp 20 Jahre für Prudential in Asien tätig war.
Income Insurance werde „der Strenge einer auf Gewinn ausgerichteten Organisation unterworfen werden und damit seine Identität, seine grundlegende DNA als soziales Unternehmen und seine Philosophie ‚People before Profits‘ verlieren“.
Die Zugehörigkeit zu einem multinationalen Unternehmen oder eine übermäßige Größe würde „keine besonderen Vorteile“ mit sich bringen, wenn es darum gehe, Kunden besser oder schneller zu bedienen und wettbewerbsfähigere Preise zu erzielen.
„Ich bin der Meinung, dass Singapur nicht noch mehr börsennotierte, gewinnorientierte Unternehmen in der Finanzdienstleistungsbranche braucht“, erklärt Chieh gegenüber CNA. „Wir brauchen eine Vielfalt von Geschäftsmodellen, um eine widerstandsfähigere Gesellschaft zu schaffen. Wir brauchen mehr Unternehmen, die sich auf den Kundennutzen und nicht auf die Gewinne der Aktionäre konzentrieren.“ Der Verkauf von Income Insurance an die Allianz gebe Anlass zu „großer Sorge“ über die Zukunft des Unternehmens.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Münchener Versicherer über seine Tochter Allianz Europe mindestens 51 Prozent der Aktien erwerben soll. Den Gesamtwert der Transaktion beziffert das Unternehmen auf 2,2 Mrd. US-Dollar (circa 1,5 Mrd. Euro) für 51 Prozent der Anteile. Der Gesamtwert von Income Insurance beläuft sich auf rund 3 Mrd. Euro.
Bislang sind die Aktien von Income Insurance auf zwei Blöcke verteilt: Die NTUC Enterprise Co-Operative, ein Konglomerat aus gewerkschaftsnahen Unternehmen, hält bisher 72,8 Prozent der Anteile. Die übrigen 27,2 Prozent sind zerstreut auf rund 16.000 Minderheitsaktionären, die sich an dem Versicherer beteiligten, als dieser noch genossenschaftlich organisiert war.
Die NTUC Enterprises als Mehrheitseigner haben einem Deal mit der Allianz bereits zugestimmt und sollen auch nach einer mehrheitlichen Übernahme der Allianz „signifikant“ beteiligt bleiben. Das heißt, NTUC gibt so viele Aktien an die Allianz ab, bis diese die 51 Prozent erreicht. Unter der Annahme, dass keiner der Minderheitsaktionäre seine Anteile im Rahmen des Angebots anbietet, würde NTUC Enterprises künftig 21,8 Prozent der Anteile halten bzw. 49 Prozent, wenn alle Minderheitsaktionäre einem Deal zustimmen würden.
In Bezug auf die Interessen der Versicherungsnehmer heißt es in der offiziellen Ankündigung des Vorvertraglichen Angebots ausdrücklich, dass „die Allianz beabsichtigt, einen nahtlosen Übergang für die Versicherungsnehmer zu gewährleisten, indem sie die Bedingungen der bestehenden, von Income Insurance gezeichneten Policen weiterhin einhält, was keine Auswirkungen auf die Kunden hat“.
Autor: VW-Redaktion