Aktivisten stellen italienischen Versicherer wegen Gas-Deals in Usbekistan an den Pranger

Bildquelle: SACE

Nach Recherchen der italienischen Umwelt- und Anti-Korruptions-Organisation Re:Common engagiert sich SACE, größter staatlich kontrollierter Versicherer in Italien, bei einem petrochemischen Projekt in Usbekistan, das auch von der russischen Gazprombank unterstützt wird. Die Aktivisten sehen eine indirekte Zusammenarbeit zwischen italienischen Institutionen und einem Kreditgeber erfüllt, der aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine zahlreichen Sanktionen westlicher Staaten unterliegt.

Konkret geht es um eine Verbindung, die die Aktivisten ziehen zwischen dem staatlichen italienischen Versicherer zu einem Ingenieurbüro im Besitz von Bakhtiyor Fazilov. Dabei handelt es sich um einem Geschäftsmann aus Samarkand, der von der Gazprombank finanziert werde, wie Re:Common in seinem Bericht mitteilt.

Zum Hintergrund: Das usbekische Energieministerium unterzeichnete laut dem Bericht im Jahr 2021 ein Memorandum of Understanding mit der Vnesheconombank (VBE) – eine staatliche russische Auslandsinvestitionsbank – und der Gazprombank. Dabei ging es unter anderem um die Entwicklung eines neuen Komplexes der petrochemischen Industrie in Karakul, einer Sonderwirtschaftszone in der usbekischen Region Buchara. Ziel war demnach, das Wachstum der nationalen petrochemischen Industrie zu fördern. Im Mittelpunkt dieses Plans steht Re:Common zufolge der sogenannte „Gas-Chemical Complex“, eine petrochemische Anlage auf Basis der MTO-Technologie (Methanol to Olefin).

Kurz nach dem Start des Projekts gewann das italienische Unternehmen Versalis – eine petrochemische Tochtergesellschaft der italienischen ENI, die wiederum zu 30 Prozent im Besitz der italienischen Regierung ist –, eine Ausschreibung gemeinsam mit dem Hauptauftragnehmer des Komplexes: Der Enter Engineering Pte. Ltd. mit Sitz in Singapur. Auch andere italienische Unternehmen hätten demnach den Zuschlag für bestimmte Lieferungen erhalten.

Enter Engineering wiederum verfüge über eindeutige Verbindungen zu Russland über besagtes Ingenieurbüro von Bakhtiyor Fazilov, der mit der Gazprombank in Verbindung stehe, so der Vorwurf der Organisation. Weiter erklärte Re:Common, dass SACE in diesem Zusammenhang die Finanzierung von mindestens zwei Deals im Wert von 51,4 Mio. Euro absichert. Beim ersten handle es sich um einen 11,4 Mio. Euro teuren sogenannten Front-End Engineering and Design (FEED)-Service. Diesen Auftrag hat Enter Engineering an die italienische Niederlassung von Wood, einem in Schottland ansässigen Ingenieurunternehmen, vergeben, heißt es. Italiens Unicredit, einer der größten Kreditgeber des Landes, tritt demnach als finanzielles Bindeglied des Geschäfts auf und werde im Vertrag als „Facility Agent“ bezeichnet.

Beim zweiten Deal handelt es sich wiederum um ein 40 Mio. Euro-Geschäft zur Lieferung von Industriemaschinen, dessen Finanzierung von Unicredit als sogenannter „Mandated Lead Arranger“ arrangiert wurde. Ein italienisches Unternehmen ist demnach bereit, die Maschinen an eine bestimmte Fabrik in Usbekistan zu liefern.

Und an dieser Stelle käme nun SACE ins Spiel: Sollte Enter Engineering seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen – sprich: die italienischen Lieferanten nicht bezahlen –, würde der Versicherer einspringen und die Unternehmen entschädigen. Gleichzeitig würde SACE versuchen, die Schulden auf anderen rechtlichen Wegen bei Enter Engineering einzutreiben, wie es heißt. Im Falle eines Zahlungsausfalls könnte Enter Engineering laut Re:Common einer früheren „Put-and-Call“-Vereinbarung unterliegen, die das Unternehmen mit der Gazprombank geschlossen haben soll.

Durch ein komplexes Beziehungsgeflecht mit in Zypern ansässigen Unternehmen, die sowohl mit Fazilov als auch mit der Gazprombank verbunden seien, könnte demnach ein „Worst-Case-Szenario“ für Enter Engineering so aussehen, dass es seine Anteile an die sanktionierte russische Bank übertragen müsste.

Kurzum: SACE, die laut der Aktivisten 300 Mrd. Euro an Ersparnissen italienischer Steuerzahler verwaltet, läuft bei Eintritt eines derartigen „Worst-Case-Szenario“ Gefahr, die offenen Millionen-Schulden von Enter Engineering gar nicht eintreiben zu können. Wie wahrscheinlich ein derartiges Szenario ist, sei allerdings unbekannt, so Re:Common.

Kreml habe „potenziellen Einfluss“ auf Usbekistans Schlüsselindustrien

Ein 2023 veröffentlichter Untersuchungsbericht von Kristian Lasslett, einem Professor an der Universität Ulster in Nordirland mit Schwerpunkt Korruption, stützt die Ergebnisse von Re:Common hinsichtlich der Verbindungen zwischen Unternehmen im Besitz von Fazilov und sanktionierten russischen Unternehmen und Einzelpersonen. So geht aus dem Bericht hervor, dass mit den Regierungen Usbekistans und Russlands verbundene Unternehmen ein internationales Konsortium oder, wie es in dem Dossier heißt, einen „Oktopus“ bildeten.

Angesichts der Tatsache, dass russische Interessengruppen eine erhebliche Kontrolle ausübten und sich das Konsortium „einen beträchtlichen Anteil an den Gas- und Ölfeldern, der Gasspeicherung und der Öl-/Gasraffineriekapazität Usbekistans gesichert hat“, kommt der Bericht zu dem Schluss, dass „der Kreml potenziellen Einfluss“ auf Usbekistan habe bei einer seiner Schlüsselindustrien.

Zwar seien die Vereinbarungen zwischen SACE und den Hauptauftragnehmern und Unterstützern des petrochemischen Komplexes vor Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine datiert, allerdings müssten die Verträge angesichts der aktuellen Risiken überdacht werden, heißt es. Der Bericht von Re:Common kommt zu dem Schluss, dass „SACE nun langfristig einer der wichtigsten Banken Russlands helfen könnte“.

Die SACE S.p.A. hat ihren Sitz in Rom und ist auf Exportkreditversicherungen und Exportrisikogarantien spezialisiert. Die Aktiengesellschaft gehört zu 100 Prozent der Cassa Depositi e Prestiti. Diese befindet sich ihrerseits zu 80 Prozent im Besitz des italienischen Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen. SACE gilt als wichtiges Instrument der Außenhandelspolitik Italiens.

Autor: VW-Redaktion

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