Lünendonk-Studie: Plattformbasierte Geschäftsmodelle treiben Versicherer um

Die Digitalisierung ist auch in der Versicherungsindustrie längst angekommen. Bildquelle: Joseph Mucira/ Pixabay

Veränderte Kundenanforderungen, kürzere Technologiezyklen und der demografische Wandel führen dazu, dass Versicherer ihre Geschäftsmodelle hinterfragen und digitale Technologien an Relevanz gewinnen. Wie die VWheute exklusiv vorliegende Lünendonk-Studie zeigt, werden 69 Prozent der Versicherer daher ihre Ausgaben für die digitale Transformation in den kommenden drei Jahren steigern. Dabei werden Kooperationen mit Insurtechs, Technologieunternehmen oder anderen branchenfremden Firmen unumgänglich sein.

Für die Lünendonk-Studie wurden IT- und Business-Verantwortliche aus 56 Versicherungen in der DACH-Region zum Stand der digitalen Transformation und ihren Strategien befragt. Und es stellt sich dabei heraus, dass es oft externe Trigger und Herausforderungen sind, welche zu Veränderungen in einer Branche führen. Dies bestätigen auch die in der Studie befragten Versicherer. So sehen sich 84 Prozent durch den Fachkräftemangel und demografischen Wandel herausgefordert. Um trotz des hart umkämpften War for Talents ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben oder gar erst zu werden, sind neue Strategien notwendig. Auch die Frage, welche Kompetenzen zukünftig intern und welche extern gehalten werden (make or buy), wird hierdurch stark beeinflusst. 58 Prozent der Versicherer setzen daher verstärkt auf strategische IT-Dienstleistungspartnern, um sich am Markt knapp verfügbare Kompetenzen zu sichern und die Umsetzung ihrer strategischen und operativen Handlungsfelder sicherzustellen.

Ebenfalls haben 80 Prozent Schwierigkeiten, mit der Geschwindigkeit der Innovations- und Technologiezyklen mitzuhalten und diese zu adaptieren. In diesem Kontext sehen 75 Prozent den Trend zu plattformbasierten Geschäftsmodellen sowie 64 Prozent den Wettbewerbsdruck durch digitale Vorreiter als Herausforderung.

Digitalisierung bestehender Geschäftsmodelle und Aufbau neuer Geschäftsfelder

Was bedeutet das für das Geschäftsmodell der Assekuranz? Die Mehrheit (72 %) der Versicherer baut ihr bestehendes Geschäftsmodell aus und ergänzt diese um digitale Komponenten wie etwa Self-Service-Portale für Kundinnen und Kunden oder digitale Assistenzsysteme. 65 Prozent investieren aber ebenfalls in komplett neue und disruptive Geschäftsmodelle wie etwa Embedded Insurance und Insurance-as-a-Service, welche zwar ein höheres Risiko, aber ebenfalls größeres Wachstumspotenzial mit sich bringen. Da der Spagat zwischen Kerngeschäft und Innovation jedoch eine Mammutaufgabe ist und viele Ressourcen erfordert, werden Kooperationen mit Insurtechs, Technologieunternehmen oder anderen branchenfremden Unternehmen unumgänglich sein.

Wie stark investiert Ihr Unternehmen in den kommenden 2-3 Jahren in die folgenden Themen?; n = 56
Wie werden sich die Ausgaben in Ihrem Unternehmen für die digitale Transformation in den nächsten drei Jahren verändern?; n = 32

In diesem Kontext stellen Open Insurance und die Plattformökonomie stark diskutierte Ansätze dar. Durch die Bildung von Ökosystemen sollen Kunden ganzheitliche Lösungen angeboten werden die sich an ihren individuellen Lebenswelten orientieren (z.B. Mobilität, Gesundheit, Familie). Während aktuell 81 Prozent Plattformen als irrelevant ansehen, erwarten 2026 nur noch 33 Prozent der Versicherer, dass Plattformen keine Rolle für sie spielen. Die Mehrheit möchte zukünftig sowohl als Plattformanbieter wie auch -teilnehmer agieren und somit eine Doppelrolle einnehmen. Hierfür ist jedoch eine starke Technologieausrichtung und ein ausgeprägtes Verständnis zur digitalen Kundenschnittstelle erforderlich.

Frage: Welche Rolle sehen Sie für Ihr Unternehmen in der aufkommenden digitalen Plattformökonomie?; n = 41 (heute); 33 (2026)

Ausbau der digitalen Kundenschnittstelle

Ein Fokusthema bleibt auch weiterhin die Optimierung der Kundeninteraktion. 87 Prozent der Versicherer setzen in den kommenden Jahren daher einen Fokus auf die Customer Experience, um die Customer Journey und Kundenschnittstellen durch moderne, digitale Technologien zu verbessern. Daten und Künstliche Intelligenz spielen hierbei eine wichtige Rolle. So analysieren Versicherer umfangreiche Kundendaten bereits heute und generieren daraus Customer Insights. Jedoch erfolgt dies oft noch manuell, sodass ein hohes Automatisierungspotenzial besteht. Jeder zweite Versicherer plant daher, bis 2026 den Großteil seiner Chatbots und Kundenassistenzsysteme auf KI-basierte Systeme umzustellen. 94 Prozent setzen aber auch weiterhin auf den klassischen (Agentur-)Vertrieb, sodass das Omnichannel-Management an Bedeutung gewinnt. Der rasante Fortschritt bei der KI – aktuell durch generative KI – wird jedoch mit Blick in die Zukunft den Druck zur Digitalisierung deutlich verschärfen.

Frage: Wie sehen Sie Ihr Unternehmen hinsichtlich der Steuerung der Kundenbeziehungen aufgestellt?; n = 53

Investitionsfelder der kommenden Jahre

Neben KI investieren Versicherer in einige weitere Technologiethemen: 94 Prozent investieren in den kommenden drei Jahren stark in Cyber Security. Mit zunehmender Digitalisierung ergeben sich neue Eintrittsvektoren für Cyber-Angriffe, sodass Unternehmen in diversen Studien von einer steigenden Gefahrenlage berichten. Auch das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) bestätigt dies.

62 Prozent forcieren die Steigerung ihrer Prozesseffizienz und -automatisierung und 61 Prozent den Wandel zum datengetriebenen Unternehmen (Data-driven Insurance), um auf Basis von Vergangenheitsdaten und Prognosen bessere Entscheidungen zu treffen und die Kundenorientierung zu steigern. Die Employee Experience, also die Optimierung von Backoffice-Prozessen und Softwarelösungen für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit, steht für 48 Prozent im Fokus.

Frage: Auf welche der folgenden Themenfelder richtet Ihr Unternehmen in den kommenden drei Jahren den Fokus?; n = 51; Frage: Welche Art von Cloud-Strategie verfolgt Ihr Unternehmen in den kommenden drei Jahren?; n = 38

Legacy-Modernisierung und Cloud-Transformation: langsame Fortschritte sind zu beobachten

Die Cloud-Transformation und Legacy-Modernisierung ist dahingegen für nur 38 respektive 37 Prozent der Befragten in den nächsten Jahren ein Fokusthema. Zwar haben einige Versicherer hier in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt und fokussieren die beiden Themen daher nicht mehr so stark, dennoch stehen einige Häuser dazu noch vor großen Herausforderungen. 

Insbesondere die Regulatorik und der Datenschutz stellen Herausforderungen für eine stärkere Nutzung der Cloud dar. Aber auch der Umbau der eigenen komplexen Anwendungslandschaft auf Cloud-native Standards zögert die Cloud-Transformation heraus. So verfolgen 55 Prozent der Versicherer eine Cloud-too-Strategie, in der die Cloud zumindest zu Teilen genutzt wird. Eine Cloud-First-Strategie, wie sie in anderen Branchen zu beobachten ist, kommt dahingegen so gut wie gar nicht vor. 39 Prozent setzen weiterhin auf eine on premise dominierende Strategie.

Mit Blick auf neue Geschäftsmodelle wie Plattformen und den sich weiter verschärfenden IT-Fachkräftemangel zählen die IT-Modernisierung und Cloud-Transformation jedoch zu den wichtigsten Maßnahmen für eine erfolgreiche Zukunft. Ebenso besteht die Gefahr, dass Technologieunternehmen noch stärker in den Versicherungsmarkt drängen und die Positionierung von Versicherern darunter leidet. Technologie-Knowhow wird daher noch wichtiger für Versicherer.

Autor: VW-Redaktion

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