Fehlinformationen und Extremwetter prägen globale Risikolandschaft

Bildquelle: World Economic Forum/Valeriano Di Domenico/ flickr/ httpscreativecommons.orglicensesby-nc-sa2.0legalcode

In der kommenden Woche versammelt das Jahrestreffen des World Economic Forum in Davos die wichtigsten Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft unter dem Motto „Vertrauen wiederherstellen“. Das scheint dringend nötig. Der jetzt veröffentlichte Global Risks Report 2024 warnt vor einer globalen Risikolandschaft, in der bereits erzielte Fortschritte in der menschlichen Entwicklung allmählich wieder erodieren.

Verschiebungen in der globalen Machtdynamik, im Klima, in der Technologie und in der Demografie bringen die Anpassungsfähigkeit sowohl von Staaten als auch Einzelpersonen an ihre Grenzen. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Global Risks Report 2024, der traditionell kurz vor dem internationalen Spitzentreffen im schweizerischen Davos veröffentlicht wird. Der Bericht, der in Zusammenarbeit mit Marsh McLennan und Zurich ausgearbeitet wird, warnt davor, dass die Kooperationsbereitschaft bei der Bewältigung drängender globaler Probleme zunehmend bröckeln könnte. Gefordert werden neue Ansätze in der Risikobewältigung. Zwei Drittel der globalen Experten gehen davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren eine multipolare oder fragmentierte Weltordnung herausbilden wird, in der Mittel- und Großmächte in Konkurrenz zueinander neue Regeln und Normen setzen – aber auch durchsetzen – werden.

Der Bericht stützt sich auf die Perspektiven von über 1.400 globalen Risikoexperten und führenden Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, die im September 2023 befragt wurden. Die globalen Aussichten werden kurzfristig überwiegend negativ eingeschätzt und könnten sich langfristig sogar verschlechtern. Für die kommenden beiden Jahre erwarten 30 Prozent der globalen Experten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit globaler Katastrophen; für die nächsten zehn Jahre steigt dieser Anteil auf fast zwei Drittel.

„Durchbrüche bei der künstlichen Intelligenz werden die Risikoperspektiven für Unternehmen radikal verändern“

„Eine instabile Weltordnung, die von polarisierenden Narrativen und Unsicherheit gekennzeichnet ist, die sich verschärfenden Auswirkungen extremer Wetterereignisse und wirtschaftliche Unsicherheit führen dazu, dass sich Risiken – einschließlich Fehl- und Desinformationen – beschleunigen und immer weiter ausbreiten“, sagte Saadia Zahidi, Managing Director beim World Economic Forum. „Die Führungspersonen der Welt müssen zusammenkommen, um kurzfristige Krisen zu bewältigen und die Grundlagen für eine widerstandsfähigere, nachhaltigere und integrativere Zukunft zu schaffen.“

Die Besorgnis über eine anhaltende Krise bei den Lebenshaltungskosten und die miteinander verknüpften Risiken von KI-gesteuerter Fehl- und Desinformation sowie gesellschaftlicher Polarisierung dominieren den Risikoausblick für 2024. Der Zusammenhang zwischen Falschinformationen und gesellschaftlichen Unruhen wird bei den Wahlen, die in den nächsten zwei Jahren in mehreren großen Volkswirtschaften anstehen, im Fokus sein, heißt es im Bericht.  Bewaffnete zwischenstaatliche Konflikte gehören zu den fünf größten Sorgen für die nächsten zwei Jahre. Mit Blick auf eine Reihe von aktuellen Konflikten führen die zugrundeliegenden geopolitischen Spannungen sowie das Risiko einer schwindenden gesellschaftlichen Resilienz dazu, dass Konflikte übergreifen können.

„Durchbrüche bei der künstlichen Intelligenz werden die Risikoperspektiven für Unternehmen radikal verändern, da viele Unternehmen Bedrohungen, die aus Fehlinformation, Disintermediation und strategischen Fehleinschätzungen resultieren, nur schwer begegnen können“, erklärt Carolina Klingt. Gleichzeitig müssten Unternehmen Lieferketten managen, die aufgrund geopolitischer Gegebenheiten, des Klimawandels und der Cyber-Bedrohungen durch eine wachsende Anzahl böswilliger Akteure immer komplexer werden würden. „Wir müssen uns unermüdlich darauf konzentrieren, unsere Resilienz auf organisatorischer, nationaler und internationaler Ebene zu stärken, und wir müssen die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor intensivieren, um dieser sich rasch verändernden Risikolandschaft zu begegnen“, fordert die Chief Commercial Officer Europe Marsh McLennan.

Über alle Zeiträume hinweg dominieren Umweltgefahren die Risikolandschaft

Anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit und eine wachsende ökonomische und technologische Kluft sollen laut Risikoreport die kommenden Jahre prägen. Der Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten stehe in den nächsten zwei Jahren an sechster Stelle. Längerfristig könnten sich Barrieren für eine ökonomische Mobilität aufbauen, die große Teile der Bevölkerung von wirtschaftlichen Chancen ausschließen. Konfliktgefährdete oder klimasensible Länder könnten zunehmend von Investitionen, Technologien und der damit verbundenen Schaffung von Arbeitsplätzen abgeschnitten werden.

Über alle Zeiträume hinweg dominieren Umweltgefahren die Risikolandschaft. Zwei Drittel der globalen Experten sind 2024 über extreme Wetterereignisse besorgt. Extremwetter, kritische Veränderungen der Erdsysteme, der Verlust der Artenvielfalt und der Zusammenbruch von Ökosystemen, die Verknappung natürlicher Ressourcen und Umweltverschmutzung stellen fünf der zehn größten Risiken im nächsten Jahrzehnt dar. Die befragten Experten waren sich jedoch uneinig über die Dringlichkeit der Risiken. Befragte aus dem privaten Sektor erwarten eher als Befragte aus der Zivilgesellschaft oder dem öffentlichen Sektor, dass die meisten Umweltrisiken über einen längeren Zeitraum hinweg eintreten werden. Dies deutet auf ein wachsendes Risiko hin, dass unumkehrbare Kipppunkte erreicht werden.

Viel Pessimismus

Die Autoren des Risikoberichts fordern politische und wirtschaftliche Entscheider auf, Maßnahmen zur Bewältigung globaler Risiken zu evaluieren und empfehlen, die globale Zusammenarbeit auf „die rasche Entwicklung von Schutzmechanismen gegen die disruptivsten neuen Risiken zu konzentrieren“. Die Analyse umfasst auch andere Arten von Maßnahmen, die nicht notwendigerweise auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit angewiesen sind. Dazu gehören beispielsweise digitale Aufklärungskampagnen gegen Fehl- und Desinformation, um die Widerstandsfähigkeit von Individuen und Staaten zu stärken, oder die Förderung intensiverer Forschung und Entwicklung von Klimamodellen und Technologien, um so die Energiewende zu beschleunigen. Hier seien sowohl der öffentliche als auch der private Sektor gefordert.

„Die Welt durchläuft mit KI, Klimawandel, geopolitischen Verschiebungen und demografischen Veränderungen einen tiefgreifenden Strukturwandel. Deshalb äußerten sich 92 Prozent der befragten Risikoexperten über den 10-Jahres-Horizont hinweg pessimistisch“, so John Scott, Head of Sustainability Risk, Zurich Insurance Group. „Bekannte Risiken verschärfen sich und neue Risiken zeichnen sich ab, diese bieten aber auch Chancen.“ Individuelles Handeln von Bürgern, Unternehmen und Ländern könne die globale Risikominderung vorantreiben und zu einer besseren und sichereren Welt beitragen.

Autor: VW-Redaktion