Allianz Trade-Chef Milo Bogaerts: „2.600 Unternehmen wurden vor der Pleite bewahrt“
Erst Corona und nun der Ukraine-Krieg: Die Zahlungsmoral ist eindeutig schlechter geworden. Beim Kreditversicherer Allianz Trade, der mit einem Marktanteil von rund einem Drittel Weltmarktführer in der Absicherung von Warenkrediten ist, scheint man die Lage entspannt zu sehen: „Wir sehen darin aber keine Pleitewelle, sondern eher eine Normalisierung“, sagt Deutschlandchef Milo Bogaerts.
So hätten die Insolvenzzahlen bis zum Ausbruch der Coronapandemie auf dem tiefsten Stand seit den 1990er-Jahren gelegen und würden seitdem wieder steigen. „Bis 2023 sind etwa 2.600 Unternehmen in Deutschland vor der Pleite bewahrt worden“, konstatiert Bogaerts gegenüber dem Handelsblatt. „Deswegen rechnen wir in Deutschland nicht mit einer tiefen Rezession, sondern mit einem leichten Schrumpfen der Wirtschaft um 0,7 Prozent in diesem Jahr“, prognostiziert der Versicherungsmanager.
Dennoch: 16 Prozent mehr Insolvenzen soll es in diesem Jahr geben, nominal beträfe das 17.000 Unternehmen. 2024 soll die Zahl noch einmal um sechs Prozent nach oben gehen. Mehr als 18.000 weitere Unternehmen könnten dann in Deutschland pleitegehen, lautet die Prognose von Allianz Trade, der früher Euler Hermes hieß.
Insgesamt sei die „Zahlungsmoral schlechter geworden“, beobachtet der Niederländer. Während in Deutschland Rechnungen nach 54 Tagen und damit nur zwei Tage später als im Referenzjahr 2008 bezahlt werden, müssten Unternehmen in anderen Ländern deutlich länger auf ihr Geld warten. „Generell beobachten wir, dass Unternehmen, die Zahlungsziele immer ausreizen, auch die ersten sind, bei denen Zahlungen ganz ausfallen“, so Bogaerts weiter.
Eine weitere Herausforderung bringe auch die aktuell hohe Inflation mit sich: „Bei den meisten Waren, mit Ausnahme der Lebensmittel wird man weiterhin eine große Kaufzurückhaltung sehen“, ergänzt der Deutschlandchef von Allianz Trade. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet Allianz Trade mit einem leichten Rückgang der Inflation in Deutschland auf 6,8 Prozent und 2024 auf 2,4 Prozent.
Der Branchenverband GDV rechnet für dieses Jahr zudem mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um rund 20 Prozent. Allerdings bedeute dies keinen Kahlschlag, sondern nur, dass sich das Feld lichtet, hieß es beim Jahresbilanzgespräch der Kreditversicherer im Dezember 2022. Erhöhte Risiken für Zahlungsausfälle sehen die Kreditversicherer dabei in nahezu allen Branchen. Die Ursachen dafür liegen in der schwächelnden deutschen Wirtschaft und entsprechend sinkender Zahlungsmoral, hervorgerufen durch mehrere Krisen, die sich gegenseitig hochschaukeln. Es gebe einen regelrechten Überlebenskampf entlang der Lieferketten, konstatierte Thomas Langen, Vorsitzender der Kommission Kreditversicherung im GDV.
Autor: VW-Redaktion