Smart gegen die Preis-Krise

Vor allem die Ersatzteilkosten sind Treiber des Preisanstiegs im Kfz-Geschäft (Bildquelle: R+V/iStock)

Eine Folge der geopolitischen Situation sind enorme Preissteigerungen in vielen Lebensbereichen. Auch bei Kfz-Versicherern macht sich die Inflation bemerkbar, vor allem bei den Schadenaufwänden. Auf der Suche nach Möglichkeiten, anfallende Kosten zu senken, bietet sich ein automatisierter Schadenabwicklungsprozess unter Einsatz neuer Technologien als smarte Lösung an. Ein Gastbeitrag von Andreas Witte, Geschäftsführer ControlExpert, und Kai Siersleben, Geschäftsführer Copart Deutschland.

Was lässt sich gegen die steigende Inflation unternehmen? Die Antwort: nichts. Gegen inflationär bedingte Preissteigerungen haben Versicherungsunternehmen keine Handhabe. Lieferengpässe, Rohstoffknappheit und der Anstieg der Energiekosten treiben die Schadensaufwände weiter nach oben – Ende vorerst nicht in Sicht. Dennoch bieten sich ihnen verschiedene Optionen, um die Kosten zu senken. Ein signifikanter Anteil der Schadenaufwände entfällt auf die Reparaturkosten. ControlExpert und Copart haben die Reparaturkosten der letzten Jahre analysiert, um Preisentwicklungen auszuwerten und mögliche Strategien für Versicherungsunternehmen zu identifizieren.

Reparaturkosten steigen noch schneller an

Dass die Reparaturkosten hoch sind, kann niemanden überraschen. In den letzten sechs Jahren zeigte sich eine deutliche Tendenz nach oben: Seit 2017 stiegen diese um satte 32 Prozent – und übertreffen damit sogar um fast das Doppelte das Wachstum der Inflation, die am Verbraucherpreisindex gemessen wird (Abb. 1). Die Entwicklung der Reparaturkosten in 2022 stellt jedoch alles bislang Bekannte in den Schatten: Lag die Preissteigerung bei den Reparaturkosten in den letzten Jahren bei drei bis vier Prozent, schlägt sie aktuell mit acht Prozent zu Buche. Doch welche Faktoren lassen die Kosten aktuell förmlich explodieren? Reparaturkosten setzen sich aus mehreren Einzelkosten zusammen: Den Lohn-, Lackier-, Neben- und den Ersatzteilkosten, welche den größten Anteil an den Gesamtkosten haben.

Abbildung 1: Zeitlicher Verlauf der mittleren Reparaturkosten (1) pro Vorgang im Vergleich zum Verbraucherpreisindex.

Ersatzteilkosten als Treiber des Preisanstiegs

Wirft man einen Blick auf die Entwicklung der Reparaturkosten seit 2017, zeigt sich deutlich, dass den Ersatzteilkosten mit einem Anstieg von insgesamt 39 Prozent bis zum dritten Quartal 2022 der Hauptanteil zufällt (Abb. 2). Im Vergleich dazu erscheinen die Anstiege der anderen Kosten moderat. Zur Analyse wurde ein gleichbleibender Warenkorb aus 20.000 Ersatzteilen mit den höchsten Gesamtkosten gebildet. Dabei zeigte sich, dass sich der Anstieg der Ersatzteilkosten seit 2017 zu 80 Prozent mit der Verteuerung eben jener Ersatzteile erklären lässt. Der Einsatz technisch aufwendigerer und damit teurerer Fahrzeugteile, wie bspw. LED-Scheinwerfer, trägt kaum zum Preisanstieg bei.

Abbildung 2: Links: Zeitlicher Verlauf der mittleren Einzelkosten (1) pro Vorgang. Rechts: Anteil Einzelkosten an den Gesamtkosten im Jahr 2022.

Auch Lohn- und Lackierkosten steigen

Der Anstieg der Lohnkosten ist hauptsächlich auf die gestiegenen Stundenverrechnungssätze zurückzuführen, nicht etwa auf mehr geleistete Arbeitsstunden durch aufwendigere Reparaturen. Bei den Lackierkosten kommen zu den Lohn- noch Materialkosten hinzu. Basierend auf von ControlExpert geprüften Dokumenten haben sich die Materialkosten vor allem bei freien Werkstätten deutlich erhöht.

Kostenanstieg auch bei Totalschäden

Ist eine Reparatur nicht mehr wirtschaftlich, erfolgt die Abrechnung als Totalschaden. Dabei zahlen die Versicherungsunternehmen den Wiederbeschaffungswert (WBW) abzüglich des Restwerts (RW) an die Geschädigten. Diese Differenz bildet damit einen weiteren signifikanten Anteil des Schadenaufwandes. Auch hier zeigt sich ab 2017 mit 32 Prozent ein enormer Kostenanstieg – besonders in 2022 (Abb. 3). Der Grund: Der WBW ist abhängig von der Entwicklung des Gebrauchtwagenmarktes. So wird bspw. der Gebrauchtwagenpreis von der Neuwagenproduktion stark beeinflusst, die derzeit unter Lieferengpässen und Materialmangel leidet. Als Folge sind Gebrauchtwagen gefragter denn je, was aufgrund des begrenzten Angebots zu einem Anstieg des WBW führt. Zwar ist der RW ebenfalls angestiegen, aber nicht im gleichen Maße, was insgesamt zu einer größeren Differenz zwischen WBW und RW führt. Versicherungsunternehmen haben auch beim Kostenanstieg durch WBW keine Möglichkeit einzugreifen, jedoch lassen sich durch geschickte Vermarktung höhere RW erzielen.

Abbildung 3: Zeitlicher Verlauf des mittleren WBW und RW (1). Differenz zw. WBW und RW aus Q1 2017 in grau fortgeführt.

Prognose: Der Trend setzt sich fort

Die Preise steigen also schon seit einigen Jahren – in 2022 besonders stark. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach fortsetzen: Die Gemeinschaftsdiagnose (2) der führenden Wirtschaftsinstitute prognostizierte für 2023 eine Inflation von plus 8,8 Prozent, für 2024 immerhin noch von plus 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Steigen die Reparaturkosten weiterhin stärker an als die Inflation, dann ist bei diesen bis Ende 2024 ein Anwachsen von mindestens zehn Prozent zu erwarten. Versicherungsunternehmen haben im Grunde nur zwei wirksame Hebel: interne und externe Kosten müssen reduziert werden.

Smarte Prozesse als Lösung

Hohes Einsparungspotenzial bietet sich z.B. bei der Prüfung von Schadenfällen durch die Vereinbarung von Sonderkonditionen mit Werkstätten und Herstellern sowie die Reduzierung von Schadennebenkosten, die bspw. für Anwälte und Sachverständige anfallen. Zudem lassen sich auch interne Prozesskosten deutlich senken. Für Versicherungsunternehmen wird es dabei immer wichtiger werden, mit Prozessen zu arbeiten, die positive Auswirkungen auf die Gesamtkosten haben. So können sie schon heute auf ganzheitliche End-2-End-Schadenprozesse zugreifen, die überall dort von Technologie und Künstlicher Intelligenz geprägt sind, wo immer Informationen ausgetauscht werden. Die Technologie greift dabei auf riesige Datenmengen von Schadenfällen zurück, auf deren Basis sie Entscheidungen selbstständig trifft und das weitere Vorgehen empfiehlt. Mittels einer frühzeitigen, automatisierten Steuerung im Schadensprozess lassen sich nach Prozessanalysen von ControlExpert und Copart signifikante Einsparungen realisieren. Das beginnt bei der digitalen Meldung des Schadenfalls, geht über die technologiebasierte Identifikation der beschädigten Fahrzeuge, über die Schadensbeschreibung per automatischer Bilderkennung bis hin zur datenbasierten Abwicklungsempfehlung und einer direkten Anbindung von Folgeprozessen wie die Empfehlung einer Partnerwerkstatt, die fiktive Abrechnung oder der Abwicklung als Totalschaden.

Auch bei der letztgenannten Option eröffnet sich durch den Einsatz automatisierter Prozesse hohes Einsparpotenzial. So trägt allein schon das Ersetzen von Vor-Ort-Besichtigungen durch Video- und Fotokalkulationen zur Reduzierung der Gesamtkosten bei. Im weiteren Verlauf versprechen optimierte und digitalisierte Prozesse, welche die Abholung des beschädigten Fahrzeugs, dessen Aufbereitung, Lagerung und Verkauf umfassen, eine hohe Zeit- und damit Kostenersparnis.

Am Ende steht also die Erkenntnis, dass Versicherungsunternehmen auch in stürmischen Zeiten steigender Inflation mitnichten die Hände gebunden sind. Vielmehr bieten sich ihnen zahlreiche Möglichkeiten und Instrumente, die Schadenaufwände positiv zu beeinflussen. Die gezielte Senkung interner Kosten mittels technologiegestützter Prozesse sowie die Entscheidung für eine innovative Totalschadenabwicklung erweisen sich als wirksame Mittel, um smart durch die Preis-Krise zu kommen und dabei die eigenen Kunden zu entlasten.

Autoren: Andreas Witte, Geschäftsführer ControlExpert; Kai Siersleben, Geschäftsführer Copart Deutschland

Endnoten:

1 Werte von ControlExpert berechnet, auf Basis einer repräsentativen Menge von geprüften Dokumenten.
2 https://gemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2022/09/GD_2022-2-unkorrigiert.pdf

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